In diesem Frühling mussten sich die Ackerbauern gegen Schwärme von Rapsglanz- und Kartoffelkäfern wehren. Nicht selten griff man dafür zu Spinosad. Die Verkaufsmengen von Spinosad haben in den letzten Jahren stetig zugenommen. Kein Wunder angesichts der generell schrumpfenden Palette zugelassener Wirkstoffe. Für Spinosad spricht, dass es sich dabei um einen biologischen und gleichzeitig effektiven Wirkstoff handelt. Aber biologisch heisst nicht ungefährlich.

Kontakt- und Frassgift

Abo Betriebsmittelliste 2023 Bio Suisse weitet erlaubte Anwendungen von Spinosad aus – es gebe keine Alternative Thursday, 2. February 2023 «Das breite Wirkspektrum gegen schädliche Raupen, Thrips, Drosophila-Arten sowie Minierfliegen und die Wirkungsart machen Spinosad zu einem effektiven Insektizid», sagt Lucas Burkhard. Der ETH-Agronom leitet bei der Omya AG den Agrarbereich und ergänzt, dass Spinosad sowohl als Kontakt- als auch Frassgift und oft innert weniger Stunden gegen viele schwer zu bekämpfende Schadinsekten wirke – auch gegen grössere Larvenstadien. «Andere biologische, insektizide Wirkstoffe haben ein schmales Wirkungsspektrum wie z. B. Produkte auf Basis von Bacillus thuringiensis», ergänzt Burkhard. Seifen- oder Ölprodukte würden auf der anderen Seite sehr breit und wenig spezifisch wirken, bei unterschiedlicher Effektivität.

Spinosad wirkt über das Nervensystem von Insekten, führt zu deren Lähmung und schliesslich zum Tod. Das gilt für Schädlinge, aber auch für Nützlinge, falls sie direkt mit der Spritzbrühe in Kontakt kommen und empfindlich auf Spinosad reagieren. Es wirke aber spezifischer als andere Insektizide und schone daher zahlreiche Nützlinge, heisst es vom Hersteller Corteva. Das gelte etwa für Raubmilben, Florfliegen und Raubwanzen. Laut Corteva unterscheidet sich der Wirkmechanismus von Spinosad von jenem vieler anderer Wirkstoffe, was ein geringeres Risiko für Kreuzresistenzen bedeute. Bei angemessenem Resistenzmanagement (gezielte Anwendung, richtige Dosierung, Beachten von Schadschwellen, begrenzte Anzahl Anwendungen pro Saison, Abwechseln mit anderen Wirkstoffklassen) sei das Potenzial zur Resistenzbildung gering.

Wirksam ergänzen

Soweit die Theorie. «In vielen Gemüsebaukulturen darf gegen einzelne Schädlinge nur noch Spinosad eingesetzt werden», kritisiert Lucas Burkhard. Zulassung und Direktzahlungsverordnung schränkten die Auswahl erlaubter Pflanzenschutzmittel ein. «Die Produzenten können aufgrund der von den Behörden auferlegten Einschränkungen kein ausreichendes Resistenzmanagement mehr durchführen», so Burkhards Fazit. Trotz schrumpfender Wirkstoffpalette bleiben zur Vermeidung von Resistenzen die Empfehlungen zur richtigen Dosierung, das Beachten von Schadschwellen und die gezielte Anwendung umsetzbar. Für eine bessere Wirkung sind zudem die Herstellerhinweise über die Zugabe von Netz- und Haftmittel je nach Produkt zu beachten. «Sie werden den PSM-Formulierungen nicht standardmässig beigemischt, weil ihre Zugabe von verschiedenen Faktoren wie etwa der Kultur abhängt», erklärt Burkhard. In Fällen, wo sie nicht notwendig wären, könnten Netzmittel ausserdem zu unnötigen Umweltbelastungen führen.

