Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) plant im Rahmen der AP22+ die Einführung von Direktzahlungen an ältere Kühe. Wie, in welcher Höhe und Form diese ausgerichtet werden sollen, ist noch nicht bekannt. Im ersten Moment mag man denken, es handle sich um eine nette Geste zugunsten jener Bauern, die Sorge zu ihrem Bestand tragen. Schaut man genauer hin, wird ersichtlich, das es eines dieser gezielt eingesetzten Instrumente ist, die Fehlanreize schaffen und nicht unterschätzbar ins Marktgeschehen eingreifen können.
Beiträge vom Bund können Fehlanreize schaffen
Die Vergangenheit hat nämlich gezeigt, dass die Branche teilweise sehr stark auf Zahlungen dieser Art reagiert hat. Als Beispiel seien an dieser Stelle die Tierhalterbeiträge erwähnt. Es war eine hitzige Debatte im Nationalrat, die 2012 geführt wurde. Es ging um die Abschaffung der Tierhalterbeiträge, welche die AP14–17 mit sich brachte. Zahlreiche bäuerliche Vertreter versuchten damals erfolglos, diese zu erhalten. Die Aufhebung dieser Tierbeiträge, wie sie landläufig oft genannt wurden, war zweifellos eine der bedeutendsten Änderungen, welche im Rahmen der AP14–17 umgesetzt wurde. Und obschon das Instrument zu den damals ältesten Direktzahlungen zählte, gehört es heute der Vergangenheit an. Es hatte Fehlanreize geschaffen, welche in der Folge die Preise unter Druck brachten. Zu viele Kühe, eine Überproduktion im Sektor Milch und umweltschädliche Futtermittelimporte waren die Hauptargumente der Abschaffungs-Befürworter.
Keine zusätzlichen Anreize für Hornkühe
Auch die Hornkuh-Initiative ist mit dem aktuellen Plan des BLW vergleichbar. Der Bund hatte sich im Abstimmungskampf deutlich gegen eine Annahme der Volksinitiative ausgesprochen. Man wollte keinen zusätzlichen Anreiz für das Halten von Hornkühen schaffen. Es bestand für den Bund keine Gewähr dafür, dass durch die Hornbeiträge das Tierwohl gesamthaft verbessert werden könne, hiess es. Der Bund war zudem der Ansicht, dass die Produkte von behornten Tieren speziell ausgelobt und damit teurer verkauft werden könnten und so ein Mehrwert generiert werden könne. Im Sektor Milchproduktion hat der Markt schon reagiert. Die Migros setzt in ihrem Nachhaltigkeitsprogramm bereits mit einer hohen Lebtagesleistung auf langlebige Kühe und auch im neuen Branchenstandart «Grüner Teppich» will sich die Branche in diese Richtung entwickeln.
Hochleistungsherden nehmen ab
Im Zusammenhang mit der ebenfalls geplanten Reduktion der Antibiotika könnte das Ziel, Kuhbestände im Durchschnitt älter werden zu lassen, sogar sehr negative Folgen haben. Kaum ein Landwirt mit Hochleistungskühen im Stall dürfte behaupten, dass eine Kuh mit steigendem Alter gesünder, krankheitsresistenter und unkomplizierter wird. Meist ist es umgekehrt.
Die Betriebsleiter werden, wie das schon immer so war, auf diese Instrumente reagieren. So, wie sie es damals mit den Tierhalterbeiträgen auch taten. Wird eine solche Subvention zur Unterstützung der älteren Kühe eingeführt, wird je nach Höhe und Anreiz, das Durchschnittsalter der Milchkuhherden ansteigen. Mit ihm werden in Hochleistungsherden die durchschnittliche Gesundheit und die Fitness der Herde abnehmen. Analog auch die Fruchtbarkeit.
Weniger Aufzucht, weniger Milchkühe, weniger Verarbeitungsfleisch
Leben Kühe länger, braucht es weniger. So werden vermehrt Maststiere zum Einsatz kommen. Hochzuchtgebiete, wie das Emmental, weniger Jungvieh aufziehen, um die Direktzahlungen zu optimieren. Da sich die Preise für Nutzvieh auf tiefem Niveau eingependelt haben, und mit dem Verkauf von jungen Kühen kaum Geld zu verdienen ist, werden auch Betriebe ihre Strategie umstellen, die bislang das Gras mit Jungvieh nutzten und dadurch ein tiefes Durchschnittsalter ihrer Herden aufzuweisen hatten. Die Folge ist klar: weniger Aufzucht - weniger Milchkühe - weniger Verarbeitungsfleisch. Die Schweiz importiert jetzt schon 10 00 Tonnen Kuhhälften. Diese Zahl wird ansteigen. Mit kaum positiven Effekten auf das Klima.
Gleichviel Milch mit weniger Kühen
Ein weiterer Plan des Bundesamts könnte die negativen Folgen auf Entwicklung im Milchkuhbereich noch verstärken. Und zwar die in Aussicht gestellte Reduktion der Tierbestände. Eine Verbindung dieser sehr gezielt ausgerichteten Instrumente wird, will man es extrem sehen, überalterte Hochleistungskühe fördern. Denn nach wie vor gilt eine Milchkuh, ganz unabhängig davon, ob sie nun eine 1,65 m grosse Holsteinkuh mit 15 000 kg Milch pro Laktation oder aber eine 1,40 m grosse Simmentalerkuh mit 6000 kg Milch pro Laktation als 1 Grossvieheinheit (GVE). Will ein Landwirt weiterhin gleichviel Milch mit weniger Kühen (also tieferem GVE-Besatz) produzieren, müssen diese möglichst viel Milch geben. So fördert der Bund indirekt Hochleistungsrassen.
Massnahmen können sich als Bumerang entpuppen
Das Ziel dürfte wohl ein anderes sein. Nämlich die Umwelt entlasten, die durchschnittliche Nutzungsdauer der Kühe ohne Gesundheitsbeeinträchtigung steigern und die Milch aus möglichst viel Gras produzieren. Am Beispiel dieser vom BLW geplanten Massnahmen wird einmal mehr ersichtlich, wie heikel es ist, mit einzelnen Instrumenten einen Sektor zu bewegen, ohne zu riskieren, dass sich eben diese Massnahmen schon sehr bald einmal als Bumerang entpuppen.
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