Dossier Dossier Flurgang Monday, 5. June 2023 «Was glaubt ihr, auf welchen Böden sind die Temperaturen in den Sommermonaten am höchsten: Auf einem Waldboden, auf einem Ackerboden mit Gründüngung, auf einem Ackerboden, der unbedeckt ist, oder auf einer Asphalt-Strasse?» Mit dieser Frage konfrontierte Hanspeter Liniger von der Uni Bern die Landwirtinnen und Landwirte an der Flurbegehung in Schüpfen BE. Alle ausser einer hoben natürlich bei der Asphalt-Strasse die Hand. «Ob ihr es glaubt oder nicht, das ist falsch. Laut Messungen werden die unbedeckten bearbeiteten Ackerböden an den exponierten Stellen über 60 Grad und übertrumpfen so die Asphalt-Strassen um einige Grad», hält Liniger fest.

Die oberste Schicht

«Ich sage es hier klar und deutlich: Unbedeckte Ackerböden sind in Zukunft verboten», redet Hanspeter Liniger den Bäuerinnen und Bauern ins Gewissen. «Herrschen auf den unbedeckten Böden solche Temperaturen, garantiere ich, dass die oberste Schicht Erde kaputt ist, kaputt von der Hitze, kaputt, weil keine Kultur oder keine Gründüngung die Wärme abfedern können», so der Experte. Komme das nächste Gewitter, sei diese Erde weg, weggespült, weil die Bodenstruktur fehlt, weggespült, weil nur noch loser Sand diesen Boden bedeckt. «Um dies zu verhindern, gibt es nur eines: «Den Boden permanent mit Pflanzen, mit einer Zwischenfrucht oder mit Pflanzenresten zu bedecken», sagt Liniger. Diese Massnahme schütze nicht nur den Boden, sondern eine Zwischenfrucht oder Pflanzenreste wirken sich auch positiv auf die Humusbildung aus. «Fruchtbare, lebendige und strukturstabile Böden gewährleisten einen wirksamen Erosionsschutz», fasst es Liniger zusammen.

Optimale Saatbedingungen

Deshalb waren an der Flurbegehung die Gründüngungen und die Direktsaat die Hauptthemen. Auch Hanspeter Lauper von der Landag AG empfiehlt während der Vegetationszeit ab einer Dauer von 40 bis 50 Tagen zwischen den zwei Kulturen die Aussaat einer Gründüngung. «Gründüngungen müssen wie eine Hauptkultur betrachtet werden. Es müssen optimale Saatbedingungen vorherrschen und eine ausreichend präzise Sätechnik verwendet werden», hält der Direktsaat-Pionier fest. Eine weitere Herausforderung sei das Erreichen einer maximalen Biomasse von mindestens 3,5 t TS/ha und somit einer maximalen Unkrautunterdrückung, was eine möglichst frühe Ansaat der Gründüngung nach der Ernte der Vorkultur bedinge.

Die Hauptziele von Gründüngungen in der konservierenden Landwirtschaft sind: eine Erhöhung des Humusgehalts, insbesondere auf viehlosen Betrieben, der Aufbau oder die Erhaltung einer permanenten Bodenbedeckung, der Schutz des Bodens vor UV-Strahlen, die maximale Nutzung der natürlichen Ressourcen und die Unkrautunterdrückung. «Gründüngungen können diverse Fruchtfolgekrankheiten übertragen und dadurch den Hauptkulturen indirekt schaden», so Lauper. Deshalb sei darauf zu achten, dass nur Gründüngungen eingesetzt werden, die mit allen Kulturen in der Fruchtfolge verträglich sind.

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Schardruck wird angepasst

An der Flurbegehung wurde auf einem Demofeld vorgeführt, wie man nach einer Gründüngung optimal Wintergerste einsät. «Hier haben wir als Gründüngung Guizotia (Ramtillkraut). Diese können wir vor der Direktsaat abschlegeln, mulchen oder mit Glyphosat abspritzen. Hier haben wir uns für die Glyphosat-Variante entschieden», sagt Hanspeter Lauper. Durch das Ablegen der Gründüngung bilde diese für den Boden weiterhin einen Temperatur- und Erosionsschutz.

