Dossier Biodiversität 3,5% Acker-BFF Tuesday, 7. February 2023 «Verkauft werden am Ende Kartoffeln, aber für unsere Ernährung braucht es beides», hielt Stephan Scheuner fest. Ackerbau und Biodiversität seien kein Zielkonflikt, sondern miteinander verbunden. Der Vorsitzende der Plattform Ackerbau (Pag-ch) eröffnete damit die 11. Nationale Ackerbautagung, welche die funktionelle Biodiversität zum Thema hatte. Ohne die biologische Vielfalt geht es nicht, war man sich einig. Aber wie lässt sich der Nutzen maximieren und welche Bemühungen führen tatsächlich zum Ziel?

Ein politisches Sumpfgebiet

Politisch sind in dieser Sache die Fronten verhärtet. Adrian Krebs vom Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL) verglich die Diskussion um die Biodiversität in seinem Eröffnungsreferat mit einem Sumpfgebiet: «Die Unfallgefahr darin ist hoch, trotzdem ist es eminent wichtig.» Gerade bei der Einführung und Verschiebung in letzter Minute der Pflicht zu 3,5 Prozent Biodiversitätsförderflächen im Ackerbau (Acker-BFF) habe es deutlich an Feingefühl gefehlt. Für den Agrarjournalisten und -kommunikator ist aber klar, dass die Landwirtschaft bei der Förderung der Biodiversität bereits Beträchtliches geleistet hat. Trotzdem sei man bisher nicht am Ziel. «Es braucht einen gesamtgesellschaftlichen Effort», so Krebs.

Nützlinge zeigen ihre Wirkung 

BFF werden finanziell gefördert, sie – bzw. die biologische Vielfalt – sind aber auch die Grundlage für verschiedene Funktionen eines Ökosystems. Diese reichen von der Bodenbildung über die Bestäubung und Schädlingsregulation bis zum kulturellen Wert schöner Landschaften, führte Katja Jacot aus. Die Agroscope-Forscherin erklärte, dass speziell Nützlinge – im Gegensatz zu vielen Schädlingsarten – besonders auf komplexere Lebensräume mit Überwinterungsmöglichkeiten angewiesen sind. Ihnen reicht die Kultur alleine nicht, um zu überleben. Die Anwesenheit von Nützlingen dank BFF könne auf der anderen verschiedenen Studien zufolge handfeste Vorteile im Ackerbaugebiet haben: Die Nachbarschaft zu einer Buntbrache reduzierte demnach die Anzahl Getreidehähnchen-Larven (-60 %) und das Ausmass von Blattschäden (-40 %) im Winterweizen, während in den Randzonen sogar eine Ertragssteigerung (+10 %) festgestellt wurde. Ähnliche Effekte auf Schäden durch Getreidehähnchen zeigten sich bei einjährigen Nützlingsstreifen (-61 %), die ausserdem eine Reduktion der Blattläuse auf Kartoffelpflanzen(-77 %) brachten.  

«Buntbrachen sind wegen ihres hohe Blütenangebots in den ersten ein bis drei Jahren besonders wertvoll für viele Pflanzen- und Tierarten», sagte Katja Jacot. Mit positiven Effekten auf Ackerkulturen sei lediglich in der Nähe dieser BFF zu rechnen. Aber auch ältere Elemente haben ihren Wert: «Sie sind strukturreicher und tragen zur Förderung von Feldvögeln bei», so Jacot.

Nicht mehr Mäuse als unter Gras

Die Agroscope-Forscherin verschwieg indes auch nicht die Herausforderungen im Umgang mit Acker-BFF. So kann das Aufkommen von Unkraut deren Qualität schmälern. Gegensteuer gibt man mit der sorgfältigen Wahl des Standorts, des Typs Acker-BFF, der richtigen Mischung sowie einem guten Saatbett. Die Mäuseaktivität sei in Säumen und Buntbrachen nicht höher als in Grasstreifen am Feldrand, trotzdem rät Jacot mit BFF neben Obstanlagen oder wo bereits hoher Mäusedruck herrscht zur Vorsicht. «Die Dichte von Schnecken ist in Säumen höher als in Grasstreifen», fuhr sie fort. Das bedeutet verstärkten Schneckendruck im Ackerrand.

Um den Nutzen von Acker-BFF zu maximieren, muss die Qualität stimmen. Laut Katja Jacot ist derzeit eine Entscheidungshilfe in Arbeit, die bei der Wahl des richtigen Typs helfen soll. Viele Fragen zur Wirkung seien aber noch offen, etwa zur Bedeutung der grossflächigen und mehrjährigen Acker-BFF (z. B. Rotationsbrachen) für den Boden in der Fruchtfolge.

