Wenn der Schnee geschmolzen ist, dominieren auf vielen Äckern derzeit die Brauntöne: Das Getreide ist erst klein; zwar wurden vielerorts Gründüngungen angelegt, winternackte Böden sieht man aber auch. Was passiert während der Wintermonate in physikalischer, chemischer und biologischer Hinsicht mit diesen Böden, die Wetter und Kälte quasi schutzlos ausgeliefert sind?

Einmal oder wiederkehrend?

Allgemein beantworten lasse sich diese Frage nicht, stellt Stéphane Burgos klar. Der Bodenkundler an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) gibt zu bedenken, dass das Verhalten des Bodens neben der Bedeckung vor allem von dessen Textur, Feuchtigkeit und Wasserhaushalt abhängt. Hinzu kommen Faktoren wie eine allfällige Hanglage. «Auch kommt es darauf an, ob die winterliche Brache einmal in der Fruchtfolge auftritt oder regelmässig durchgeführt wird.»

Ein nackter Boden ist anfällig für Erosion und Auswaschung, so viel lässt sich verallgemeinern und ist generell bekannt. Eine Winterfurche mit dem Pflug ist gegenüber einer feineren Bodenbearbeitung insofern im Vorteil, als die gröbere Oberfläche weniger zu Erosionsschäden neigt. Jede Bearbeitung fördere aber – vor allem, wenn sie noch bei milden Temperaturen geschehe – die Mineralisierung, fährt Stéphane Burgos fort. Das macht es wahrscheinlicher, dass Stickstoff in Form von Nitrat ausgewaschen wird und so verloren geht. «Gründüngungen werden ja auch als Nitratfänger empfohlen», ergänzt der Bodenkundler. Neben Nitrat sind Sulfate auswaschungsgefährdet. «Beides ist negativ geladen und haftet daher nicht an den Bodenteilchen», erklärt Burgos.

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Gewisse Schutzwirkung

Ernterückstände wie zum Beispiel Zuckerrübenreste auf der Bodenoberfläche haben eine gewisse Schutzwirkung gegen Erosion. Wenn sie nicht eingearbeitet werden, bleiben die darin enthaltenen Nährstoffe auch eher bis zum Frühling erhalten. Der Nachteil: Der Boden erwärmt sich langsamer und trocknet weniger gut ab. «Das erhöht das Risiko für Verdichtungen im Frühjahr, wenn der Boden bei suboptimalen Bedingungen befahren wird», so Stéphane Burgos. Gänzlich unbedeckter Boden trocknet in der obersten Schicht schneller ab. Eine lebende Gründüngung hilft, Wasser auch aus dem Untergrund aufzunehmen – kann auf der anderen Seite aber eine Erwärmung des Bodens verlangsamen.

Die Temperaturschwankungen im Boden unterscheiden sich auch im Winter, je nachdem, wie bearbeitet worden ist: Zwischen den groben Schollen nach einem Pflugdurchgang zirkuliere mehr Luft, was diese Bodenschicht stärker auskühlen lasse, beschreibt Stéphan Burgos. «In der gepflügten Schicht ist die biologische Aktivität tief(er), weiter unten kann es mit etwa 10 Grad aber relativ warm bleiben.» Sowohl Mikroorganismen als auch grössere Bodenlebewesen wie Regenwürmer würden kalte Tage aber überstehen, indem sie entweder in wärmere Schichten wandern, in ein Ruhestadium fallen oder sich in Kältestarre zusammenkringeln. Je nach Isolation – zum Beispiel durch Schnee oder eine Pflugsohle – bleiben sie auch im Winter aktiv.

«Viele Bauern pflügen in der Hoffnung, der Frost verbessere das Gefüge.»

Vor allem wenn der Boden im Frühling schwer trocknet, sollte Pflügen vor dem Winter eine Ausnahme sein, so Stéphane Burgos, HAFL.

Bodenleben verteilt sich selbst

Allein wegen eines unbedeckten Bodens ist im Frühling also nicht per se mit einem verarmten Bodenleben zu rechnen. Wie vielfältig und aktiv es ist, bestimmen zahlreiche andere Faktoren. «Organisches Material ist für die Entwicklung von Organismen generell effizienter als eine mineralische Düngung», sagt Stéphane Burgos. Damit liesse sich das nach dem Winter zurückgefahrene Bodenleben wieder fördern, je nach Kultur setzen Qualitätsansprüche dem Einsatz von Hofdüngern aber Grenzen (z. B. bei Kartoffeln). Einige Bodentiere wandern laut dem Bodenkundler bei steigenden Temperaturen von selbst wieder in höhere Bodenschichten. Auch die anderen Bodentiere und Mikroorganismen müssen nicht durch eine Bearbeitung nach oben geholt werden. Wenn die Voraussetzungen einer guten Bodenstruktur gegeben sind: «Dann verteilt sich das Bodenleben im Frühling wieder überall, wird aktiv und vermehrt sich bei guten Bedingungen.»

Der Einfluss von Niederschlag und Kälte soll Bodenteilchen zerfallen lassen, was im Sinne einer Frostgare bei schweren Böden durchaus erwünscht ist. «Manche Landwirte pflügen tonreiche Böden im Herbst, in der Hoffnung, der Frost verbessere das Gefüge», bestätigt der HAFL-Dozent. Hohe Tongehalte könnten das Abtrocknen so weit verlangsamen, dass vorwinterliches Pflügen als Prävention von Verdichtungen im nächsten Frühling tatsächlich Sinn ergeben könne. «Das sollte aber die Ausnahme sein, vor allem wenn man weiss, dass der Boden im Frühling regelmässig nicht trocknet», findet Burgos.

Vorsicht mit Kalken

Eine Nährstoffauswaschung wird durch bedeckten Boden limitiert. Die Menge über den Winter ausgewaschener Nährstoffe lässt sich im Feld kaum analysieren. Für Stickstoff gibt es die Nmin-Methode, um die erste Düngergabe an den noch im Boden vorhandenen mineralischen Stickstoff anzupassen. Ob im Frühling eine Kalkung sinnvoll wäre, muss gemäss Stéphane Burgos immer anhand von pH-Wert und Basensättigung bestimmt werden. «Kalken im Frühjahr kann auch negative Folgen haben, zum Beispiel die Immobilisierung von Bor und Mangan», warnt er. Die Bodenstruktur verbessere sich durch Kalk im Übrigen nur dann, wenn auch andere Massnahmen wie Erosionsschutz, ausreichender Humusgehalt oder die Vermeidung von Verdichtungen umgesetzt werden.

Stéphane Burgos empfiehlt, über die ganze Fruchtfolge zu denken, nackten Boden, wenn immer möglich, zu vermeiden und, wenn keine Bedeckung über den Winter möglich ist, den Boden z. B. durch den Aufbau organischer Substanz bestmöglich darauf vorzubereiten.

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