Importe von Lebensmitteln stossen in der Landwirtschaft in der Regel auf Kritik. Vorausgesetzt, es ist eine inländische Alternative verfügbar. Das ist bei Pflanzenschutzmitteln (PSM) der Fall – Florian Marti, Leiter Aussendienst bei der Stähler Suisse SA empfiehlt, sich an W-Nummern zu orientieren.
Buchstabe zeigt Herkunft
«Produkte, die von den Schweizer Behörden geprüft und deren vollständige Zulassungsdossiers inklusive Zusammensetzung von den Antragstellern eingereicht und bewilligt wurden, tragen eine amtliche Zulassungsnummer, die sogenannte W-Nummer», erklärt Florian Marti. Diese Nummer findet man entweder direkt auf der Verpackung des Produkts oder im Online-Verzeichnis des Bundes. Die Buchstaben A, B, D, F oder I auf der Zulassungsnummer zeigen die Herkunft aus Österreich, Belgien, Deutschland, Frankreich oder Italien.
Das Schweizer Zulassungssystem erlaubt nicht, dass PSM ungeprüft eingeführt und verkauft werden, für den Import braucht es eine Generaleinfuhrbewilligung. Die ausländischen Produkte erhalten die Zulassung für die Verwendung in der Schweiz, wenn sie «gleichartige wertbestimmende Eigenschaften» aufweisen wie ein hierzulande bereits bewilligtes Mittel. Wie das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) auf Anfrage erläutert, heisst das: Das fragliche PSM enthält denselben Wirkstoff, denselben Wirkstoffgehalt, denselben Formulierungstyp sowie eine vergleichbare Einstufung und Kennzeichnung. Es kommt sodann als sogenannter Parallelimport auf den Markt. Florian Marti spricht von einer «oberflächlichen Prüfung ohne vollständiges Zulassungsdossier und Zusammensetzungsnachweis», die seiner Meinung nach nicht ausreicht, um den spezifischen Anforderungen der Schweizer Landwirtschaft und Umwelt gerecht zu werden.
Kein Service gewährleistet
Der augenfälligste Unterschied zwischen PSM mit Schweizer Bewilligungsnummer und ausländischen ist deren Preis. Das macht Parallelimporte attraktiv – gerade in Zeiten des starken Frankens, wenn die Preisdifferenz besonders gross sein kann. Doch nur diese direkten Anschaffungskosten zu sehen, sei kurzsichtig, erklärt Florian Marti: «Parallelimporte bieten keine der Dienstleistungen, mit denen Schweizer Unternehmen einen umfassenden Service gewährleisten.» Dazu gehörten etwa die Lagerhaltung in der Schweiz, die z. B. bei Lieferengpässen von Bedeutung ist, aber auch die individuelle, feldspezifische Anwendungsberatung, eine meist dreisprachige Etikettierung, der regionale Aussendienst und Mischbarkeitstabellen für die sichere Anwendung. «Das Fehlen dieser Serviceleistungen kann zu Unsicherheiten bei der Anwendung führen», sagt der Aussendienstleiter, «und die Landwirte stehen bei Problemen oder Fragen ohne adäquate Unterstützung da».
Die Firma Stähler und auch andere Unternehmen aus der Schweizer Agrochemie-Branche betonen die Wichtigkeit von W-Nummern noch aus einem anderen Grund: «Parallelimporte tragen nicht zur Weitergabe von lokalem Wissen bei und unterstützen keine Arbeitsplätze in der Schweiz», sagt Florian Marti. Denn vom Kauf der importierten Mittel profitieren ausländische Firmen, welche weder lokales Know-how aufbauen noch Steuern in der Schweiz bezahlen. «Wenn Investitionen in Innovationen durch Parallelimporte unterlaufen werden, sinkt der Anreiz für Firmen, weiter neue Produkte zu entwickeln oder Innovationen in der Schweiz zu bewilligen.» Im Zusammenspiel mit Zulassungsgebühren – die, wenn es nach dem Bundesrat geht, erhöht werden sollen – trage das zur schrumpfenden Palette verfügbarer neuer Wirkstoffe bei.
Mehrwert anerkennen
Anwender sollten sich ihrer Verantwortung bewusst sein und bei der Auswahl von Pflanzenschutzmitteln sorgfältig vorgehen, rät Florian Marti. Er betont, dass der Mehrwert der Schweizer Zulassungen anerkannt werden sollte. Der Fokus auf Produkte mit einer W-Nummer helfe sicherzustellen, dass die Pflanzenschutzmittel den strengen Qualitäts- und Sicherheitsstandards entsprechen. «So trägt jeder einzelne dazu bei, die nachhaltige und verantwortungsbewusste Landwirtschaft in der Schweiz zu unterstützen.»
«Unerlaubte Beistoffe»
Ursprünglich wurden Parallelimporte laut dem Bundesrat erlaubt, um Preisdruck auf landwirtschaftliche Produktionsmittel auszuüben. Die Regeln zum Parallelimport von PSM würden es aber erlauben, auch Produkte mit hierzulande nicht zulässigen Beistoffen einzuführen. Diese Kritik übt Nationalrat Olivier Feller (FDP, VD). Das bedeute einen Wettbewerbsnachteil für Schweizer Unternehmen und ein potenzielles Umwelt- bzw. Gesundheitsrisiko. Feller richtet daher die Frage an den Bundesrat, wie er die Lage betreffend hierzulande eigentlich nicht zulässiger Beistoffe in parallelimportierten PSM beurteile und ob solche Einfuhren auf mit zugelassenen Mitteln identische Produkte beschränkt werden sollten. Die Antwort des Bundesrats steht noch aus.