Die Zentralschweiz hat sich in den letzten Jahren von der kleinen Randregion für den Weinbau zu einer innovativen und wachsenden Weinbauregion entwickelt. Nächste Woche findet in Hohenrain eine internationale Tagung zu Zukunftsreben und Zukunftsweinen statt. Wir sprachen darüber mit OK-Präsident Beat Felder.

Wo steht die Rebbauregion Zentralschweiz heute?

Beat Felder: Die Region ist topfit. Heute wachsen in der Zentralschweiz auf 120 ha Reben, davon allein im Kanton Luzern 100 ha. Dies war eine vor rund zehn Jahren mit der Branche vereinbarte Zielgrösse. Gewachsen sind vor allem die bestehenden Betriebe. Auf den Betrieben hat ein starker Generationenwechsel stattgefunden. Wir haben weit mehr lernende Winzerinnen und Winzer als die übrigen Kantone der Deutschschweiz. Die Weine geniessen Akzeptanz und sind sehr hoch bewertet. Ich konnte dazu einiges beitragen, nun ist ein idealer Zeitpunkt, abzutreten.[IMG 2]

Die Zentralschweiz ist aber vergleichsweise immer noch eine kleine Rebbauregion, wieso diese grosse internationale Tagung?

Punkto Nachhaltigkeit und Anteil Piwi-Sorten im Anbau sind wir schweizweit führend. Als einzige Rebregion wachsen wir noch, jährlich um fünf Prozent. Die Nordwestschweiz (BL/BS/SO) haben wir überholt, St. Gallen und Bielersee sind die nächstgrösseren Rebregionen. Das generierte Wissen soll weitervermittelt werden. Wir haben der Weinwelt sehr wohl etwas zu sagen. Alle angefragten Fachleute aus der Schweiz, Deutschland und Österreich haben für diese Tagung zugesagt.

Wie ist das Echo bei den Teilnehmenden, kommen auch viele Winzer?

Es sind an beiden Tagen zusammen etwas über 200 Teilnehmende, mehrheitlich Winzerinnen und Winzer. Viele von ausserhalb der Zentralschweiz, die mehr von unseren Piwi-Erfahrungen wissen wollen. Wir sind positiv überrascht, und dieser Erfolg verpflichtet uns.

Wie sind die Erfahrungen mit Piwi und wieso haben diese pilzwiderstandsfähigen Sorten anderswo noch nicht diese Bedeutung?

Ganz einfach weil wir mehr Niederschläge, tiefere Temperaturen in der Nacht und viele neue Rebberge von jungen innovativen Winzerinnen und Winzern haben. Die Sorten sind eher frühreif und wie gemacht für den Alpenraum. Piwis werden nebst der Zentralschweiz vor allem in Holland, Dänemark, Schweden oder England gepflanzt, vielleicht auch in den höheren Lagen des Südtirols.

Ein Tagungsthema ist das geplante ‹geschützte Produktionsgebiet Wein Zentralschweiz›, was heisst das?

Wir wollen mit der Branche das Produktionsgebiet Wein Zentralschweiz zusammenschliessen und abgrenzen. Es ist das Terroir des ursprünglichen Reussgletschers. Das gäbe der Region weiteren Schub. Es könnten fünf kantonale Verordnungen abgeschafft werden. Die Branche wäre in der Verantwortung. Es wäre dann wie zum Beispiel AOP Sbrinz. Nur geht das nicht so einfach. Der Bund sperrt leider noch, da gemäss Weinverordnung die Kantone dafür zuständig sind. Das muss geändert werden.

«Wir stehen erst bei 1,5 Flaschen pro Einwohner.»

Beat Felder sieht noch Potenzial beim Konsum in der Region Zentralschweiz.

Stichwort Luzerner Offensive Spezialkulturen: Kann der Einstieg in den Weinbau eine Alternative zur Tierhaltung sein?

Für den Weinbau braucht es Herzblut und Engagement. Wein ist keine Alternative, sondern Leidenschaft. Die Vorgaben der Offensive Spezialkulturen sind mehr als erfüllt. Wein ist der einkommensrelevanteste und am stärksten wachsende Sektor der Spezialkulturen geworden. Die grossen Betriebe machen nur noch Wein und haben die übrige Produktion aufgegeben. Wichtig ist, dass die Strukturen stimmen, die Betriebe mit dem Wein am Markt sind und nicht einfach Trauben produzieren. Der Lohn kommt erst, wenn die Weine verkauft sind.

