«Die grösste betriebswirtschaftliche Herausforderung ist es, die Erntekosten im Griff zu haben», erklärte Urs Reut an der Tagung der Arbeitsgemeinschaft Zentralschweizer Obstproduzenten (AZO). Der Thurgauer Obstproduzent ging in seinen Ausführungen auf die bedeutendsten Kostenverursacher im Schweizer Obstbau ein.

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Bei Ernte ist der Chef selber vor Ort

Bei der Ernte könne schnell viel Geld verloren gehen. Aus diesem Grund sei er als Betriebsleiter bei der Ernte immer mit dabei. Bei weniger bedeutenden Arbeiten wie Ausdünnen sei es hingegen nicht nötig, dass er als teuerste Arbeitskraft des Betriebes auch vor Ort sei. Im Vergleich zu den Arbeitskosten seien die weiteren Kostenstellen wie Maschinen, Dünger oder Pflanzenschutz fast vernachlässigbar. Dennoch gäbe es aber auch in diesen Bereichen noch Verbesserungspotenzial.

Bei der Mechanisierung müsse das Optimum zwischen einer effizienten und einer luxuriösen Lösung gefunden werden. Auf seinem Betrieb seien der Traktor und die Hebebühne trotz einer schönen Auslastung die teuersten Geräte. Spezielle Gerätschaften wie Hackgeräte könnten gut überbetrieblich eingesetzt werden. Auch die Erstellungskosten der Anlage dürfe laut Urs Reut nicht unterschätzt werden. Die Abschreibung der Anlage koste ihn zwischen 10 und 15 Franken pro 100 kg Äpfel. «Wenn die Sorte noch der Marktnachfrage entspricht, kann die Produktion in abgeschrieben Anlagen interessant sein.»

Den Früchteanbau vermehrt automatisieren

Auf das Erstellen von Neuanlagen ging auch Robert Wiedmer in seinen Ausführungen ein. «Wer heute eine neue Anlage plant, muss im Hinterkopf haben, dass die Welt in 20 Jahren anders aussehen wird», so der Südtiroler Berater. Der Obstbau werde zukünftig noch vermehrt automatisiert und mechanisiert werden, da Arbeit teuer sei und geeignete Arbeitskräfte fehlten. Er verwies dabei auch auf heute noch futuristische anmutende Techniken wie Datenbrillen hin, welche beim Baumschnitt oder der Ernte weniger fachkundige Arbeitskräfte unterstützen, oder Systeme, welche eine stationäre Applikation von Pflanzenschutzmitteln ermöglichten. Dabei warnte er aber auch, dass nicht alle neuen Techniken einen Mehrwert bringen würden.

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Extreme Wetterereignisse werde noch zunehmen

Bei Neuanlagen müsse auf eine schmale Fruchtwand geachtet werden. Das verbessere nicht nur die Fruchtqualität, sondern vereinfache die Bewirtschaftung stark. Als Beispiele nannte der Obstexperte das Bibaum- oder das Mehrachsensystem. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass zukünftig extreme Wetterereignisse wie Frost, Hagel oder Sturm noch zunehmen würden. Neuanlagen müssten entsprechen ausgerüstet und stabil erstellt werden, so dass sie diese Ereignisse überstehen.

Trotz dem Druck aus der Politik werde ein vernünftiger Pflanzenschutz in Zukunft nötig sein. Fast noch als grössere Herausforderung als die Pflanzenschutzproblematik sieht er in seinem Gebiet die Wasserversorgung. «Wir müssen das wenige Wasser, das uns noch bleibt, effizienter einsetzen.» Bis 2030 sollten 90 Prozent aller Systeme auf Tropfbewässerung umgestellt sein.

Innere Qualität der Früchte wird messbar werden

«Den perfekten Apfel haben wir noch nicht gefunden. Die wichtigsten Eigenschaften sind aber auch in Zukunft Geschmack, Festigkeit, Saftigkeit und Lagerfähigkeit», erklärte der Südtiroler weiter. Die innere Qualität werde in Zukunft auf der Sortieranlage gemessen werden können. Dadurch werde der Geschmack in Zukunft, ähnlich wie die Deckfarbe, zu einem messbaren Qualitätskriterium.

Wertvoller Austausch unter den Obstbauern

Die hochstehenden und vielfältigen Referate machten die AZO-Tagung spannend. Aber auch der Austausch unter der Obstproduzenten wurde nach zwei Jahren Pause wieder sehr geschätzt. Daneben konnten die Fachstellenleiter auf einige Neuerungen der kommenden Obstbausaison hinweisen.

Wirtschaftlicher Schweizer Obstbau im globalisierten Markt
Mathias Binswanger von der Fachhochschule Nordwestschweiz ging in seinen Ausführungen auf den Schweizer Obstbau im globalisierten Markt ein. Früchte und Gemüse seien zwar die Hauptimportprodukte in der Schweiz, bei den Äpfeln sei die Schweiz mit 97 Prozent aber fast Selbstversorger. Ohne den wichtigen Grenzschutz mit Kontingenten und Zöllen würde der Obstbau in der Schweiz aber kaum existieren. Grenzschutz und Direktzahlungen seien politisch gewollt. 

Lebensmittelknappheit infolge Weltkrieg
Der wichtigste Grund dafür sei die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit des Landes. „Vor dem ersten Weltkrieg gab die Schweiz beim Getreide die Selbstversorgung fast vollständig auf und importierte dies schon damals aus den Gebieten der heutigen Ukraine und Russland“, so Mathias Binswanger. Der Import sei dann während des ersten Weltkriegs grössenteils eingebrochen, was zu eine Lebensmittelknappheit führte. „Aus diesen Erfahrungen ist das heutige Versorgungssicherheitssystem entstanden“. 

Hohe Handelsmarchen in der Schweiz
Die Schwierigkeit der Obstbauern sei, dass sie mehrheitlich austauschbare Standart Produkte produzierten und so der Marktmacht der beiden grossen Marktplayern ausgeliefert seien. Die Produktivitätssteigerung, welche die Landwirtschaft in der Vergangenheit erreichte, habe kaum zu einer Einkommensverbesserung geführt, da im gleichen Zeitraum die Marktpreise sanken. „Unschön ist, dass die Produzentenpreise zwar gesunken sind, die Konsumentenpreise aber anstiegen“. Das führe zu immer höheren Handelsmarchen. Vom Anteil des Konsumentenfrankens würden heute nur noch 30 Rappen an den Bauern gehen. 1970 habe dieser Wert noch bei 50 Prozent gelegen. [IMG 4]