Gestern Donnerstag ist Therese Franchi 66 Jahre alt geworden. Von Ruhestand ist bei der im Berner Jura wohnhaften Bäuerin aber weit und breit noch nichts zu spüren. Da sprudelt es nur so von Energie und an Zukunftsplänen mangelt es auch nicht. «Was wollen wir die Stunden, die wir hier auf der Erde verbringen dürfen, mit Ärger, Neid oder schlechten Gedanken füllen?» fragt sie mit einem Strahlen im Gesicht. Sie habe sich dem Leben zugewandt, auch wenn sich dieses nicht immer von der einfachsten Seite präsentiere. «Wir müssen nicht vergessen, aber vergeben und loslassen, das sollten wir können», so die Bäuerin philosophisch.
Am liebsten im Stall
«Ich bin gerade mutterseelenallein», sagt Therese Franchi im grossen Stall, der auf dem Hof Les Laves im bernjurassischen Le Fuet die Besucher wie ein Monument begrüsst. Die Bäuerin erzählt von den letzten Geburten im Stall. «Ich muss noch Kälber tränken», sagt sie, und geht zu den zwölf Frischgeborenen, die es in den letzten sieben Tagen gab. Und es stehe im Stall der Familie gleich noch einmal so eine Woche an. Das ist der Ort, wo Therese Franchi am allerliebsten ist – bei den Kühen und den Pferden. Denn diese Tiere ziehen sich wie ein roter Faden durch ihr Leben. «Das ist meine Leidenschaft, die Viehzucht und die Pferde», gesteht sie stolz.
Aufgewachsen ist die lebensfrohe Frau im Bergdorf Frutigen im Berner Oberland. «Sechs Kühe und vier Kinder», erinnert sie sich. Der Vater arbeitete noch auf der Post, damit er die Familie ernähren konnte. Mit zwölf Jahren kaufte Therese dann ihre erste Kuh – das heisst ein nähiges Rind. Zuvor hatte sie für 20 Franken einen Erpel verkauft. «Dazu gab mir der Käufer einen Fünfliber», weiss sie noch, als ob es gestern gewesen wäre. Und diese fünf Franken trug sie dann im Taschentuch im Hosensack mit, bis sie zum Einsatz kamen. Sie dienten als Anzahlung an ein Rind, das das Mädchen mit Unterstützung des Vaters für 3850 Franken kaufte. Das Handeln hat sie also schon lange im Blut und ist ihr bis heute erhalten geblieben.
Betrieb übergeben
Eigentlich sollte es für sie auf dem typischen Jurabetrieb auf 1100 m ü. M. nun etwas ruhiger werden, schliesslich ist sie pensioniert. Mittlerweile hat Sohn Lukas den Betrieb übernommen. Der 20-Jährige, der mit Anna eine Zwillingsschwester hat, ist noch nicht lange mit seiner Ausbildung zum Landwirt EFZ fertig. Derzeit befindet er sich in der Rekrutenschule, die noch vier Wochen andauert. «Ich arbeite viel zu gerne, als dass ich es einfach sein lassen könnte. Alter ist eine Zahl, mehr nicht», erklärt sie und ist sicher, dass es auf dem Hof für alle Platz haben wird, die hier etwas erarbeiten möchten.
Der Grünlandbetrieb umfasst mehr als 80 ha Land und rund 24 ha Wald. «Das ist Daniels Leidenschaft – der Wald», erklärt seine Frau Therese. Aber mindestens so gross sei seine Freude an den Pferden, die er mit Tochter Anna teilt. Lukas wolle mit den Pferden lieber nichts zu tun haben und lebt mehr für die Kühe, was er wiederum mit seiner Mutter teilen kann.
Erfolgreiche Züchterin
Während sich die übrigen Familienmitglieder in ihrer Leidenschaft demnach für eine der beiden Tierkategorien entschieden haben, tanzt die Bäuerin auf beiden Hochzeiten. So hat sie sich in der Freibergerzucht auch einen bedeutenden Namen gemacht. Insbesondere für die Füchse hat sie sich nun schon mehr als ein halbes Leben eingesetzt.