Chemischer Pflanzenschutz ist unter Druck, im Rebbau ist der Einsatz recht intensiv. Wie trägt die Branche zur Reduktion solcher Mittel bei?

Mit dem Anbau der Piwis ist der Weinbau in einer formidablen Situation. Es ist weit nachhaltiger, Piwis anzubauen als mit anfälligen Sorten auf Bio umzustellen, Kupfer einzusetzen und die Anzahl Behandlungen zu verdoppeln. Und mit den neuen Produktionssystembeiträgen für Dauerkulturen generieren die Piwis deutlich höhere Direktzahlungen.

Wurde aber nicht die Wirkung von Piwi-Sorten etwas überschätzt, zumal solche in nassen Jahren auch recht anfällig sind?

Das hängt von der Sorte ab, nicht alle sind gleich robust. Eine deutliche Reduktion ist möglich, ein angemessener Pflanzenschutz trotzdem nötig. Wichtig ist, nicht nur auf Robustheit, sondern auch auf Klimaresilienz zu setzen. Mit Souvignier gris, Divico, Muscaris oder Donauriesling haben wir hier gute Lösungen.

«Der Bund sperrt leider noch.»

Es gebe noch Hürden für das geplante Produktionsgebiet Wein Zentralschweiz.

Wo steht der Rebbau bezüglich Umweltwirkung? Stichworte an der Tagung sind ja auch CO2, Bodenverdichtung, Rückstände, Biodiversität…

Ein Grossteil der Reben steht im Programm BFF QII, Reben mit natürlicher Artenvielfalt. Gesunde Böden nehmen mehr CO2auf, robuste Sorten brauchen weniger Diesel und Hilfsstoffe, der eingeschlagene Weg stimmt. Wer robuste Piwis anbaut, kann auf Bio umstellen.

Wie schätzen Sie das Potenzial des Weinbaus in der Region ein? Kann weiter ausgebaut werden, in Anbetracht des auch in der Schweiz sinkenden Weinkonsums?

Der Anteil Piwi wird weiter steigen, die Fläche wohl auch. Wichtig ist, dass die bisherigen Betriebe ihre Strukturen anpassen und ihr Potenzial am Markt ausschöpfen können. Wir warten noch auf bessere rote Piwi-Sorten. Auch wenn der Weinkonsum sinkt, steigt der lokale Wein anteilsmässig. Beim Weisswein wirkt sich das stark aus, beim roten könnte das mit einer Sortimentserweiterung auch passieren. Lokale Produkte bleiben im Trend. Im Tourismus, in der Gastronomie und vor allem auch im Önotourismus ist das Potenzial an lokalen Weinen noch nicht ausgeschöpft. Auch sind bei uns noch viele «Schweizer Landweine» auf dem Markt, die durch AOC-Weine ersetzt werden können. Wir stehen erst bei 1,5 Flaschen pro Einwohner regionalem Wein bei einem Konsum von deutlich über 30 Flaschen pro Jahr und Einwohner.

Sind alkoholfreie Weine im Trend und eine neue Chance?

Bei uns eher kaum, die Produktion ist aufwändig, die Kosten hoch. Es wird eher so sein, dass der Alkoholgehalt reduziert wird. Mehr Chancen sehe ich in der Produktion von weinähnlichen Getränken, zum Beispiel Traubensaft mit schwarzen tanninhaltigen Beeren.

Welche Trends gibt es sonst noch bei den Sorten und Produktionsverfahren?

Die Weine werden eher wieder trockener. Gute Säuren und eine hohe Intensität sind wichtig, spannend am Gaumen und nicht langweilig. Ein Trend werden neue Gebinde wie Amphoren sein, ebenso Maischevergärungen beim Weisswein.

Tagung über Zukunftsreben
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Die Tagung findet am 6. und 7. März am BBZN in Hohenrain statt, angemeldet sind 200 Interessierte. Fachleute aus dem In- und Ausland referieren zu einer Vielfalt von Themen. So über die Erfahrungen und Anpassungen an den Klimawandel mit Piwi-Sorten, neue Zukunfts-reben und Zukunftsweine, das geplante geschützte Produktionsgebiet Zentralschweiz, das Potenzial für Önotourismus in der Region, und auch ein Referat zu Vitiforst als Rebberg der Zukunft. Und es stehen rund 50 Piwi-Weine zur Degustation bereit.