Wer meint, Chicorée sei ein Wintergemüse, gehört zur Generation Lebensmitte. Heute ist frischer Schweizer Chicorée das ganze Jahr über erhältlich. «Und so bitter wie früher sind die neuen Chicoréesorten nicht mehr», sagt Urban Kobelt.

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Über 100 Hektaren Chicorée

Die Geschichte des Chicorées ist eng mit Belgien verknüpft. (Bild Pixabay) Saison Gesunde Bitterkeit: der Chicorée Sunday, 13. December 2020 Urban Kobelt ist einer der grössten Schweizer Chicoréeproduzenten. «Ich baue Chicorée jährlich auf 10 bis 15 ha in einer ÖLN-Gemeinschaft mit meinem Bruder Richard an», sagt er. Chicoréewurzeln liefern ihm zudem Stammproduzenten aus dem St. Galler Rheintal und aus den Kantonen Zürich, Aargau, Bern, Solothurn sowie Luzern, was dann zusammen gezählt eine Anbaufläche von rund 100 ha ausmacht – quasi ein Drittel der gesamten Freilandfläche der Schweiz.

Anbau in Dammkulturen

Urban Kobelt ist am Säen. Rund 300 000 Saatkörner braucht es pro ha. Angebaut wird in Dammkulturen. «So wachsen die Wurzeln schön zylinderförmig. Zudem ist der Wasserhaushalt im Damm besser», erklärt er. Die ersten 14 Tage nach der Saat seien matchentscheidend, dann müsse man den Unkrautdruck im Griff haben und eventuell beregnen.

Viel Arbeit mache Chicorée aber im Sommer nicht mehr. Auch ein Hagelgewitter könne der Chicorée überstehen. Allenfalls gilt es, Pflanzenschutzmassnahmen zu ergreifen. Gefährlich kann Sclerotinia sein, wo der Pilz in die Wurzeln eindringt und bei der Ernte ins Lager verschleppt wird. Auch die Miniermotte ist so ein Fall. Sie überlebt im Blattansatz und kann auch in den Treibraum verschleppt werden.

Das ganze Jahr ausgelastet

Im Herbst beginnt die Ernte mit einer Spezialerntemaschine, die die Wurzeln am Schopf packt. Die Blätter werden abgeschlägelt und auf dem Betrieb in Holzpaloxen abgefüllt, die bis minus 2 Grad aufbewahrt werden. Gestaffelt beginnt Kobelt je nach Liefermenge, die Kisten vom Kühlraum – die Wurzeln schön aufrecht aufgereiht in Kunststoffkisten – in den Treibraum zu bringen und in bis zu 7,50 m hohen Regalen aufzustapeln. Dort beginnt der Zapfen mit den weissen Blättern in vollkommener Dunkelheit auszutreiben. Für den Verkauf wird der Zapfen von der Wurzel getrennt, geputzt und von Hand schön zurecht gezupft - meistens in Einheiten von 500 g.

Urban Kobelt beliefert die Grossverteiler Migros und Coop sowie Aldi und Lidl. Sehr zufrieden ist er, wie es mit Aldi läuft. «Aldi bietet das ganze Jahr über ausschliesslich Schweizer Chicorée an und ich habe übers Jahr einen fixen Durchschnittspreis», sagt er. So ist sein Betrieb kontinuierlich ausgelastet. Ansonsten sind die Preise von November bis April höher, während sie in den Sommermonaten von Mai bis Oktober tiefer ausfallen.

1 kg Chicorée pro Jahr

Ein Grund für das saisonale Preisgefälle sind die Importregelungen. Von November bis April gilt die bewirtschaftete Phase, wo Händler ein Kontingentgesuch für Import, beispielsweise Biochicorée, stellen können. Ab Mai bis Oktober ist der Import frei. Importiert wurden laut der Zentralstelle für Gemüsebau 2022 rund 2500 t Chicorée. Dem gegenüber steht die Schweizer Produktion mit rund 6800 t gut da. Es ist aber ganz klar eine Nische, denn Herr und Frau Schweizer essen im Durchschnitt nur 1 kg Chicorée pro Jahr.

Ein Nebenprodukt von Chicorée sind die Wurzeln. Die werden nicht etwa kompostiert, sondern Urban Kobelts Bruder und weitere Landwirte übernehmen sie und verfüttern sie den Kühen – wobei sich die Tiere erst mal an den Geschmack gewöhnen müssten, so Kobelt. Die Rüstblätter kommen in eine Biogasanlage.

Die Infrastruktur bei Kobelts Hof in Marbach umfasst eine Halle, wo Kühl-, Treib- und Verarbeitungsräume sowie unzählige Rohre und Schläuche für die internen Wasserkreisläufe untergebracht sind. «Wir haben die Halle 2004 gebaut, in weiser Voraussicht grosszügig», erzählt Kobelt. Seit 2012 produziert er mit seinen Solarmodulen Strom auf dem Hallendach. Den Strom kann er gut brauchen, denn der Energieverbrauch für die Chicoréeproduktion ist hoch.

Spezialisierung statt Vielfalt

Chicoréebauer zu werden war bei Urban Kobelt nicht vorherbestimmt. Sein Bruder übernahm den elterlichen Hof. Urban Kobelt lernte Bäcker-Konditor und begann die Lehre als Gemüsegärtner, die er mit der Meisterprüfung abschloss. Er hatte Glück und konnte in Marbach den Betrieb eines Gemüsebauers übernehmen, der auswanderte und im kleinen Rahmen Chicorée angebaut hatte. So kam er auf den Chicorée und ist mit Herzblut dabei. Er sagt: «Mein Vorbild waren Betriebe, die sich auf wenige Betriebszweige spezialisieren, es gut machen und damit Geld verdienen.» Allerdings ist seine Betriebsentwicklung etwas in Stocken geraten. Gut laufen Chicorée und der Betriebszweig Legehennen mit CNF-Eiern. Dazu hätte noch der Gewächsanbau kommen sollen.

«Chicorée ist speziell. Man muss den Anbau und auch den Genuss lieben.»

Urban Kobelt, Landwirt aus Marbach

10 Rappen pro Wurzel

Gegenüber der Produktionshalle standen bis vor drei Jahren Gewächshäuser. Sie krachten aufgrund der Schneelast zusammen. «Ich plante neue Gewächshäuser, aber konnte mich mit den Behörden nicht einigen», sagt Kobelt. «Es ist ja kein Schleck zu produzieren. Dem freien Markt ausgesetzt, hat man andere Sorgen, als jahrelang Rechtsstreitereien mit den Behörden wegen eines Baugesuchs auszutragen.»

Er will seine Produktion ausdehnen und sucht noch Anbauflächen. «Chicorée ist speziell, man muss sowohl den Anbau als auch den Genuss lieben», sagt Kobelt. Eine Hektare ergibt zwischen 130 000 und 200 000 Wurzeln. Seine Vertragsproduzenten erhalten einen Bruttopreis von 10 Rappen pro Wurzel. Je mehr Arbeiten der Landwirt übernimmt, desto weniger Abzüge gibt es. «Den Samen stelle ich. Säen und Ernten übernehmen auch wir», sagt er. Dem Auflaufen der Sämlinge muss man besondere Aufmerksamkeit schenken, aber im Sommer hat man wenig mit dem Anbau zu tun. Als Vorkultur eignen sich Getreide oder Mais. «Raps als Vorkultur ist ungünstig», sagt Kobelt, und es gelte, eine vierjährige Anbaupause einzuhalten.