Zwischen ausgelaugten Ackerflächen und regenerativen Weidesystemen liegt ein enormes Potenzial für eine zukunftsfähige Landwirtschaft. Die Kombination beider Ansätze gewinnt zunehmend an Bedeutung – nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich. Während Ackerflächen vor allem auf Ertrag optimiert werden, bieten Weideflächen wichtige Vorteile für Bodenstruktur und Fruchtbarkeit. Landwirt Marcel Ackermann beschäftigt sich intensiv mit der Verbindung beider Systeme. Im Interview erläutert er, welche Chancen die Integration der Weide in die Fruchtfolge bietet – und welche praktischen Herausforderungen dabei zu meistern sind.[IMG 2]

Sie sprechen sich für die Kombination von Ackerbau und Weidehaltung aus. Was sind die Hauptvorteile dieses Systems?

Marcel Ackermann: Die Regenration der Ackerflächen durch die Weide ist der Hauptgrund. Eine Ackerfläche wird oft stark beansprucht, vor allem bei Kulturen wie Mais, Zuckerrüben oder Kartoffeln. Eine Weide bietet alles, was ein Boden liebt: dauernd bedeckter Boden, grosse Diversität an Pflanzen, keine Bodenbearbeitung, ganzjährig grüne Pflanzen auf dem Boden und einen guten Düngerlieferanten mit dem Rauffutterverzehrer.

Welche konkreten Vorteile bietet die Integration der Weide in die Fruchtfolge?

Mit der Integration der Weide kann man in der Fruchtfolge immer wieder auf einen völlig erholten Boden zurückgreifen, der viel widerstandfähiger gegen Hitze oder Starkregenfälle ist. Erosion wie auch Bodenverdichtungen treten in einer humusreichen Weide auch später auf, da der Boden viel saugfähiger ist. Natürlich bekommt man mit einer Neuansaat der Kunstwiese auch die Möglichkeit, eine schlechte Weide wieder zu sanieren.

Welche Ertragsunterschiede gibt es zwischen neu angelegten Kunstwiesen und Naturwiesen?

Wird eine Kunstwiese erfolgreich neu angelegt, kann im zweiten und dritten Jahr mehr Trockenmasse (TS) geerntet werden als auf einer Naturwiese. Allerdings hat die Grasnarbe in der Anfangsphase eine schlechtere Trittfestigkeit. Frühzeitiges Beweiden ist daher nur unter optimalen Bedingungen möglich. Sind diese nicht gegeben, muss man zum optimalen Beweidezeitpunkt einige Abstriche machen oder die Kunstwiese konservieren. Bei silofreier Fütterung ist eine Konservierung im Herbst jedoch nicht immer machbar – deshalb muss diese Frage im Vorfeld gut durchdacht werden. Es ist sicher nur mit einem gewissen Teil an Neuansaaten möglich, optimal zu beweiden.

Besteht bei der Beweidung von Kunstwiesen ein erhöhtes Risiko für Blähungen bei Milchkühen?

Ja, das ist tatsächlich ein wichtiges Thema und ein Punkt, weshalb viele davor zurückschrecken, Weiden umzubrechen – trotz der Vorteile im Ackerbau. Kunstwiesen bestehen häufig aus speziellen Mischungen mit eiweissreichen Gräsern und Leguminosen, etwa Klee oder Luzerne. Diese erhöhen das Risiko für Blähungen bei Milchkühen deutlich. Deshalb ist ein sorgfältiges Weidemanagement entscheidend – sowohl hinsichtlich des Nutzungsstadiums der Weide als auch der zugeteilten Koppelgrössen. Auch eine genaue Beobachtung der Tiere ist unerlässlich, um rechtzeitig reagieren zu können.

Welche Rolle spielen finanzielle Anreize bei der Entscheidung für Ackerbauflächen?

Ackerflächen lösen Beiträge aus, die durch reine Weidehaltung nicht abgedeckt werden. Gerade seit der neuen Direktzahlungsverordnung wurden Ackerbaubetriebe klar bevorteilt. Dazu gehören – je nach Anbauart – Zahlungen für die schonende Bearbeitung des Bodens, angemessene Bedeckung des Bodens, effizienter Stickstoffeinsatz, Verzicht auf PSM oder Herbizide. Dazu kommen noch die Beiträge für offene Ackerflächen und Einzelkulturbeiträge, die es vorher schon gab. Diese Direktzahlungen können einen erheblichen wirtschaftlichen Anreiz darstellen.

