«Unter dem gleichen Gewächshausdach Gemüse und Strom produzieren zu können, ohne gegenseitige negative Beeinflussung, das hat mich fasziniert», sagt Ruedi Meier vom gleichnamigen Gemüsebaubetrieb im aargauischen Rütihof. An einem Branchenanlass fand er Kontakt zum erst 2022 gegründeten Start-up Voltiris aus Lausanne. Die Firma entwickelt neuartige Photovoltaik-Systeme, um auch Flächen für die Stromproduktion zu nutzen, die bisher nur für den Pflanzenbau infrage kamen, so in Gewächshäusern.

Herkömmliche Systeme seien dafür ungeeignet, da der Schattenwurf den Ertrag des lichtbedürftigen Gemüses negativ beeinträchtige. In den hocheffizienten und kapitalintensiven Gewächshäusern sei dies aber sehr entscheidend. «Ein Prozent mehr Licht bringt ein Prozent mehr Ertrag», erklärt Meier.

Vielfalt des Lichts nutzen

Die Firma Voltiris habe dafür eine innovative Lösung entwickelt: In einem ausgeklügelten optischen System, das auf einer spektralen Filtermethode beruht, wird das Tageslicht gebündelt und auf herkömmliche PV-Module projiziert. Sogenannte dichroitische Spiegel lassen jene Lichtspektren durch, welche die Pflanzen für die Fotosynthese benötigen. Die Voltiris-Module lieferten 100 Prozent des von den Nutzpflanzen benötigten Lichtes, sodass die landwirtschaftliche Produktivität nicht verringert werde, erklärt Ruedi Meier. Der ungenutzte Teil des Lichtes wird herausgefiltert und von Solarmodulen für die Stromproduktion eingefangen. «Pflanzen brauchen kein grünes Licht oder solches im Infrarotbereich», erklärt Dominik Blaser, Mitgründer und Produktingenieur bei Voltiris. Gerade diese Lichtspektren seien hingegen für die Stromproduktion sehr interessant.

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Keine Baubewilligung nötig

Die Voltiris-Module brächten deshalb ähnliche Stromerträge wie herkömmliche PV-Module, sagt Dominik Blaser. Die vertikal platzierten und beweglichen Module werden automatisch gesteuert. Auf diese Weise werde das Tageslicht optimal ausgenutzt, Strom könne auch abends noch produziert werden, so Blaser.

Laut Tests von Agroscope lassen sich mit einem solchen System die Hitzebelastung und der Wasserbedarf der Gemüsekulturen verringern. Das werde mit der Klimaveränderung eine immer grössere Herausforderung. Dank der neuen Technologie könne der ungenutzte Raum unter Gewächshausdächern für die Stromproduktion genutzt werden. Und weil die Aussenhülle nicht verändert wird, sei auch keine Baubewilligung nötig. Nur im Inneren seien minimale bauliche Massnahmen nötig.

Weltweit grösste Anlage

Das System von Voltiris habe ihn überzeugt, sagt Ruedi Meier. Nicht zuletzt, weil bereits anderswo Pilotanlagen installiert wurden, bei Gemüsebaubetrieben in Genf oder kürzlich in Füllinsdorf im Baselbiet. Die Firma sei auch bereits in Holland und Belgien tätig. Zudem sei die Technologie ausgiebig auf Praxistauglichkeit getestet worden, auch von Agroscope, betont Meier. Deshalb habe er das Risiko für eine Grossanlage gewagt. Der Bau ist für Februar 2025 vorgesehen, rund 8000 m2 Fläche unter Glas sollen für die Stromproduktion genutzt werden. Es sei die weltweit grösste Anlage dieser Art und für den Kanton Aargau ein Flaggschiff-Projekt. Dieses wird denn auch im Rahmen der kantonalen Solaroffensive für grossflächige PV-Anlagen finanziell unterstützt, wie Daniel Lindemann von der Abteilung Energie des Departements Bau, Verkehr und Umwelt erklärt.

Günstiger Strom

Die Anlage bei Meier wird von Voltiris im Contracting gebaut. Für die Finanzierung sei die Firma auf Partner angewiesen, weshalb es Unterstützung vom Kanton gebe, erklärt Dominik Blaser.

Ruedi Meier erhält den Strom aus der Anlage zu einem Vorzugspreis. Weil beim eigenen Strom auch keine Netzkosten anfallen, seien die Kosten deutlich geringer, bemerkt er. Grundsätzlich findet Meier, dass die Gemüsebranche gefordert sei, bei der Energie neue Wege zu gehen und mehr zu tun für die Energiewende. Künftig soll neben Solarstrom auf seinem Betrieb auch die Abwärme eines Data-Centers genutzt werden.

Gemüse Meier

Der Familienbetrieb von Ruedi Meier in Rütihof ist ein spezialisierter Gemüsebaubetrieb und beschäftigt während der Erntezeit bis zu 50 Mitarbeitende. Auf rund vier Hektaren in Gewächshäusern werden jährlich 1,5 Mio Kilo Tomaten und auf zwei Hektaren zugepachteter Fläche rund 1,2 Mio Kilo Gurken in Folientunneln produziert, dazu noch kleine Mengen an Salaten. 40 Prozent aller während der Saison verkauften Tomaten im Aargau stammen laut der Website des Betriebs aus Rütihof. Bei den Gurken sei es sogar jede Zweite. Beliefert werden Grossverteiler, nationale und regionale Händler und Wochenmarktfahrer. Und im «Tomatelädeli» wird während der Ernte in Selbstbedienung auch der Direktverkauf angeboten. Auf Nachhaltigkeit wird auf dem bereits seit 60 Jahren bestehenden Gemüsebetrieb grosser Wert gelegt. Um die Gewächshäuer sind viele ökologische Ausgleichsflächen angelegt und in den Gewächshäusern selbst kommen viele Nützlinge zum Einsatz. Schon bisher wurde selber Strom produziert; die PV-Anlage auf den Betriebsgebäuden ist 1500 m² gross. Und möglichst viel Regenwasser wird selbst genutzt, das Wasserbecken dafür fasst 13'000 m³.