Die erste Anlage für die Ansäuerung von Gülle mittels Schwefelsäure in der Schweiz wurde 2021 auf dem Hof von Alois Niederberger als wissenschaftlich begleitetes Pilotprojekt in Betrieb genommen. Seine Zwischenbilanz ist positiv: «Nach einigen Kinderkrankheiten bin ich unterdessen sehr zufrieden», sagt Niederberger auf Anfrage der BauernZeitung. Die Anlage laufe störungsfrei.
Das System, bei dem sich mit Schwefelsäure angereicherte Gülle im ganzen Stall befindet, soll den Ammoniakausstoss der Ausscheidungen ab der ersten Minute verringern, da die Säure das Ammoniak bindet. Das führt dazu, dass die Gülle höhere Stickstoff- und Schwefelgehalte hat, was Niederberger auch am Wachstum der Pflanzen bemerkt habe, wie er sagt. In Dänemark hat sich die Methode bereits etabliert. Die Anlage ist von Sensoren überwacht. Alois Niederberger hat den Überblick, wieviel Gülle im Moment vorhanden ist. So wird zum Beispiel der pH-Wert der Gülle ständig überprüft.
Nachfrage hält sich in Grenzen
Seit 2021 werden Anlagen zur Gülleansäuerung von Bund und Kantonen mittels Strukturverbesserungsbeiträgen unterstützt. Mittlerweile gibt es eine weitere Anlage in der Schweiz, die im Laufe des letzten Jahres realisiert und in den Betrieb integriert wurde.
Die Nachfrage für solche Anlagen hält sich generell aber in Grenzen, wie Urs Waltenspül von der Firma Arnold, die die bisher zwei Ansäuerungsanlagen installiert haben, bestätigt. Zwar hätten sie einige Offerten offen, ein konkretes Projekt sei aber nicht in Sicht. Das sei wohl der aktuell unsicheren Wirtschaftslage zuzuschreiben und wahrscheinlich, weil die Landwirte das Produkt und dessen Vorteile noch zu wenig kennen. Er ist aber zuversichtlich, dass sich das in der nächsten Zeit noch ändern wird.
Auswirkungen auf den Boden werden untersucht
Was ebenfalls für Zurückhaltung sorgen dürfte, ist die Frage, welche Auswirkungen die angesäuerte Gülle auf den Boden hat. Diese wird im Pilotprojekt begleitend von der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) ermittelt. Thomas Kupper, der diese Untersuchungen leitet, sagt, erste Resultate können ungefähr in zwei Jahren erwartet werden.
Es gäbe jedoch bisher keine Studien aus dem Ausland, die negative Auswirkungen auf den Boden gefunden haben. Die Böden müssen bei Verwendung von angesäuerter Gülle jedoch häufiger aufgekalkt werden. Und: «Die Ausbringmenge muss wegen der Zugabe von Schwefelsäure an den Schwefelbedarf der Kulturen angepasst werden», sagt der Wissenschaftler. Je nach Dosierungsmenge von Schwefelsäure kommen in der Regel ein bis zwei Gülle-Gaben pro Jahr in Frage.
Gülle gezielt einsetzen
Die Ansäuerung der Gülle mit Schwefelsäure ist nicht ganz unumstritten. Unter anderem spielen Sicherheitsbedenken eine Rolle, denn wenn das System angewendet wird, wird Schwefelsäure auf dem Hof gelagert.
Ebenfalls führen zu hohe Gaben von angesäuerter Gülle dazu, dass der überschüssige Schwefel in das Grundwasser ausgewaschen werde und ins Trinkwasser gelangen kann, sagt Kupper. Das sei gesundheitlich zwar kaum bedenklich, jedoch ist die Auswaschung von Schwefel eine Verschwendung von Pflanzennährstoffen. «Zukünftig sollte gezielt eingesetzte, mit Schwefelsäure angesäuerte Gülle Schwefeldünger wie Ammonsulfat oder Gülleschwefel ersetzen», sagt Kupper.
Bereits erste Resultate
Bezüglich Arbeitssicherheit kann die HAFL bereits ein Resultat verzeichnen: Ein erhöhter Ausstoss von giftigem Schwefelwasserstoff in die Stallluft hat sich entgegen der Befürchtungen nicht bewahrheitet, sagt Thomas Kupper. «Weil der pH abgesenkt wurde, waren die Schwefelwasserstoff-Bildner weniger aktiv», sagt er.
Animpfen von Harn
Eine weitere Möglichkeit, den Ammoniakausstoss in der Gülle zu verringern, ist die Trennung von Kot und Harn und die anschliessende Behandlung mit Bakterien, die Ammonium in Nitrat verwandeln. Diese Mikroorganismen sind auch in einem natürlichen Boden vorhanden. So entsteht auf natürlichem Weg ein saures Milieu, was die Gülle stabilisiert.
Bei der Methode der Ansäuerung mittels Bakterien gibt es Vorteile. So sind in der Gülle keine erhöhten Schwefelgehalte vorhanden und auch die Arbeitssicherheit ist gewährleistet, denn es muss nicht mit der gefährlichen Schwefelsäure hantiert werden. Ausserdem seien nach dem Animpfen des Harns keine weiteren Zusätze nötig, da sich die Bakterienkultur selbst weiterentwickle, sagt Michael Birrer, Projektleiter Ammoniak bei der Firma Schauer, die die Anlagen in Zusammenarbeit mit der Firma Vuna-Nexus testet.
Ein Schweizer Ansatz
Diese Methode ist jedoch in der Landwirtschaft noch wenig erforscht. Das Schweizer Wasserforschungsinstitut Eawag hat sie ursprünglich für den Humanbereich entwickelt, um in Entwicklungsländern Dünger aus menschlichem Harn herzustellen.
Die Firma Schauer und Vuna-Nexus haben den Ansatz bereits 2020 mittels einer mobilen Anlage getestet. Demnächst starten Versuche in einer Pilotanlage auf einem Landwirtschaftsbetrieb in der Ostschweiz, die ebenfalls wissenschaftlich von der HAFL, der Agroscope und Eawag begleitet werden. Unter anderem soll herausgefunden werden, wieviel Ammoniak-Emissionen eingespart werden können, sagt Thomas Kupper. Da es dazu noch keine Untersuchungen gibt, steht man hier ganz am Anfang.
Berechnen Sie hier die Ammoniak-Emissionen auf Ihrem Betrieb: www.agrammon.ch