Langsam und unspektakulär fährt «X-Power» durch die Obstanlage am Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg. Kein Lärm, kein Geruch, nichts Besonderes zu sehen. Aber nach ein paar Minuten zeigt sich die Wirkung: Das Unkraut in den Reihen verfärbt sich, welkt – und stirbt ab.

Es braucht vernetzte Betrachtung

Umweltproblematik, Klimawandel und Ernährungssicherheit sind heute die grossen Themen der Landwirtschaft. Nachhaltige, praxistaugliche Lösungen sind nur bei vernetzter Betrachtung und Zusammenarbeit über alle Sparten zu erwarten. Und an Innovationen wird derzeit überall gearbeitet, zeigten Referenten am Liebegger Tag der Spezialkulturen diesen Dienstag. Die elektrische Unterstockbehandlung zur Unkrautbekämpfung mit «X-Power» ist ein Beispieldafür, dass landwirtschaftliche Innovationen in der Praxis oft zuerst bei den wertschöpfungsintensiven Spezialkulturen ankommen.

Dieses Jahr im kommerziellen Einsatz

Die Maschine startet dieses Jahr in den kommerziellen Einsatz im Obst- und Weinbau und wurde vom Innovationsteam Innovagri von Agroline präsentiert. Die Maschine wird von einem Traktor gezogen und arbeitet mit rund 8000 Volt und 0,3 Ampere, die über Metallbänder an das Unkraut abgegeben werden. Sie sind an beidseitigen Tastarmen angebracht, der sich den Baumreihen anpassen. Gegen Mäuse helfe die Behandlung nicht, enttäuschten die Fachleute die Obstproduzenten. Die Auswirkung auf Würmer sei ähnlich wie bei anderen Bodenbearbeitungsmethoden.Gemäss Patrick Stefani von Innovagri wird die elektrische Behandlung in Kombination mit anderen Verfahren wie Hacken oder Herbizideinsatz empfohlen. Agroscope spricht nach den Auswertungen des ersten Versuchsjahres von einer ähnlichen Wirkung wie Glyphosat. Die 150'000 Franken teure Maschine stellt sich wohl kein einzelner Obstproduzent in den Schopf. In der Schweiz sind zwei Maschinen im Einsatz, eine davon kann via Landi Sursee gebucht werden. Das kostet inklusive Chauffeur 250 Franken pro Stunde.

Andere Referenten stellten weitere Projekte vor.

UV-C-Technologie: Auch UV-C-Bestrahlung sei nicht das Mittel, das alle Probleme löse, sagte Tagungsleiter Christian Wohler vom LZ Liebegg. Ziel sei aber die Ergänzung einer Pflanzenschutzstrategie. Er informierte über ein laufendes Forschungsprojekt mit Liebegger Beteiligung. Erdbeerjungpflanzen werden vor dem Einsetzen mit UV-C gegen den Pilz Botrytis bestrahlt. Unter Laborbedingungen sei die Methode sehr effektiv, in der Praxis abhängig vom Sporenstamm, von der Belichtungsdauer und der Exposition, informierte Wohler. Untergebracht ist das Bestrahlungsgerät in einem Kühlwagen, die Pflanzen werden darin auf rotierende Körbe gestellt. Danach folgt das Besprühen mit erwünschten Mikroorganismen. Die Feldversuche auf Pilotbetrieben starten demnächst, eine Einführung in die Praxis ist frühestens ab 2025 zu erwarten.

Robotik: Die rasante technische Entwicklung in der Landwirtschaft geht weiter, stellte ETH-Professor Achim Walter in Aussicht. «Die Methoden der künstlichen Intelligenz könnten einen Quantensprung schaffen.» Allerdings brauche es dazu noch viel mehr Daten. Die Umweltproblematik stelle sich im Moment als Treiber für die Arbeit in diesem Bereich heraus. «Falls der Einsatz neuer Techniken gesellschaftlich und politisch gewollt ist, braucht es aber auch staatliche Anreize», stellte Achim Walter klar.

Pflanzenkohle: Man verspricht sich viel vom Einsatz in der Landwirtschaft, vor allem positive Effekte auf das Klima, aber auch auf die Tiergesundheit. Forschungsergebnisse müssten aber noch verifiziert werden, informierte Josef Burri von Landwirtschaft Aargau über das kantonale Projekt. Es soll nächstens in die zweite Runde gehen, unter anderem mit Fütterungs- und Bodenversuchen. Vorgesehen ist auch die Unterstützung einer 6000-Tonnen-Pyrolyseanlage, die in Wildegg geplant ist; sie wäre europaweit eine der grössten. «Pflan-zenkohle könnte ein Brückenbauer zwischen Landwirtschaft und Konsumenten sein», stellte Burri in Aussicht, denn hier stehe die Landwirtschaft nicht einfach in der Kritik, sondern könne Teil der Lösung sein.

Erneuerbare Energien: In diesem Bereich stellte Peter Morf vom Hightechzentrum Aargau insbesondere bei Photovoltaikanlagen grosses Potenzial für die Landwirtschaft fest. Der Wettbewerb unter den Anbietern spiele, bei den Anlagen selber wie bei den Batterien. Da würden sich massive Fortschritte anbahnen, die Produkte dadurch günstiger, aber auch ökologischer werden.