Neue Vorschriften und Ansprüche lassen im Pflanzenbau nach neuen Strategien suchen. «Im modernen Ackerbau sind Pflanzenstärkungsmittel und Blattdünger unverzichtbar geworden», ist Florian Marti, Aussendienstleiter bei Stähler Suisse überzeugt. Dies gerade auch angesichts der Folgen des Klimawandels, die Nutzpflanzen mit abiotischem Stress z. B. in Form von Trockenheit und Hitze konfrontieren. Pflanzenstärkungsmittel (Biostimulanzien) könnten die Kulturen da sehr gut unterstützen. Blattdünger liefern Nährstoffe, wenn sie im Boden gerade nicht verfügbar sind, im derzeitigen Entwicklungsstadium für die Pflanze aber wichtig wären.
Mit PSM mischbar
Stähler empfiehlt – wie diverse andere Anbieter – für verschiedene Kulturen mehrere Stärkungsmittel je nach Entwicklungsstadium. Für Kartoffeln gibt es z. B. Produkte zur Förderung des Wurzelwachstums, Stimulation der Nährstoffaufnahme, für eine bessere Photosynthese-Leistung, höhere Robustheit oder gesündere Knollen. Häufig enthalten Pflanzenstärkungsmittel auch Mikronährstoffe. Die Grenze zu Blattdüngern ist fliessend. Rechtlich gesehen zählen Biostimulanzien zu den Düngemitteln, definitionsgemäss dienen sie aber der Stimulation pflanzlicher Ernährungsprozesse unabhängig von ihrem Nährstoffgehalt.
Da Biostimulanzien die Kultur stärken sollen, kommen sie präventiv im gesunden Bestand zum Einsatz. Sie sind aber in der Regel mit Pflanzenschutzmitteln (PSM) mischbar, um zusätzliche Überfahrten einzusparen. Florian Marti bemerkt, dass chemische PSM je nach Wirkungsweise auch nicht zu spät ausgebracht werden sollten, um z. B. den Schutz der unteren Blattetagen zu gewährleisten. «Wichtig ist bei Biostimulanzien genügend Blattmasse für deren Aufnahme», ergänzt er. Die Stärkungsmittel sollen systemisch wirken. Ein positiver Effekt sei bei Kartoffeln schnell möglich und nur wenige würden heute noch ohne eine zusätzliche Stärkung im Tank mit einem Fungizid fahren, sagt Marti.
In Zukunft interessanter
«Die Hemmschwelle für den Einsatz von Biostimulanzien oder Blattdüngern, die evtl. einen positiven Effekt haben, ist bei Kartoffeln tiefer als bei anderen Kulturen», hält Strickhof-Beraterin Sonja Basler fest. Der teils hohe Preis solcher Produkte schrecke dank des hohen Deckungsbeitrags für Kartoffeln und teurem Pflanzgut weniger ab. Die Wirkung von Pflanzenstärkungsmitteln lässt sich allerdings wissenschaftlich nur schwer nachweisen. Basler berichtet von Versuchen mit Getreide, in denen keine klaren Effekte sichtbar waren. «In anderen waren Unterschiede augenfällig und behandelte Flächen sahen deutlich besser aus.»
Entscheidend sei die Ausgangslage, schlussfolgert Basler. «Wer eine intensive Strategie bei Pflanzenschutz und Düngung fährt und zudem seine Kultur gut beobachtet, kann auch ohne Biostimulatoren einen guten Ertrag und ein ansprechendes Qualitätsniveau erreichen.» Da seien die merkbaren Effekte von solchen Produkten wahrscheinlich zu klein, um ins Gewicht zu fallen – v.a., wenn noch Jahreseffekte hinzukommen. Bei immer mehr wegfallenden PSM und den Einschränkungen bei der Düngung könnte die Wirkung in Zukunft augenfälliger und somit auch wirtschaftlich sein.
Sonja Basler räumt ein, dass sich bei Versuchen kaum alles Relevante untersuchen lasse. «Man müsste die Anwendung langfristig und umfassend anschauen.» So argumentiert auch Florian Marti. «Die Resultate von Studien spiegeln die Wirkung eines bestimmten Produkts in einem bestimmten Jahr, in dieser Kultur und wenn es zu diesem Zeitpunkt eingesetzt wird», erläutert er. Häufig stehe ausserdem der Ertrag im Fokus und andere Aspekte wie etwa die Lagerbarkeit von Kartoffeln oder die Blattmasse von Stauden würden weniger berücksichtigt. Basler gibt zu bedenken, dass eine auf den ersten Blick geringe Wirkung bereits nützlich sein kann. «Wenn z. B. dank eines Blattdüngers die Staude eine Woche länger grün bleibt, kann das mitunter matchentscheidend sein.» In einem gesunden und sehr wüchsigen Jahr wäre das aber kaum der Fall.
Weniger Geling-Garantie
Bei Biostimulatoren und Blattdüngern gebe es weniger eine Geling-Garantie als bei chemischen Wirkstoffen, fasst Sonja Basler zusammen. «Man muss aufpassen mit der Idee, solche Produkte könnten PSM oder Dünger 1:1 ersetzen.» Als Ergänzung sehe sie aber ein gewisses Potenzial. Dem stimmt Florian Marti zu: «Wenn die Kultur krank ist, ist sie krank und braucht z. B. eine Fungizidbehandlung.» Als Ergänzung sei in einem solchen Fall ein Stärkungsmittel «besser als nichts», aber nicht optimal platziert. Die Pflanzen müssten besser vor einer Erkrankung gestärkt werden.
Am besten ausprobieren
Die zahlreichen Faktoren, die das Ergebnis einer Spritzung mit Biostimulatoren beeinflussen, ihre teils nur schwer messbare Wirkung und die Tatsache, dass man sie präventiv einsetzen sollte, machen allgemeingültige Empfehlungen schwierig. «Aber es ist sinnvoll, sich über solche Dinge Gedanken zu machen», findet Sonja Basler. Es lädt dazu ein, die bisherige Anbaustrategie zu überdenken und könne das Management der Kultur verbessern. Hier sieht sie auch eine wichtige Rolle der Beratung. «Manchmal denke ich, 70 % der Wirkung eines Produkts stammt von einer guten Beratung und höchstens 30 % können den Inhaltsstoffen zugeschrieben werden.» Bei Problemen oder Fragen sei es lohnend, sich eine Auslegeordnung mit verschiedenen Alternativen machen zu lassen – von Firmenvertretern, aber insbesondere auch von unabhängigen Beratungsstellen.
Da die Wissenschaft bei Biostimulanzien an ihre Grenzen stösst, gibt es für Landwirte v.a. einen Ansatz, ihre Wirkung zu beurteilen: Ausprobieren. Sonja Basler ermuntert zu einfachen Versuchen auf dem eigenen Betrieb. Dabei lohne es sich, einen Teil der Fläche unbehandelt zu lassen und neue Methoden, wenn immer möglich, im gleichen Jahr mit der bisherigen Strategie zu vergleichen.