Ebnat-Kappel Bereits der Anfang des Betriebsbesuchs hat eine sinnliche Note: Das Auto der Toggenburger Kräuterfrauen, das uns von der Postautohaltestelle abholt, riecht im Inneren intensiv nach getrockneter Minze. Wohl erst vor Kurzem wird das unverkennbare Grün darin transportiert worden sein.

Eine bunte Pracht

Auf dem Hof oberhalb von Ebnat-Kappel angekommen, zeigt Birgit Kratt als erstes die Kräuterpflanzungen. In leuchtenden Farben und verschiedensten Grüntönen reihen sich die Hauptdarsteller des Betriebs auf verschiedenen Feldern auf: Orange die Ringelblumen, gelb und weiss die Kamillen, blau die Kornblumen, rot die Goldmelissen. Dazwischen Kräuter wie Zitronenthymian, Basilikum, Oregano und verschiedenerlei Minzen. Um die 50 verschiedene Sorten wachsen auf einer Gesamtfläche von 30 Aren für das vielfältige Angebot an Tee- und Gewürzmischungen. Dazu gehören auch die Lieferungen drei weiterer Höfe in der ­Region, die für die Toggenburger Kräuterfrauen produzieren.

Sprung ins kalte Wasser

Vor rund 20 Jahren hatte Birgit Kratt gemeinsam mit einer Kollegin im Zürcher Oberland einen bereits bestehenden Kräuterbetrieb samt Kundenstamm übernommen. Diesen führten sie 2002 auf dem Biohof von Kratts Lebenspartner Hanspeter Stahlie auf dem Wintersberg in Ebnat-Kappel weiter. Fortan waren sie bekannt als die Toggenburger Kräuterfrauen, über die Jahre in wechselnder Teamzusammensetzung. «Es war ein Sprung ins kalte Wasser», erinnert sich die gebürtige Bernerin. «Ich hatte zuvor einige Jahre auf einem Gemüsebetrieb gearbeitet, aber von Kräutern wusste ich nichts.» Es gelang dennoch. Unterstützung bekamen die beiden Frauen auch von der Vereinigung für biologischen Kräuteranbau im Schweizer Berggebiet.

Herausfordernde Fruchtfolge

Die Kräuterbeete auf dem Wintersberg liegen am Hang, die Erde ist lehmig. Wie lässt sich bei so vielen Sorten die Fruchtfolge gestalten? «Der Kulturenwechsel ist oftmals schwierig», stellt Birgit Kratt fest. Innerhalb einer ­Familie, wie etwa Korb- oder ­Lippenblütler, sei es nicht zu empfehlen, nacheinander anzupflanzen. Manchmal könne man mit einer Reihe Gemüse abwechseln. Sie ergänzt: «Viele Sorten belassen wir an ihrem Standort, solange es geht. Pfefferminze beispielsweise wechseln wir nach zwei bis drei Jahren.» Als Dünger wird auf dem Biobetrieb hauptsächlich Mulch eingesetzt, so Kratt. Wo viel Blattmasse gewünscht wird, ist Biohandelsdünger nützlich.

Warmes Klima hilft

Gegen Unkraut kommt auf dem Biobetrieb vor allem das Hackgerät zum Einsatz, welches Hanspeter Stahlie zur Verwendung mit dem Mäher konstruiert hat. Insgesamt kämen sie mit sehr wenig Pflanzenschutz aus, räumt die Kräuterfrau ein. Früher habe sie mehr gejätet und behandelt, es brauche dafür aber viel Zeit. «Es gilt immer abzuwägen zwischen Aufwand und Ertrag. Oftmals gedeihen die Kräuter auch ohne grosses Zutun.» Vor allem südländische Kräuter wie Oregano oder Thymian seien einfach zu handhaben. Dennoch, eine Kultur, die nicht so gut kommt, gäbe es immer mal. Aber mit einem Teilausfall lasse es sich bei so vielen Sorten leben. Klar sei aber: Heisse Sommer wie der letztjährige kämen dem Kräuteranbau entgegen, solange es genügend Wasser hat.

