Weltweit wohl einzigartig ist sie, die Schweizer Schweineproduktion. Während die meisten anderen westlichen Länder auf grosse Bestände auf spezialisierten Betrieben setzen, kann man die Produktion hierzulande als bäuerlich, aber gleichwohl professionell betiteln. Im Schnitt rund 50 Sauen hält ein Schweinezüchter, etwas über 200 Tiere ein Mäster. Der Fokus liegt vor allem auf dem Tierwohl und im Schlachthof auf der Schweinefleischqualität. Schweinefleisch – in vielen Ländern das Fleisch der armen Leute – geniesst hier zu Recht einen guten Ruf. So weit, so gut. Bei einem Thema setzen Fachleute, erst recht, wenn sie aus dem Ausland kommen, nicht selten ein gequältes Lächeln auf. Dann nämlich, wenn es um die Biosicherheit geht.
Wir haben gesunde Schweine
Zur Biosicherheit gehören etwa der Eingangsbereich mit Hygieneschleuse, eine Fliegen- und Schadnagerbekämpfung, die Umzäunung von Ausläufen oder der korrekte Umgang mit Kadavern. Bei obiger Aufzählung ist zu berücksichtigen, dass die Schweiz einen einzigartig hohen Gesundheitsstatus hat. Wir sind offiziell frei von den meisten gefürchteten Tierseuchen beim Schwein.
Möglich machten dies jahrzehntelanges rigoroses Vorgehen bei der Tilgung und heute einem flächendeckenden Schweinegesundheitsprogramm. Das alles macht ein wenig unvorsichtig. Als Risikofaktoren dazu kommen Ausläufe bis hin zur Freilandhaltung. Auch sind die Produzenten so unterschiedlich wie nur möglich: Die einen spezialisieren sich auf Zucht, andere auf Mast; wiederum andere betreiben beides oder schliessen sich zu Ringen zusammen. Einige kaufen sämtliche Jungsauen zu, andere führen einen komplett geschlossenen Betrieb. Und Schweine sind meistens nicht die einzigen Tiere auf dem Betrieb.
Während bei uns Wanderer nicht selten quer über den Hof laufen, Streicheleinheiten für die Schweine im Auslauf inklusive, ist im Ausland auf professionellen Schweinebetrieben längst ein Zaun hochgefahren. Unbefugten wird der Zutritt nicht nur freundlich verboten, sie stehen schlicht vor verschlossenen Toren.
Afrikanische Schweinepest als Antrieb
Als im September 2020 erstmals die Afrikanische Schweinepest (ASP) bei einem Wildschwein in der Region Brandenburg (D) festgestellt wurde, ging ein Raunen durch die europäische Schweinebranche. Man hoffte vergeblich, das Problem bleibe im Osten. Behörden, die Akteure entlang der Wertschöpfungskette und Schweinehalter bereiten sich seitdem vor. Präventiv. Mit der ASP in Europa nahm das Thema Biosicherheit bei Schweizer Schweineproduzenten an Fahrt auf. Die Branche erarbeitete die ASP-Risikoampel und informiert die Schweineproduzenten bei jeder Gelegenheit. Die Suisag hat im Frühling ein zusätzliches Programm initiiert (Biosec) für vorsichtige Profis. Proaktiv, wie man sie kennt, die «Söieler». Eigenverantwortung nennt es die Suisseporcs, der Produzentenverband. Viele haben investiert im Rahmen der Möglichkeiten, den die beiden vergangenen schlechten Schweinejahre boten.
Hygieneschleusen wurden mancherorts platziert oder auf Vordermann gebracht. Ausläufe werden mit Zäunen geschützt. Immer mehr sieht man komplett eingehagte Schweineställe. Ob dies reicht, wird sich zeigen. Auch hier ist ein Zielkonflikt wieder nicht zu vermeiden. Dieser heisst: möglichst viel Tierwohl zeigen gegen die Tiere möglichst gut schützen. Es braucht Kompromisse. Mancherorts lassen die betrieblichen Strukturen gar nicht alles zu, etwa wenn es um einen professionellen Zaun geht. Das ist auch nicht nötig. Nebst dem Tierschutzaspekt geht es auch um finanzielle Überlegungen. Wer nebenbei jährlich ein Dutzend Schweine mästet, für den Direktverkauf und den Eigenbedarf, würde einen Totalausfall überstehen. Bei einem Mastferkelproduzenten mit 100 Moren sieht dies anders aus. Vorsicht ist in beiden Fällen geboten, ein Ausbruch hätte Auswirkungen auf die ganze Branche.
Biosicherheit nochmals überdenken
Dass die ASP noch nicht in der Schweiz angelangt ist, hat viel mit Glück zu tun. Unterschätzen sollte man die Tierproduzenten aber nicht. Viele haben ein feines Gespür für eine vernünftige Biosicherheit. Noch immer haben wir es in der Hand. Ein Ausbruch wäre im besten Fall rasch handelbar, der Imageschaden aber enorm. Jüngste Beispiele haben gezeigt, dass der Konsument Seuchenausbrüche nicht rational einordnen kann, Absätze brachen rasch ein, ob nun eine Gefahr für den Mensch bestand oder nicht. So gilt es weiterhin solidarisch und mit einer guten Prise Vernunft alles daranzusetzen, dass unerwünschte Viren nicht wegen Fahrlässigkeit den Weg in hiesige Schweineställe finden.
Der kommende Winter bietet Gelegenheit, um das Schutzdispositiv nochmals zu überdenken. Und die Bevölkerung muss kommunikativ mitgenommen werden. Zäune werden hochgefahren, um die Tiere zu schützen, nicht weil der Tierschutz dahinter nicht gut wäre.