Angefangen habe ihr Weg vor 34 Jahren mit einer Stammstute aus Vulcain, die noch im alten Beurteilungssystem mit 79 Punkten benotet wurde. Das um «die Augen von der Natur geschminkte Fohlen mit Adel» tat es der Frau sofort an. In den 34 Jahren, in denen Therese Franchi züchtet, sind bei ihr 148 Fohlen zur Welt gekommen. Aus dieser Stammstute sind sechs Generationen hervorgegangen; darunter mehrere Elitesportstuten. 2010 mit Chanelle sogar die schönste Stute der Schweiz.
Ein Traum hat sich erfüllt
2011 sah Therese Franchi dann in Glovelier den Freibergerhengst Hélixir anlässlich der Hengstselektion. «Ich habe mich sofort verliebt», erinnert sie sich. Nur ein Jahr später kaufte ihr Mann Daniel den jungen Hengst für seine Frau und erfüllte ihr damit einen langersehnten Traum des eigenen Zuchthengsts. «Ja, so geht das im Leben», sagt sie.
Gefragt nach dem Ursprung ihrer unermüdlichen Art, immer alles derart positiv zu sehen, sagt sie: «Was wollen wir eigentlich? Das Leben bietet so viel Wunderbares. Ich freue mich einfach jeden Tag ob allem, was ich erlebe. Was haben wir doch für ein Privileg», meint sie. Und obschon sie auch andere Zeiten erlebt hat, «wie alle anderen auch», wirkt es, als wäre das Glas von Therese Franchi stets randvoll.
«Ich hatte als Kind stets den Herzenswunsch, Kühe zu melken oder einen Landgasthof zuführen», erinnert sie sich. Als sie der Liebe wegen auf den Betrieb im Jura zog, pflanzte sie gleich13 Bäume. Heute erntet sie, was vor 34 Jahren seinen Anfang nahm. «Wir wissen das Ende am Anfang nicht, aber wir können etwas dazu beitragen, wie etwas wird», sagt sie.
«Wir haben nie Kunstdünger gesät, das hat unseren Hof und die Tiere, die darauf leben, meiner Ansicht nach sehr positiv beeinflusst. Ich freue mich, dass die Schwalben wieder hier sind, dass wir Glögglifrösche haben oder Salamander, die fast nirgendwo mehr gesichtet werden und dass unser Hof und das zugehörige Land unzähligen Wildtieren eine Heimat gibt», erklärt sie. Und dennoch sei der Ort eine Lebensgrundlage für sie als Familie und für ganz viele andere Menschen. Das mit der Produktion von Tête de Moine AOP in Bioqualität bei der Fromagerie Amstutz, Fornet-Dessous BE. Nahrungsmittel produzieren gehöre einfach auch dazu und im Fall solcher Gebiete müssten sie tierischer Herkunft sein, ist die Bäuerin sicher.
Ohne Eigeninteressen
Dass die Landwirtschaft immer wieder in der Kritik stehe, ist etwas, das die Bäuerin beschäftigt, aber nicht erdrückt. «Es braucht Menschen, die hinstehen, die ihre Meinung sagen und dabei unsere Schweiz im Herzen tragen», ist sie sicher. Dabei Eigeninteressen zu verfolgen sei aber nie vertretbar. Weder in der Politik, noch in der Viehzucht oder in der Pferdezucht.
«Ich bin sicher, die Freibergerzucht hat mit SVP-Nationalrat Albert Rösti jetzt einen Mann an der Spitze, der das noch kann – hinstehen und eine fundierte Meinung vertreten, ohne dabei an seinen Vorteil zu denken.» Diese Aussage verrät, dass die Bäuerin mit der Zucht von Pferden vielleicht noch nicht ganz abgeschlossen hat. «Ich habe noch viele Pläne», sagt sie, «und natürlich auch Wünsche. Zum Beispiel wünsche ich allen Bauernfamilien viel Glück in Haus und Stall», schliesst die erdige Frau.