Nach einem monatelangen, intensiven und emotional geführten Abstimmungskampf hat das Schweizer Stimmvolk die Vorlage zur Revision des über dreissigjährigen Jagdgesetzes abgeschossen. Der knappe Entscheid (48,1 % Ja, 51,9 % Nein) verdeutlicht, wie stark Umweltthemen polarisieren und wie sich unsere Gesellschaft an solchen Fragen spaltet. Der Entscheid macht aber auch deutlich, welche Ansprüche das Stimmvolk an die Landwirtschaft stellt.
Unterschiede zwischen Stadt und Land
Wie zu erwarten war, zeichneten sich bei den Abstimmungsergebnissen klare Gräben zwischen Stadt und Land sowie zwischen Berggebieten und Mittelland ab. Noch am Abstimmungssonntag sagte Stefan Engler, Bündner Ständerat (CVP) und Befürworter der Vorlage, dass das Problembewusstsein in den einzelnen Regionen ganz unterschiedlich sei. Daran konnten auch die aufwendigen politischen Kampagnen von Befürwortern und Gegnern letztlich nichts ändern.
Thema Wolf bewegt Leute landesweit
Das Thema Wolf wurde in den vergangenen Wochen und Monaten medial sehr ausgiebig diskutiert. Während die Gegner die Vorlage pauschal als «Abschussgesetz» titulierten und damit bei ihrer Basis punkten konnten, hatten die Befürworter einen schwereren Stand bei der Vermittlung ihrer Argumente. Fast scheint es, als ob der starke Fokus auf den Wolf allzu reduzierend gewirkt haben könnte. Auch in den Städten des «Unterlandes» wurden die Diskussionen über den Wolf und dessen Zukunft in der Schweiz zunehmend hitzig geführt – wenn auch im Vergleich zum Land meist eher pro Wolf. Die Gegner der Revision konnten sich diesen Sommer denn auch tatsächlich in ihren Vorbehalten bestätigt sehen: Im Sommer ging der Walliser Staatsrat auf eine kantonale Initiative für einen Kanton ohne Grossraubtiere ein. Das nützte der Glaub-würdigkeit der Revisionsbefürworter wenig, denn sie mussten zur gleichen Zeit auf nationaler Ebene für eine Kompetenzverlagerung auf die Kantone werben und das Stimmvolk für einen Konsens gewinnen.
Die Betroffenen dürfen nicht vergessen werden
Nach der Abstimmung ist eines klar: Die Wolfspopulation wird auf absehbare Zeit eine feste Variable in der Schweizer Alp- und Berglandwirtschaft bilden. Damit müssen sich alle Beteiligten arrangieren, ob sie wollen oder nicht. Wenn aber die Gleichung künftig auch mit dem neuen Faktor Wolf aufgehen soll, muss allen reiner Wein eingeschenkt und den Bedenken der Direktbetroffenen Rechnung getragen werden. Bei vielen dieser direkt betroffenen Älpler und Bergbauern löst die knappe Niederlage verständlicherweise grossen Frust und berechtigte Ängste aus. Einmal mehr fühlen sich die Berggebiete übergangen und allein gelassen mit einem Problem, über dessen Handhabung landesweit abgestimmt wurde. Dieser Unmut kommt auch in den Medienmitteilungen der entsprechenden Verbände zum Ausdruck. So schreibt etwa die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete, man bedauere, dass es nicht gelungen sei, «die Unterländerinnen und Unterländer von den Vorteilen des Jagdgesetzes für die Bergbevölkerung zu überzeugen».
Ein vorsichtiger Blick in die Zukunft
Der Bündner Bauernverband schliesst seine Medienmitteilung mit einem Blick nach vorn. Geschäftsführer Martin Renner schreibt, man müsse nun den richtigen Weg finden, um der sich entwickelnden Problematik zu begegnen. Die nötigen Schritte dazu würden in den kommenden Wochen eingeleitet. Die Umweltverbände haben ihrerseits bereits konkrete Ziele und einen zeitlichen Horizont angekündigt. Nach der gewonnenen Abstimmung und mit politischem Rückenwind wolle man schon in der kommenden Wintersession einen neuen Anlauf für eine Revision des Jagdgesetzes wagen, schreibt das Nein-Komitee in einer Pressemitteilung. Man hoffe, dass sich «möglichst» auch die Jagdverbände an der Diskussion beteiligen würden. Befremdlicherweise wird jedoch der Schweizer Bauernverband in der Medienmitteilung nicht mit einem Wort erwähnt. Für die landwirtschaftlichen Verbände und ihre politischen Vertreter eröffnen sich nun verschiedene Möglichkeiten, wie sie sich weiterhin aktiv am Diskurs beteiligen können. Von Vorteil wäre es wohl, einen proaktiven Kurs zu fahren und selber weitere konstruktive und mehrheits-fähige Lösungen zu erarbeiten, statt den Ball aufseiten des politischen Gegners liegen zu lassen. Zuwarten empfiehlt sich nicht, wie ein altes deutsches Sprichwort besagt: «Während die Hirten sich zanken, hat der Wolf gewonnenes Spiel.»