Im Zusammenhang mit verschiedenen Krankheiten ruhen Hoffnungen auf robusten Sorten. Beim Gemüse sind gegen das Jordanvirus (Tomato brown rugose fruit virus) tolerante Züchtungen ein solches Beispiel.
Neu ab 1. Juli
Aufgrund eines EU-Entscheids gilt das Jordanvirus hierzulande nicht mehr als Quarantäneorganismus, weshalb es ab dem 1. Juli 2025 weder eine Überwachung, Melde- und Bekämpfungspflicht noch Unterstützung des Bundes im Fall eines Ausbruchs gibt. Letzteres kann folgenschwer sein, denn das Virus kann die Menge der von einer Pflanze produzierten Früchte um 30–70 Prozent reduzieren – je nach Sorte. Anfällig sind insbesondere Tomaten und Peperoni. Das Jordanvirus verbreitet sich sehr einfach via Berührung, ist widerstandsfähig und die Bekämpfung besteht aus der Vernichtung betroffener Pflanzen. 2021 gab es hierzulande erstmals Nachweise des Jordanvirus.
«In der Schweiz kam es in den vergangenen Jahren zu mehreren Fällen», sagt Markus Waber, stellvertretender Direktor des Verbands Schweizer Gemüseproduzenten (VSGP). Die Schäden für die betroffenen Betriebe seien erheblich.
«Züchtung wird zerstört»
Züchtung und Patente
Laut der Koalition «Keine Patente auf Saatgut» hat das Europäische Patentamt trotz eigentlichen Verbots mehrere Hundert konventionell gezüchtete Pflanzen patentiert, es seien über 1000 Sorten betroffen. Angesichts neuer Züchtungsverfahren (NZV) sei dies wohl nur der Anfang: «Die Saatgutindustrie nutzt NZV, um die Unterscheidung zwischen konventioneller Züchtung und Gentechnik zu verwischen und auf diese Weise zusätzliche Schlupflöcher für die Patentierung von Saatgut zu schaffen», so der Vorwurf. Eine neu entdeckte, natürliche Genvariante werde mit Werkzeugen wie Crispr-Cas reproduziert und damit ein Patent auf eine «technische Erfindung» gerechtfertigt, das aber alle Pflanzen mit der fraglichen Genvariante abdecke – auch solche, die durch Kreuzung entstanden sind.
Das Problem liegt demnach nicht explizit im Einsatz von NGV, sondern in der rechtlichen Handhabung von Patenten. Biozüchter wie die Sativa Rheinau AG sprechen sich jedoch gegen eine liberale Regulierung von NGV aus, weil diese die versprochenen Lösungen ihrer Meinung nach nicht bieten könnten und von ihnen eine Gefahr für die (Bio)züchtung ausgehe – auch im Zusammenhang mit mehr Patenten.
Daher stimmt Markus Waber zu, dass die Entwicklung von gegen das Jordanvirus robusten Tomatensorten auch für die hiesigen Produzenten wichtig ist. Solche Neuzüchtungen gibt es, doch sie haben einen Haken: Sie stehen zum Teil unter Patentschutz. Dies, obwohl es sich dabei laut der Koalition «Keine Patente auf Saatgut» um konventionell erzeugte Sorten handelt, die gar nicht hätten patentiert werden dürfen.
«Solche Patente sind im Begriff, die Innovation und Vielfalt in der europäischen Pflanzenzüchtung zu zerstören», warnt die Koalition, zu der aus der Schweiz Sativa Rheinau und Pro Specie Rara gehören. Denn es seien auch andere Nutzpflanzen wie Spinat, Brokkoli, Gerste oder Mais von Patenten auf konventionell gezüchtete Sorten betroffen. Allein für Jordanvirus-resistente Tomaten gebe es 20 aktuelle Patentanträge auf EU-Ebene.
Patentierungen sind vor allem für kleine und mittlere Züchtungsunternehmen ein Problem. Durch sie sind diese Züchter mit kostspieligen Abklärungen und Unsicherheiten konfrontiert, welche die Wirtschaftlichkeit ihrer Zuchtarbeit infrage stellen können. Es kann ihnen passieren, dass am Ende jahrelanger Sortenentwicklung eine Pflanze steht, für die ein anderer ein Patent hält. Patentrechte sind ausserdem teuer und können den Zugang zu Ausgangsmaterial für die Pflanzenzüchtung erschweren.
Handhabung noch offen
«Das meiste hierzulande verwendete Gemüsesaat- und Pflanzgut stammt aus dem europäischen Raum», erklärt Markus Waber. Über die Grösse der Lieferanten habe der Verband keine Kenntnis. «In der Schweiz gibt es noch einige Züchter», ergänzt der stellvertretende Direktor, «auch diese sind wichtig für die einheimische Produktion.» Der VSGP anerkennt, dass es Fragen bezüglich der Patentierung gibt. Hierzulande steht die Publikation des revidierten Patentrechts bevor, das in der Vernehmlassung vom Wirtschaftsverband Scienceindustries als Innovationsbremse kritisiert worden war. Wie Patente in der Schweiz künftig gehandhabt werden, ist somit eine dieser offenen Fragen.[IMG 2]
Auch wenn die eingangs erwähnten Patente herkömmliche Züchtungen betreffen, führt beim Thema Patentierung derzeit kaum ein Weg an neuen Züchtungsverfahren (NZV) wie Genomeditierung vorbei (siehe Kasten). Es gibt die Befürchtung, dass dadurch noch mehr Patente die Arbeit kleinerer Züchter gefährden könnten. Der VSGP ist Mitglied beim Verein «Sorten für morgen», der sich für Offenheit gegenüber NZV einsetzt.