Weitere Informationen zur Tagung und den Versuchen im Ackerbau der Pag-ch finden Sie hier. 

Mindererträge bei GWR bleiben im Rahmen

In den Jahren 2022 und 2023 hat das Forum Ackerbau in mehreren Kantonen Versuche zu Getreide in weiter Reihe (GWR) durchgeführt. Mit der Prämie von Fr. 300.-/ha wäre je nach Verfahren ein Minderertrag von 8 Prozent (Herbizid) bzw. 15 Prozent (Striegel) im Vergleich zur Referenz mit Herbizideinsatz und 70 dt/ha Ertrag tolerierbar, erklärte Martin Bertschi an der Ackerbautagung. Kommt noch der Vernetzungsbeitrag von Fr. 300.- hinzu, steigt die Schwelle auf 8 Prozent resp. 15 Prozent. Die Versuche zeigten einen maximalen Ertragsverlust von 12,4 Prozent, wenn in weiten Reihen mit dem Striegel gearbeitet wurde. «Beim Hektolitergewicht gab es zwischen Normalsaat und GWR keine Unterschiede, bei Letzterem war aber der Proteingehalt signifikant höher», so Bertschi. Die Pflanzen hätten das Mehr an Platz genutzt, so seine Schlussfolgerung. Das hänge aber auch vom Standort ab und es könnte sich um einen Verdünnungseffekt handeln, wodurch pro ha dieselbe Proteinmenge geerntet würde.
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Saatstärke bei GWR reduzieren
In den Versuchen war die Saatstärke bei GWR reduziert worden. «Wir empfehlen das, weil dieselbe Saatstärke bei GWR keine agronomischen Vorteile hat. Und mit der Reduktion spart man zudem Saatgutkosten», sagte Martin Bertschi. Saatzeitpunkt respektive Bestockung seien die wichtigeren Faktoren. Fragen in Zusammenhang mit GWR stellen sich bezüglich Getreideart und Sortenwahl, dem Einsatz von Untersaaten und der technischen Umsetzung an der Sämaschine. Zur Wirkung auf die Biodiversität gibt es zwar erste Resultate, dass damit die Förderung von Feldhasen, Feldlerchen und Laufkäfern gelingen kann. Für den Bodenschutz dürften die 40 Prozent brach liegende Fläche zwischen den weiten Getreidereihen aber kaum gut sein, so ein Votum aus dem Publikum.

Die Forschung geht weiter

An der Nationalen Ackerbautagung wurden vorläufige Resultate verschiedener laufender Forschungsarbeiten vorgestellt:

Raps: Im Projekt Auxigen wurde festgestellt, dass die in Gelbfallen gefundenen, kleinen Schlupfwespenarten Nützlinge sind. Sie parasitieren verschiedene Raps-Schädlinge. In Zusammenarbeit mit Landwirten untersucht man nun, wie sie zu fördern wären.
Pflanzenzüchtung: Die Eigenschaft einer Pflanze, ein für ihre Gesundheit und Robustheit förderliches Bodenleben an ihren Wurzeln (Mikrobiom) zu versammeln, ist vererbbar. Das haben die Forschungen von Valentin Gfeller, FiBL, gezeigt. Zwar spielen Faktoren wie das Wetter oder der Standort ebenfalls eine grosse Rolle. Gfeller hofft aber, dass in einem nächsten Schritt gezielt auf ein diverses Mikrobiom hin gezüchtet werden kann.
Sortenmischungen: Laura Stefan von Agroscope beschäftigt sich mit Weizen-Sortenmischungen bzw. mit deren optimalen Zusammensetzung. Bisher habe sich gezeigt, dass Mischungen stabiler sind, wenn ihre Komponenten auf dieselbe Umwelt unterschiedlich reagieren. Es gilt also, Sorten mit unterschiedlichen Anfälligkeiten zu kombinieren.
Mischanbau: Im Rahmen des internationalem Projekt Cropdiva hat Agroscope unter anderem den Anbau von Lupinen/Hafer-, Linsen/Hafer- und Linsen/Nacktgerste-Gemengen untersucht. Linsen/Hafer bewährte sich in Sachen Ertrag und Qualität, Lupine im Hafer wies aber erhöhte Alkaloidwerte auf. Generell ist der Erfolg der Mischungen auch von den kombinierten Sorten abhängig.