Trotz der derzeit komfortablen Marktlage ist die Schweinebranche mit diversen Herausforderungen konfrontiert. So wird beispielsweise mit dem Rückgang der Anzahl Mutterschweine in der Schweiz die Basis für die Zucht immer kleiner. «Ein wichtiger Grund für den Rückgang ist der Konsum, der über die Jahre hinweg relativ stark zurückging», erklärt Suisag-Präsident Leo Müller gegenüber der BauernZeitung. Die nachgefragte Menge wird also kleiner. Und dieser Trend wird anhalten, wie Müller bestätigt. «Das zeigen verschiedenste Modellrechnungen. Wir müssen damit rechnen, dass der Konsum von Schweinefleisch weiter sinken wird. Im Gegenzug steigt die Produktivität: mehr Ferkel pro Mutterschwein und höhere Tageszunahmen, das heisst pro Mutterschwein wird immer mehr Fleisch produziert.»
Strategie aktualisiert
Trotz dieser Abnahme der Muttersauen hat sich die Suisag aus Sempach LU zum Ziel gesetzt, eigene Zuchtlinien in der Schweiz zu erhalten und weiterzuentwickeln. Um das proaktiv und zielgerichtet anzugehen, habe der Verwaltungsrat die Strategie aktualisiert. «Die Suisag 2025 wird neben der starken Verankerung in der Schweiz auch in anderen Ländern tätig sein, respektive ihre heutigen Marktanteile ausbauen. So garantiert sie ein langfristig erfolgreiches Zuchtprogramm für die Schweiz», sagt Leo Müller. Welche Konsequenzen hätte denn eine weitere Abnahme der Zuchtlinien für die Schweiz? «Die Basis sind die Anzahl reinrassiger Sauen respektive die Anzahl reinrassiger Würfe. Ziel muss sein, diese Anzahl insbesondere für unsere eigenständig gezüchteten Rassen hoch zu halten, damit eine genügend breite Zuchtbasis bestehen bleibt», erklärt der Verwaltungsratspräsident und mahnt: «Wenn uns das nicht durch geeignete Massnahmen gelingt, dann wird langfristig die Eigenständigkeit, die es uns erlaubt, unsere eigenen Zuchtziele für Schweizer Verhältnisse zu verfolgen, aufs Spiel gesetzt.» Man wolle bei der Suisag im Sinne einer starken Schweineproduktion verhindern, dass die Schweiz in eine Abhängigkeit von ausländischen Zuchtkonzernen gelangt.
Einzigartiges Programm
Grundsätzlich passen laut Leo Müller die Schweine, die im Ausland gezüchtet werden, auch nicht in das hiesige Haltungssystem. «Eine Sau, die nicht wie die Schweizer Genetik über Jahrzehnte für die freie Abferkelung gezüchtet wurde, wird deutlich grössere Saugferkelverluste aufweisen», weiss er. Und dieses einzigartige Schweizer Zuchtprogramm sei genau deshalb auch im Ausland so gefragt. «Weiter gilt das Schweizer Mutterschwein auch als sehr ruhig und umgänglich. Mit einem aggressiven Mutterschwein ist in der freien Abferkelung nicht umzugehen», mahnt Müller.
Samen bis nach Kenia
Die Schweizer Genetik ist international also gefragt. So arbeitet die Suisag seit Längerem mit Russland zusammen und baut auch den Marktanteil in Deutschland weiter aus. «In Deutschland sind die Kastenstände bald verboten, das freie Abferkeln muss eingeführt werden. Die Tiere mit der entsprechenden genetischen Veranlagung wie Mütterlichkeit fehlen aber. Da liegen wir mit unseren Mutterlinien, Edelschwein und Landrasse, goldrichtig und sehen grosse Chancen», sagt Müller und ergänzt, dass in diesem Zusammenhang vor vier Monaten mit dem belgischen Zuchtverband eine exklusive Zusammenarbeit vereinbart wurde. Ebenso erfolgen Spermalieferungen nach Brasilien und seit Kurzem auch nach Kenia. «Mit dieser Internationalisierungsstrategie wollen wir unsere Zuchtarbeit breit abstützen und Einnahmen erzielen», erklärt Müller weiter. Denn damit könne die Zuchtarbeit in der Schweiz auch dann noch finanzieren, wenn der Bestand an Mutterschweinen noch weiter zurückgehe.
Strenger als im Inland
Verhandelt wird mit klarer Ansage. So stehen beispielsweise bei deutschen KB-Organisationen Schweizer Mutter- und seit neuem auch Vaterlinieneber im Angebot. «Das Sperma wird zu deutschen Preisen produziert und wir erhalten auf jede Spermaportion eine Lizenzgebühr zur Finanzierung des Schweizer Zuchtprogramms. Jeder Zuchtbetrieb hat mit uns einen Vertrag, eine sogenannte Kundenerklärung, wobei der Schutz der Genetik durch Nutzungseinschränkungen und Konventionalstrafen geregelt wird», erklärt Müller. Das habe man im Ausland bewusst viel strenger geregelt als in der Schweiz. Trotz der vielen Vorteile gebe es bei den Schweizer Rassen aber auch anspruchsvolle Aufgaben zu lösen – Stichwort HIS. Das Hämorrhagische Intestinal Syndrom ist eine multifaktorielle Erkrankung des Schweins und gilt als die häufigste Abgangsursache in der Schweinemast. «Diesbezüglich haben wir zwei grosse Forschungsprojekte zusammen mit der ETH Zürich, den Universitäten Bern und Zürich sowie der HAFL aufgegleist. Da braucht es aber etwas Geduld – Zuchtarbeit ist nicht eine Frage des ‹Schalterdrehens›», schliesst Müller.