Was sind die praktischen Herausforderungen, wenn Weideflächen regelmässig wechseln?

Wenn die Weideflächen häufig wechseln, lässt sich eine feste Infrastruktur – zum Beispiel Weidewege oder Tränkestellen – nur schwer umsetzen. Zudem sind nicht alle Flächen arrondiert, was bedeutet, dass zusätzliche Arbeitskraft benötigt wird, um die Tiere auf die Weiden zu treiben oder die Beweidung überhaupt erst zu ermöglichen. Deshalb ist es eine wichtige Voraussetzung, dass der Aufwand für die Beweidung in einem machbaren Rahmen bleiben. In der Praxis werden deshalb meist die arrondierten Flächen beweidet, während weiter entfernte oder ungünstig gelegene Flächen in die Fruchtfolge integriert werden.

Wie wirkt sich die Integration von Weide auf die Bodenstruktur und -fruchtbarkeit aus?

Klassische Ackerbausysteme wirken oft bodendegenerierend. Die intensive Bodenbearbeitung und die geringe Pflanzenvielfalt senken den Humusgehalt, erhöhen die Erosionsgefahr und begünstigen Verdichtungen. Diese Effekte lassen sich zwar mit Minimalbodenbearbeitung, Direktsaat, Zwischenfrüchten oder Untersaaten teilweise abmildern, doch der Humusabbau lässt sich kaum ganz vermeiden. Besonders in den Fahrspuren bei der Ernte treten zusätzlich Verdichtungen auf. Kleegrasgemenge werden hier als regelrechte «Wunderheilmittel» für den gestörten Boden eingesetzt – und das zu Recht. Die in der Schweiz üblichen Kunstwiesen mit einer Vielzahl an Pflanzenarten gehören dabei zu den wirkungsvollsten Massnahmen. Leider kann ich dies nur aus der Theorie erklären, da ich die Integration der Ackerflächen in die Fruchtfolge noch nicht vollzogen habe. Deshalb habe ich auch auf den Rat der IG Weidemilch zurückgegriffen.

Können durch Weidehaltung auch langfristige Bodenverbesserungen erzielt werden?

Ich kann wiederum nur aus der Theorie reden, aber es gibt eindrückliche Praxisbetriebe, die massive Verbesserungen über lange Zeit erreicht haben. Wichtig zu sagen ist sicher, dass eine Kurzrasenweide gehaltvolleres Futter für die Kühe, aber eine eher schlechtere Eigenschaft für die Bodenverbesserung hat. Optimal sind sie Portionenweiden für die Bodenverbesserungen.

Welche Rolle spielt das Weidesystem in einer zukünftigen Landwirtschaft?

Eine sehr grosse. Viele sprechen davon, dass Tiere – oder allgemein lebendige Pflanzen auf den Flächen – ein essenzieller Bestandteil zur Regeneration von Ackerflächen sind. Die Kunstwiese, insbesondere wenn sie beweidet wird, vereint alle diese Elemente in hohem Mass: organische Düngung, permanente Begrünung, Vielfalt im Pflanzenbestand und positive Wirkungen auf den Boden. In einem System, das künftig mit deutlich weniger synthetischen Düngern, Betriebsmitteln und Pflanzenschutzmitteln auskommen muss, sind das zentrale Pfeiler der Nachhaltigkeit.

Wie lässt sich ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Acker- und Weideflächen konkret in der Praxis planen und umsetzen?

Dies wird meistens von den Entsprechenden Stallungen gegeben sein, da es sich nicht lohnt, einen Stall leer stehen zu lassen, um Ackerbau zu betreiben. Vor einem Stallbau könnte man dies sicher genauer anschauen, um die Grösse des Stalls zu definieren. Es sollten genügend Tiere sein, um den Dünger für die Flächen bereitzustellen, ansonsten ist das System nicht selbsttragend und somit die Kreisläufe nicht optimal geschlossen.

Wie beeinflusst die Kombination von Ackerbau und Weidehaltung die Tiergesundheit und -leistung langfristig?

Die Zusammensetzung der neuen Kunstwiesen wird sicher entscheidend sein für eine gute Tiergesundheit. Bei der Beweidung meiner Kunstwiesen (440 und 330) habe ich aber bis jetzt keine kurzfristigen Auswirkungen bemerkt. Das Blähen ist aber doch immer in unserem Hinterkopf beim Beweiden von Kunstwiesen. Deshalb werden die Kühe auf Kunstwiesen vermehrt kontrolliert.