«Patentierungsfragen müssen unabhängig von der Züchtungsmethode geklärt werden», hält Markus Waber hierzu fest. Der VSGP habe das Thema Patente auf gentechfreie Züchtungen nicht erörtert und er könne daher dazu keine Aussage machen. Aber: «Wichtig ist, dass Patente die weitere Züchtung nicht einschränken», so Waber.
Kleine und mittlere sind wichtig
Für Amadeus Zschunke, Geschäftsführer der Sativa, ist klar, dass Patente auf konventionelle Züchtungen grössere gesellschaftliche Nachteile bringen, als sie (für grosse Züchter) individuell vorteilhaft sein könnten. «Gerade kleine Länder mit vielfältigen Anbaubedingungen, wie sie in der Schweiz bestehen, brauchen eine ausreichende Sortenvielfalt», lässt sich Zschunke in einer Mitteilung von «Keine Patente auf Saatgut» zitieren. Kleine und mittlere Unternehmen würden genau diese Sortenvielfalt zur Verfügung stellen, sagt er.
Dem Beispiel Österreichs folgen
Die internationale Koalition hat Einspruch erhoben gegen das Patent einer französischen Züchtungsfirma auf Jordanvirus-robuste Tomaten. Und sie appelliert an die Schweiz, dem Beispiel Österreichs zu folgen, das mit nationalen Regeln derlei Patente und ihre Folgen eingeschränkt habe. So können in Österreich konventionelle Züchtungen national nicht patentiert und Patente auf gentechnisch veränderte Pflanzen nicht auf traditionell erzeugte angewandt werden.
«Wenn dann auch das Europäische Patentamt seine umstrittene Auslegung ändert, werden diese Patente der Vergangenheit angehören», so die Hoffnung. Die Publikation der definitiven Fassung des revidierten Schweizer Patentrechts steht noch aus, ebenso jene des Spezialgesetzes für NZV (siehe Kasten).
Neues Spezialgesetz: Zufrieden ist eigentlich niemand
Mit dem baldigen Ende der Vernehmlassung liegen die Stellungnahmen zum bundesrätlichen Entwurf eines Spezialgesetzes für neue Züchtungsverfahren (NGV) vor. Damit werden Techniken wie die Genomeditierung ausserhalb des Gentechnik-Gesetzes geregelt. Es herrscht zusammengefasst allgemeine Unzufriedenheit unter den Stellungnehmenden.
Vollumfänglich enttäuschend
Der Verein «Sorten für morgen» weist den Entwurf «mangels Praxistauglichkeit» zurück. Der Inhalt enttäusche vollumfänglich, so seien etwa die vorgesehenen gesetzlichen Auflagen so hoch, dass der Einsatz von NGV hierzulande verhindert würde. Es sei zu beachten, dass von NGV keine grösseren Risiken ausgingen als von klassischer Züchtung, weshalb sie von zusätzlicher Risikoprüfung, Koexistenzvorschriften und einer Pflichtdeklaration bis zum Endprodukt auszunehmen seien. Stattdessen schlägt «Sorten für morgen» den Weg über eine Branchenlösung vor, etwa via Label.
In der Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes und der Anpassung an den Klimawandel sieht der SBV Chancen für die NZV. «Bedingung dafür ist, dass diese Züchtungen einen klaren, agronomischen, ökonomischen und ökologischen Nutzen aufweisen.» Auch müsse die Bevölkerung die Vorteile anerkennen und akzeptieren, weshalb der SBV die geplante Warenflusstrennung und Kennzeichnungspflicht befürwortet.
Andererseits darf seiner Meinung nach das neue Gesetz die Nutzung von Mehrwerten durch NZV nicht verunmöglichen, es sei pragmatisch und in Abstimmung mit den EU-Regeln umzusetzen.
Referendum angedroht
Die Kritiker von NZV, namentlich der «Verein für gentechnikfreie Lebensmittel», droht indes mit einem Referendum. «Die von der Gentechlobby beeinflusste Vorlage missachtet das Vorsorgeprinzip und schafft unnötige Rechtsdoppelungen, gefährliche Schlupflöcher und setzt die Wahlfreiheit der Konsument(innen) aufs Spiel», schreibt der Verein in einer Mitteilung.
Man werde zusammen mit verbündeten Organisationen das Referendum ergreifen, sollte das Spezialgesetz in dieser oder noch abgeschwächter Version vom Parlament verabschiedet werden. Die Beratung über die Vorlage steht noch aus.