Gesät wurde die Wintergerste auf dem Demofeld von einer Sämaschine, die von der Landag AG gebaut wurde. Der Fronttank ist in drei geteilt, so dass drei verschiedene Saatgüter während des Saatvorgangs miteinander vermischt werden können. Beispielsweise verschiedene Gründüngungen oder zur Saat eine Unterfussdüngung. Die Sämaschine verfügt über Kraftmessbolzen bei jedem einzelnen Schar. So kann die Restkraft auf dem Tiefenführungsrad gemessen und geregelt werden. Der Schardruck wird alle drei Millisekunden angepasst. Dieses Regelungssystem ermöglicht bei heterogenen Böden eine homogene Saatgut-Tiefenablage. Wenn die Bodenzone sandiger wird, nimmt der aufgewandte Druck ab, und wenn er schwer wird, nimmt der Druck zu. An jeder Reihe sind auch selbst entwickelte Sternräumer montiert.


«Ohne den Glyphosat-Einsatz werden diese Systeme nur mit viel mehr Dieselaufwand machbar sein»

Was sind die Vorteile einer Direktsaat?

Raphael Lauper: Wir reden heute nicht mehr nur von Direktsaat, sondern vom Anbausystem Conservation Agriculture. Dieses besteht aus drei Standbeinen: Bodenruhe, Bodenbedeckung und Pflanzenartenvielfalt. Die Standbeine Bodenruhe und Bodenbedeckung kann nur mit der Direktsaat-Methode erreicht werden. Bei allen anderen Saatverfahren gibt es zwischen der alten und der neuen Frucht auf dem Feld mindestens drei Wochen Unterbruch der Bodenbedeckung. Was zur Folge hat, dass sich der Boden gerade im Sommer bei Gründüngung sowie Grassaaten sehr stark, bis zu 65 °C erhitzt. Bodentemperaturen über 40 bis 45 °C fügen den Bodenlebewesen und Bakterien sehr grossen Schaden zu.[IMG 3]

Gibt es auch Nachteile, und was löst die Direktsaat im Boden aus?

Nachteil von viel Pflanzenmaterial an der Oberfläche ist sicher der Schneckenbefall, dieser muss gut im Auge behalten werden. Doch: Das Standbein Bodenruhe bezieht sich darauf, den Boden möglichst in Ruhe zu lassen, den Boden möglichst nicht zu bewegen. Mit jeder Bodenbearbeitung werden sämtliche Wurmgänge zerstört. Versuche auf dem «Langzeitversuch Oberacker» auf der Rütti in Zollikofen BE haben gezeigt, dass die Regenwurmpopulation bei einem langjährigen Direktsaatboden vier Mal höher ist als bei einem Boden, welcher regelmässig bearbeitet wird. Zudem werden bei einer Bodenbearbeitung pro Durchgang 20 mm Niederschlag aufgelöst, sie verdunsten. Was bei einem Frühling wie diesem ein Vorteil sein kann, aber in den Sommern ein Nachteil ist. Eine Pflanzenartenvielfalt kann ich mit jedem Anbausystem erreichen. Je mehr Pflanzenarten auf dem Betrieb sind, umso besser können die Bodenlebewesen ernährt werden.

Was passiert, wenn der Boden immer bedeckt bleibt?

Es ist so, dass, wenn ein Boden bedeckt ist, dieser eine maximale Bodentemperatur von 33 °C aufweist. Dies kann mit gehäckseltem Stroh der Vorkultur und mit Gründüngungen erreicht werden. Sobald eine Bodenbedeckung vorhanden ist, arbeiten die Regenwürmer über den Bodenhorizont hinaus, was den Gas- und Wasseraustausch massiv anhebt respektive diesen ohne Bodenbearbeitung überhaupt ermöglicht. Bei sämtlichen Bodenbearbeitungsmassnahmen bringe ich zwar Luft in den Boden, wenn es aber starken Niederschlag gibt, schliessen sich die Poren der Bodenoberfläche und ich muss erneut eine Bearbeitung machen wie Striegeln oder Hacken! Bei einem aktiven, bedeckten Boden passiert dies nicht. Die an der Oberfläche liegenden Pflanzenmaterialien schützen den Boden vor den Regentropfen, welche mit zirka 60 km/h auf den Boden respektive auf die Pflanzenmaterialen fallen.

Was sollte bei der Direktsaat beachtet werden?

Auf die Fruchtfolge, die Befahrbarkeit des Bodens sowie die oben erwähnten drei Standbeine.

Die Landag sät viele Kulturen mit einem GPS-System. Was sind die Vorteile?

