In meiner Kindheit, war es unser Büezli, die schlachtreifen Kaninchen zum Metzger zu bringen. Der hatte sein Wohnhaus, seine Metzg und den Laden alles unter einem Dach gleich eingangs Dorf. Das war praktisch für die Bauern, die mit dem Traktor ihr Vieh abladen mussten und die Bevölkerung hatte nicht weit, um Fleisch zu kaufen. Auch unser Weg war nur ein paar hundert Meter, die wir mit dem Veloanhänger oder dem Trettraktor zurücklegten. Von der Frau des Metzgers gab es immer ein Schibli Wurst.
Die Tochter des Metzgers ging mit mir in die Schule. Wenn man sie besuchte, war manchmal neben der Haustüre eine Kuh angebunden oder sie hing schon am Haken. Während ihr Vater sie zerlegte, plauderte er mit den Kunden oder scherzte mit uns Kindern. Manchmal nahmen ein paar Schafe auf dem Rasen ihre Henkersmahlzeit zu sich, direkt neben dem Kindergarten. Oft gingen wir auf dem Schulweg dort die Tiere streicheln. Der Gedanke, dass wir sie eine Woche später auf dem Teller haben würden, störte uns wenig.
Das Kälbchen im Einmachglas
Immer am Montag durften wir etwas in die Schule bringen, das wir unseren Kameraden gerne zeigen wollten. Einmal brachte die Metzgerstochter ein grosses Einmachglas mit, darin schwamm im Schnaps eingelegt ein Kälberfötus. Man habe versehentlich eine trächtige Kuh geschlachtet und sie dürfe das Kälbchen behalten, erzählte sie stolz und war ab da unsere Heldin. Man stelle sich heutzutage die Blick-Schlagzeile nach so einem Ereignis vor. Kinder, Lehrer und Eltern wären so verstört, dass man ein Care-Team aufbieten müsste. Und scheinbar war es in der Zeit von kleinen Bauernhöfen und kleinen Metzgereien noch eine Seltenheit, dass ein trächtiges Tier geschlachtet wurde.
Neulich zeigte das Schweizer Fernsehen, wie ein Ochse zum Schlachten verladen wurde. Notabene nachdem er zwei Jahre zufrieden auf der Alp gelebt hat. Im Anschluss wurde das Fernsehen gerügt, man wünsche dergleichen nicht zu sehen, geschweige denn die Kinder, die um diese Zeit vor dem Fernsehen sitzen. Dabei sah man lediglich einem Ochsen, der brav in den Anhänger trottete. Mit dem Anblick des Schlachthofs oder gar eines toten Tieres mochte der Regisseur die Idylle nicht trüben.
Die Metzgereien verschwinden, die Wege werden länger
Auch meine Tiere muss ich heute zum Schlachten verladen. Der Metzger im Dorf musste zumachen, weil er ein paar neue Hygieneanforderungen nicht erfüllen konnte. Derjenige ein Dorf weiter, wo es noch etwas ländlicher war, machte es ein paar Jährchen länger, dann störte sich die Nachbarschaft an den tierischen Gerüchen und Geräuschen. So machte eine Dorfmetzgerei um die andere zu oder wurde aufgrund neuer Vorschriften zugemacht.
Mittlerweile fahre ich mit meinen Tieren eine Stunde lang tief ins Emmental. Dorthin wo man den Anblick und Geruch von toten Tieren noch erträgt. Aber auch diese Metzgerei ist bedroht, da sie in der falschen Zone steht. Soll sie weiterhin bestehen, solle man doch bitteschön einen Neubau in der nächstbesten Industriezone ins Auge fassen, meint die Raumplanung. Was die dortigen Anwohner zu Traktorlärm, Gestank und sterbenden Tiere sagen werden, hätte man oft genug in der Vergangenheit lernen können.
Die Macht der Grossmetzgereien wuchs
Beim Metzgen gilt seit Jahren: Aus den Augen aus dem Sinn. Immer weiter weg, anonymer, rationeller, billiger. So verladen heute die Landwirte ihre Schlachttiere in Lastwagen, womit sie in eine der wenigen Grossmetzgereien gefahren werden. Weder weiss der Landwirt, was mit seinem Tier nach dem Verlad passiert, noch sieht der Konsument, woher sein Fleisch kommt. Diese Grossmetzgereien haben eine solche Macht, dass sie auch die Preise nach ihrem Gusto gestalten. Vor wenigen Wochen senkte Micarna ohne viel Gegenwehr die Schweinepreise. Kurz darauf gelang Bell bei den Kühen der gleiche Coup.
Wer wissen will, wie sein Tier geschlachtet wird, hat immer weniger Alternativen. Geblieben sind den wenigen Landmetzgereien nur Nischen. Manchmal im Dorfladen und meistens beim Direktvermarkter, gibt es noch Fleisch von ungestressten Tieren, die regional geschlachtet wurden. Der Grossteil der Konsumenten isst Fleisch von Tieren, die hunderte von Kilometern in den Schlachthof gefahren wurden und das Fleisch dann wieder retour. Oder das Fleisch wurde gar über tausende Kilometer importiert. Dabei ginge der Trend doch in eine andere Richtung, hin zum bewussten Fleischkonsum. Nur sehen, hören und riechen will man nichts von der Entstehung dieses Fleisches. Und kosten sollte es eben auch nicht so viel.