Auch für das Auge

Die Kräuterfrauen verrichten viele Tätigkeiten von Hand. Alleine durch die Hanglage ist der Einsatz von Maschinen schwierig. Das ist jedoch nicht der einzige Grund: «Es bringt qualitativ viel, von Hand die Kräuter zu ernten und anschliessend die Blätter und Blüten von den Stielen zu zupfen», sagt Birgit Kratt. «Die ätherischen Öle sind flüchtig und an jeder Bruchstelle geht ein Teil davon verloren». Zudem spielt das Auge mit: Blüten beispielsweise, die zur Dekoration in Tee- oder Gewürzmischungen kommen, bleiben einzig von Hand gezupft schön. Wo dies keine Rolle spielt, kommt fürs «Räble» eine Maschine zum Einsatz. Dabei werden die Blätter schonend von den Stielen entfernt.

Mehrmals geschnitten

Das Kräuterjahr beginnt im März. «Hier auf 800 m ü. M. dauert der Winter oft lange und für die Aussaat darf der Boden nicht zu nass sein», erklärt Birgit Kratt. Das erste Kraut, das geerntet wird, so die Bäuerin, ist der Bärlauch. Es folgt Grünzeug wie Minze, Zitronenmelisse und Oregano. Im Sommer kommt die Zeit der Blütenernte. Im Spätsommer dann gibt es erneut Grünkräuter, die mehrmals geschnitten werden können. Oft reicht es für einen dritten Schnitt im Herbst. Die Trocknungsanlage ist von Ende Mai bis Mitte Oktober ständig in Betrieb. Das Trocknen dauert unterschiedlich lange: Bei der Malve reichen 36 Stunden, die fleischigere Ringelblume hingegen benötigt dafür vier bis fünf Tage.

Sommer ist Hauptsaison

«Stundenlang Blüten und Blätter von Hand abzuzupfen, das braucht Ausdauer», stellt Birgit Kratt fest. «Es fehlt jedoch nie an verschiedenen Aufgaben, die Abwechslung bringen.» Ab November, wenn auch das letzte Kraut geerntet und getrocknet ist, werden die Mischungen in Säckli verpackt und verschickt. Dann gibt es auch mal Zeit für andere Dinge.

In der Hauptsaison arbeiten Teilzeitangestellte mit. Häufig sind dies zwei, drei Frauen aus dem Dorf, die Jahr für Jahr wiederkommen und sich mit einem bescheidenen Lohn begnügen. «Man muss es gern machen, es ist eine sinnliche Arbeit», betont Birgit Kratt. Ihr ist es wichtig, eine schöne Arbeitsatmosphäre und ein gemeinsames Mittagessen zu bieten.

Nachfolgerin gefunden

Birgit Kratt selbst möchte in absehbarer Zeit die Leitung an eine jüngere Generation abgeben. Eine Nachfolgerin hat sie bereits gefunden: Nathalie Graf hatte einst als Praktikantin bei den Kräuterfrauen begonnen und war über Jahre immer wieder hergekommen. Nun ist sie mit ihrer jungen Familie auf den Hof gezogen und ganz in den Kräuterbetrieb eingestiegen.

Die Kunden, welche direkt via Online-Shop einkaufen oder über eine Reihe von Geschäften, mögen bewährte Produkte wie Feenzauber, Blüemlitee und die Italienische Kräutermischung. Auch Minze ist immer beliebt und in vielen Mischungen enthalten. Da Kräuterbetriebe sonst kaum auf so viel Handarbeit setzen, gäbe es wenig Konkurrenz. «Die Käufer wissen die Arbeit hinter der Qualität zu schätzen.» Und wohl auch, dass es der Duft vom Feld bis in die Tasse schafft.

Weitere Informationen: www.kraeuterfrauen.com