Die Wasserhärte in der Spritzbrühe hat laut Omya und Corteva einen erheblichen Einfluss auf die Wirksamkeit von PSM. «Hartes Wasser enthält hohe Konzentrationen von Kalzium- und Magnesium-Ionen. Diese können chemisch mit PSM-Wirkstoffen reagieren», erläutert Lucas Burkhard. Auch würden sich gewisse Wirkstoffe schlechter im harten Wasser lösen oder schneller abgebaut werden. Weiter könne die Wasserhärte auf die Aufnahme der PSM durch Schadinsekten einen Einfluss haben.

Schutz des Anwenders

Biologisch klingt weniger schädlich als chemisch, wenn es um Wirkstoffe geht. Aber auch Substanzen biologischen Ursprungs können toxisch sein. Ein Beispiel aus dem heimischen Garten: Schon wenige grüne Bohnen können bei rohem Verzehr Vergiftungssymptome hervorrufen.
Bohnen muss man kochen, Pflanzenschutzmittel vorsichtig verwenden. Die Empfehlungen zum Anwenderschutz sind auf der Etikette oder in den technischen Merkblättern der Produkte zu finden. Für Spinosad gelten folgende grundlegenden, minimalen Vorschriften, die grundsätzlich immer bei der Anwendung von PSM eingehalten werden sollten:

Raumkulturen (Obst-, Weinbau, Gurken, Tomaten usw.): Schutzhandschuhe beim Ansetzen der Spritzbrühe, zusätzlich Schutzanzug beim Ausbringen. Technische Schutzvorrichtungen (z. B. luftdicht geschlossene, klimatisierte Traktorkabine mit Überdruck, intakten Dichtungen und Filtern) können je nach Modell einen vergleichbaren oder höheren Schutz bieten.

Ackerbau: Schutzhandschuhe tragen beim Ansetzen der Spritzbrühe. jsc

Mehr Informationen zum sicheren und effektiven Pflanzenschutz: www.gutelandwirtschaftlichepraxis.ch

Wasserhärte korrigieren

«Bei harter Wasserqualität kann es notwendig sein, das Wasser vor der Anwendung von PSM aufzubereiten», rät der Agronom, «z. B. mit Weichmachern». Eine Alternative ist die Verwendung von Regenwasser, das in der Regel weicher ist. Allerdings reagierten nicht alle PSM gleich stark auf hartes Wasser, weshalb es die Anweisungen des Herstellers zu beachten gelte.

Keine Kontamination

Apropos Wasser: Gemäss technischem Merkblatt erfolgt der Abbau von Spinosad im Boden rasch. Auch im Wasser bleibt der Wirkstoff laut Corteva nicht lange, die Halbwertszeit betrage – je nach Licht, pH-Wert und mikrobieller Aktivität – einige Tage bis Wochen. Während des Abbaus reduziere sich die Toxizität für Wasserbewohner. Insgesamt wird Spinosad aber als gewässergefährdend eingestuft – die Kontamination, z. B. via Abdrift, muss vermieden werden.

«Die Toxizität hat nichts damit zu tun, ob ein Wirkstoff synthetischer oder biologischer Herkunft ist», stellt Lucas Burkhard klar. Da es sich bei Spinosad trotz seines biologischen Ursprungs um ein wirksames Insektizid handle, sei der Anwenderschutz wichtig (siehe Kasten). Denn bei unsachgemässem Umgang bestehe ein gesundheitliches Risiko, «wie bei allen Chemikalien».

 

Zutat Spynosine

Spinosad wird laut Omya und der Herstellerfirma Corteva aus dem Bodenbakterium Saccharopolyspora spinosa gewonnen. Ursprünglich ist diese Bakterienart in karibischen Böden entdeckt worden. Sie produzieren von Natur aus Spinosyne, die aktiven Substanzen von Spinosad.
Zur Gewinnung der Spinosyne lässt man S. spinosa in einem Fermenter auf einem Nährmedium unter optimalen Bedingungen wachsen. Nach einigen Tagen können die Wirkstoffe aus dem Nährmedium extrahiert und filtriert werden. Der nächste Schritt ist die produktspezifische Formulierung zum fertigen PSM.