Immer genaues Fahren, auch bei Nacht und Nebel. Bei der Direktsaat ist es oft so, dass bei den Pflanzenresten der Spurmarkierer nicht erkannt werden kann. Deswegen merkt man dort den Vorteil eines Lenksystems extrem. Weniger Wendezeit, da man fast nie rückwärtsfahren muss. Durch das werden auch das Getriebe, die Reifen und die Umwelt durch weniger Kraftstoffverbrauch geschont (weniger Reversieren = weniger Lastwechsel). Der Boden wird geschont sowie durch weniger Überlappung wird Saatgut eingespart, es werden weniger Überfahrten gemacht.

Viele säen nach der Ernte eine Zwischenfrucht. Was muss danach bei der Direktsaat beachtet werden, oder wie soll man am besten mit der Zwischenfrucht vorgehen, damit die neue Saat gut gedeiht?

Wichtig ist, dass es keine Strohhaufen auf dem Feld hat. Das Stroh (wenn es solches auf dem Feld hat) muss gut verteilt und fein gehäckselt sein. Kurz gehäckseltes Stroh können wir mit Sternradräumern wegräumen und so grösstenteils verhindern, dass Stroh zwischen Boden und Saatkorn liegt (Hairpinning). Beim Saataufgang die Kultur auf Schneckenfrass kontrollieren.

Vielfach wird vor der nächsten Direktsaat die Zwischenfrucht mit Glyphosat totgespritzt. Ist diese Methode noch zukunftsgerichtet?

Eine gezielte Glyphosat-Applikation ist von mir aus nicht nur die ökonomischste, sondern auch die ökologischste Variante, um eine Zwischenfrucht zu beseitigen. Die Standbeine Bodenruhe und Bodenbedeckung können sonst nur mit Varianten wie Elektroherbizid erhalten bleiben. Bei diesem ist der Dieselverbrauch zwanzigmal höher pro Hektare als mit einem gezielten Glyphosat-Einsatz. Bei anderen Methoden wie Messerwalze etc. ist der Dieselverbrauch pro ha zirka zehnmal so hoch (Dieselverbrennung = CO2).

Was ist der Vorteil von Glyphosat?

Die Gewissheit, dass die Zwischenfrucht auch wirklich abgestorben ist, ist dann mit Sicherheit nicht so hoch wie bei einem gezielten Glyphosat-Einsatz. Häufig wird diskutiert, dass die Herstellung von Glyphosat sehr viel Energie benötigt. Ich bitte daher, den Gedankengang zu machen, wie viel Energie benötigt wird, um die zusätzlich nötigen Maschinen zu produzieren. Leistungspotenzial einer 21-Meter-Feldspritze mit 110-PS-Traktor zirka 4 ha/Std. Die Leistung mit einer Messerwalze oder einer Bodenbearbeitung mit einem 110-PS-Traktor zirka 1,2 ha/Std. Leider wird dies sehr selten diskutiert.

Was passiert, wenn Glyphosat in der Schweiz verboten wird. Was würde das für die Direktsaat bedeuten?

Ich würde diese Frage gerne nicht nur auf die Direktsaat, sondern auch auf die Mulch-, Streifenfrässaat und das Strip-Till-Saatverfahren ausweiten. Alle diese Verfahren benötigen den gezielten Glyphosat-Einsatz. Ohne den Glyphosat-Einsatz werden diese Systeme nur mit viel mehr Dieselaufwand und nicht durchgehend in der Fruchtfolge machbar sein. Ich denke aber, dass das Glyphosat in der Schweiz nicht verboten wird.

Wie ist der aktuelle politische Stand des Glyphosat-Einsatzes?

Vor gut vier Wochen wurde in der EU bekannt, dass 2500 Studien betreffend Glyphosat untersucht wurden, mit dem Ergebnis, dass es keine Bedenken beim Einsatz von Glyphosat gibt. Aufgrund dessen hat die EU-Kommission eine Glyphosat-Zulassung bis 2033 vorgeschlagen. Mein Fazit: Aufgrund der diesjährig gemessenen Bodentemperaturen kann davon ausgegangen werden, dass mit Bodenbearbeitung und mechanischer Unkrautregulierung massiv mehr Bodenlebewesen dezimiert werden als mit einem gezielten chemischen Herbizid-Einsatz. Es ist klar, dass nicht in allen Kulturen/Fruchtfolgen auf die Bodenbearbeitung verzichtet werden kann.