Es sieht aus wie ein gemütlicher Spaziergang. Markus Nyffeler hat einen Border Collie und einen Herdenschutzhund an der Leine, drei weitere Herdenschutzhunde flanieren gemütlich, ein Pfiff und ein weiterer Border flitzt heran. Hinter Nyffeler ergiesst sich ein weissbraunes Meer von Schafen.

Der Marsch ist für Tier und Mensch lang

Grosse, kleine, solche mit Hörnern, solche ohne. Einige blöken, suchen ihre Lämmer, andere fressen schnell am Wegrand etwas Gras, bevor ein Border sie zurecht weist. Rund 2000 Schafe sind es. Gemeinsam mit nur vier Helfern und ihren Hunden führt Markus Nyffeler die Herde hinunter auf den Talbetrieb im bernischen Helgisried. Er ist sich lange Märsche mit seinen Tieren gewohnt, ist im Winter mit einer Wanderherde unterwegs. Zwar fallen die traditionellen Alpabfahrten weg, es ist aber nicht zuletzt eine Frage der Kosten, eine solche Herde in Lastwagen zu verladen oder eben zu Fuss zu gehen. Jetzt, nachmittags um 16 Uhr, kurz nach Riffenmatt haben sie schon acht Stunden Fussmarsch hinter sich. Los ging es morgens um acht Uhr im Steinig Gantrisch, dann durch den Sangernboden. Müde scheinen jedoch weder Schafe noch die Hirten und schon gar nicht die Treibhunde. Noch liegen knapp drei Stunden vor ihnen, doch die Tiere sind vom Alpsommer trainiert.

Vier Hunde sind ein Kompromiss zwischen Herdenschutz und Tourismus

Der Sommer sei gut gewesen, berichtet Markus Nyffeler. Er bestösst mit seiner Herde Alpen, welche von ihren vorherigen Bewirtschaftern wegen des Wolfs aufgegeben wurden. Kaiseregg, Stierengrat, Stierenbergli, Widdergalm, Schafharnisch, Ro­tenkasten, Steinig Gantrisch heissen die Stationen seines Bergsommers. Die Schafe bleiben immer beisammen, immer sind mindestens ein Hirte und vier Herdenschutzhunde dabei. Neben einem Angestellten helfen zeitweise auch Praktikanten. «Vier Herdenschutzhunde sind für so eine Herde zu wenige, aber für die Touristen mehr als genug», erzählt Markus Nyffeler, «Da müssen wir einen Kompromiss machen und einen hundertprozentigen Schutz wird es gegen den Wolf nie geben».

Die Menschen, die den Umgang mit Tieren nicht kennen

Dort wo es viele Touristen hat, schläft immer jemand im Zelt bei den Schafen und passt auf die Herdenschutzhunde auf. «Gerade auf der Kaiseregg, wo es viele städtische Touristen hat, welche den Umgang mit Tieren nicht gewohnt sind, müssen wir gut aufpassen und bleiben nur gerade eine Woche», erzählt Markus Nyffeler. Bis auf einen Touristen, den einer seiner Herdenschutzhund am Rucksack packte, sei in diesem Sommer nichts passiert.

Seit zwei Jahren keine Schäden durch den Wolf

Der Wolf verschont seit zwei Jahren seine Herde. 19 Tiere hat Markus Nyffeler jedoch wegen Krankheit oder Unfall verloren. Die andern sind seit letzten Freitag gut genährt und gesund zurück im Tal. Nur vier Tiere mussten in die Bänne, die hinter der Herde fährt, verladen werden. «Futter hätten wir noch etwa eine Woche gehabt, mancher Gustiberg ist mutzer als meine Schafweiden», erzählt Nyffeler und lacht.

 

Die Wirren der kantonalen Hundegesetze

Nicht nur Herdenschutzhunde kommen in Konflikt mit dem Gesetz. Auch Treibhunde sind nicht vor Strafe gefeit. Das musste im Kanton Solothurn eine Schafhirtin erfahren, die eine Busse bezahlen musste, weil sie ihren Hund während der Arbeit nicht an der Leine hatte. Vielfach ist die Leinenpflicht nicht alleine im kantonalen Hundegesetz geregelt, das letzte Wort hat die Gemeinde. Nicht dem kantonalen Gesetz über die Hundehaltung unterstehen Herdenschutzhunde. Ihre Haltung regelt das Bundesamt für Umwelt. Hier eine Übersicht, was in den Kantonen gilt: 

Kanton Basel Landschaft: Während der Hauptsetz- und Brutzeit vom 1. April bis 31. Juli sind alle Hunde im Wald und an Waldsäumen an der Leine zu führen. Weitergehende Leinenpflicht können Gemeinden beschliessen. Sondergenehmigungen für arbeitende Schäferhunde sind bei der Gemeinde zu beantragen.

Kanton Bern: Die Orte, an denen Leinenpflicht besteht, sind in Artikel 7 des Bernischen Hundegesetzes bezeichnet. Die Gemeinden können Ausnahmen bewilligen. Es liege in der Natur der Sache, dass ein Treibhund bei der Arbeit nicht angeleint sei, schreibt der Veterinärdienst des Kantons Bern.

Kanton Wallis: Treibhunde, Herdenschutzhunde und Jagdhunde unterstehen hier während ihres Einsatzes ausdrücklich nicht der Leinenpflicht. Als Herdenschutzhunde gelten jedoch nur Hunde, die im Vertrag mit einer anerkannten Einrichtung aufgeführt sind.

Kanton Freiburg: Hier haben Treibhunde keinen speziellen Status und müssen sich, wie alle Hunde, im Wald an die Leinenpflicht vom 1. April bis am 15. Juli halten.

Kanton Solothurn: Auch hier müssen alle Hunde im Wald vom 1. April bis 31. Juli an die Leine. Hütehunde können nur dort eingesetzt werden, wo die Verordnung oder eine andere Stelle, wie eine Gemeinde, keine generelle Leinenpflicht vorsehen und nur sofern sie unter Kontrolle gehalten werden können. Für Herdenschutzhunde gelte dasselbe, schreibt der Veterinärdienst Solothurn. Aktuell bestehe für Herdenschutzhunde im Mittelland auch keinen Bedarf. Wobei zu erwähnen sei, dass sich Schafe üblicherweise nicht im Wald aufhielten und deshalb diese kantonale Vorschrift für Hüte- und Herdenschutzhunde kaum zu offenen Fragen führe. Ausnahmen von der viermonatigen Leinenpflicht seien keine vorgesehen.