Wenn das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) ein bewährtes System zur Diskussion stellt, sorgt das in der Regel für Ärger. Das jüngste Opfer der Entrüstung ist Adrian Aebi; der BLW-Vizedirektor hat vor etwas mehr als einer Woche gegenüber dem SRF-Konsumentenmagazin "Kassensturz" erklärt, dass bei den Schlachtviehmärkten die Händler zulasten der Bauern und der Konsumenten
kassieren und das deshalb ein Wechsel beim Importregime angesagt wäre.

Nicht das erste Mal

Gemacht hat es das BLW schon einmal; und musste dann mit der Agrarpolitik 2014-17 zurückkrebsen. Die Vergabe von Importkontingenten gemäss Inlandleistung wurde wieder eingeführt. Mit den neuerlichen Umbauplänen stösst das BLW die Fleischbranche vor den Kopf. Einige sagen, dass Aebi deshalb seine Chancen auf den BLW-Direktorenposten damit definitiv vergeben hat. Andere sagen, ein solches Vorgehen wäre andernorts ein Kündigungsgrund.

Die Kritik ist insofern erstaunlich, als dass der Import von Fleisch mit einem Regelwerk verbunden ist, das Schwächen hat. Und das BLW schickt sich an, diese Schwächen anzugehen. Konkreter geht es darum, wie die Importkontingente für Fleisch zugeteilt werden. Beim roten Fleisch beispielsweise besteht ein Zollkontingent von 22 00 Tonnen. Um zu entscheiden, wer das Fleisch importieren darf, wendet der Bund derzeit zwei verschiedene Verfahren an: Für die Hälfte des Kontingents die Versteigerung, für die andere Hälfte
die Inlandleistung - letztere wird noch einmal aufgeteilt. 40 Prozent vom Gesamtkontingent werden anhand der geschlachteten Tiere zugeteilt. Zehn Prozent des Gesamtkontingents werden nach Anzahl der auf überwachten öffentlichen Märkten ersteigerten Tieren zugeteilt. Die Versteigerung funktioniert wie die Gant auf dem Viehmarkt – der Meistbietende erhält eine bestimmte Menge des Importkontingents.

Die Bauern sollten profitieren

Im Grundsatz gilt: Der Grenzschutz soll den Produzenten dienen – Ziel ist ihr Schutz vor ausländischen Dumpingpreisen. Die Vergabe der Importkontingente anhand der Inlandleistung hat sich allerdings als ineffizient erwiesen. Der Grund: Die Vergabe gemäss Inlandleistung zementiert laut BLW bestehende Marktstrukturen und verhindert den Wettbewerb. Zusätzlich können marktmächtige Akteure einen Teil der Erträge aus dem Verkauf von günstiger Importware für sich behalten, statt sie an die Produzenten weiterzugeben. Das BLW stützt sich dabei auf Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ab, die besagen, dass bis zu drei Viertel der Marktpreisstützung auf dem Weg zum Landwirten  in den vor- und nachgelagerten Stufen, bei Fenaco, Migros, Coop und allen anderen Unternehmen verschwindet, die eine marktmächtige Position einnehmen.

Dass das BLW die Versteigerung als Instrument der Wahl zur Vergabe von Importkontingenten sieht, ist vor diesem Hintergrund nicht nur nachvollziehbar, sondern richtig. Unter idealen Bedingungen würden nicht die Händler und die Importeure von den Importkontingenten profitieren, sondern die Bauern.

Wertvolle Transparenz

Was im Grundsatz stimmt, trifft allerdings nicht ganz auf die öffentlichen Schlachtviehmärkte zu, die von Proviande überwacht werden. Es sind diese Schlachtviehmärkte, die für die Preisbildung wichtig sind. Zwar wird nur etwa jedes fünfte Tier über einen öffentlichen Markt gehandelt, aber durch die öffentlichen Märkte wissen auch alle anderen Bauern, was ihre Kühe ungefähr Wert sind. Es ist diese Transparenz, die für die Landwirte in der ganzen Schweiz wertvoll ist. Zusätzlich sorgen die Tabellenpreise von Proviande dafür, dass die Preise bei Marktkrisen nicht ins Bodenlose abstürzen und wirken marktberuhigend. Und an das Einhalten der Tabellenpreise gekoppelt ist die Vergabe der Kontingente gemäss Inlandleistung. Sie stellt nämlich sicher, dass auch in Krisensituationen die Tiere vom Markt geräumt werden. Ohne Inlandleistung, so die Kritik, gäbe es keine Tabellenpreise, weniger Transparenz und bei einem Angebotsüberhang würden die Preise zu stark unter Druck kommen. Das sagen verschiedene Branchenkenner und verweisen auf die Zeit, in der der Bund schon einmal die Inlandleistung aufgehoben hat. Erst die Wiedereinführung hat auf den Rindvieh- und Lammfleischmärkten zu einer Beruhigung geführt, von der letztlich die Bauern in Form von stabileren Preisen profitierten. Fällt die Inlandleistung weg, befürchten Branchenkenner, dass der Landwirt mittelfristig noch weniger Abnehmern gegenübersteht, die zusätzlich einen noch grösseren Informationsvorsprung haben.

Kurz: Die Vergabe der Importkontingente nach Inlandleistung ist nicht perfekt, aber sie ist das beste aller schlechten Systeme. Die einzige Alternative wäre mehr Transparenz in Form von besseren und schneller verfügbaren Marktdaten. Damit könnte die Informationsasymmetrie reduziert werden. Würden die Produzenten und das BLW bei Letzterem vorwärts machen, müsste sich Adrian Aebi garantiert nicht darüber ärgern, dass er nicht mehr BLW-Direktor werden kann – sofern er das überhaupt will. Und die Viehhändler müssten sich nicht damit herumschlagen, dass der "Kassensturz" ihre faulen Tricks entlarvt  und ihren zweifelhaften Ruf noch weiter festigt.