Fressbares lockt Wildtiere in die Nähe von Menschen. Das gilt für Füchse – die in Dörfern und Städten quasi heimisch geworden sind – ebenso wie für Wölfe. Jener Wolf, der in den Niederlanden einen Jungen gebissen und fortzuschleifen versucht hat, soll zuvor angefüttert worden sein und deshalb die Scheu vor Menschen verloren haben.
«Vereinzelt hatten wir in den vergangenen Jahren schon Wölfe, die Siedlungen begangen haben, am Dorfrand auch schon Rothirsche gerissen haben oder an Einzelgebäuden vorbeigezogen sind», schildert Dominik Thiel, Leiter des St. Galler Amts für Natur, Jagd und Fischerei. Entscheidend sei immer die Absicht eines Wolfes: Sucht er Nahrung oder ist er auf dem Weg von A nach B? «Das heutige Management der Wölfe in der Schweiz zielt darauf ab, Wölfe scheu zu halten», gibt Thiel zu bedenken. Für Menschen gefährliche Wölfe müssten deshalb schnellstmöglich erlegt werden.
Gemeinden sind zuständig
Bewilligte Abschüsse sind allerdings nicht einfach zu vollziehen, wie die Erfahrungen aus zwei Regulierungsperioden in der Schweiz zeigen. Auch besagter Wolf in den Niederlanden war zum Abschuss freigegeben, bevor es zur Attacke auf den Jungen kam. Das richtige Verhalten von Menschen gegenüber Wölfen ist somit für beide Seiten bedeutend, sowohl um Abschüsse als auch um Vorfälle zu vermeiden. «Wie wichtig es ist, dass Wölfe nicht gefüttert werden, wird von uns in der Kommunikation zum Thema ‹wie gefährlich sind Wölfe› immer prominent erwähnt», versichert Dominik Thiel. «Wölfe sind für den Menschen nicht gefährlich, sofern sie nicht angefüttert oder bedrängt werden», schreibt die Stiftung Kora in einem Flyer, auf den viele Kantone Bezug nehmen. «Im Kanton Zürich gilt ein generelles Fütterungsverbot für Wildtiere», hält Katharina Weber, Mediensprecherin der Zürcher Baudirektion fest. Massnahmen gegen herumliegende Abfälle, die von Wildtieren gefressen werden könnten, lägen in der Zuständigkeit der Gemeinden.
Vergrämung statt Abschuss
Beim Kanton Glarus verweist man auf das Konzept Wolf Schweiz. Wölfe, die während der Aktivzeit von Menschen bei Siedlungen Futter holen oder von menschlichen Futterquellen aufsuchen, zeigen demnach «unerwünschtes Verhalten». In diesem Fall sieht das Konzept eine verstärkte Überwachung des Tieres, Vergrämung und Entfernen des Futters als Massnahme vor. Für einen Abschuss reicht es gemäss Konzept noch nicht, das Dokument stammt allerdings aus dem Jahr 2023. Die aktuelle Jagdverordnung erlaubt im Fall von Rudeln bei unerwünschtem Verhalten den Abschuss eines Teils der Wolfsgruppe.
Vorsicht mit Nachgeburten
Die meisten Kantone haben online Merkblätter zum richtigen Verhalten gegenüber Wölfen aufgeschaltet. So auch Bern und Graubünden, die auf Anfrage allerdings keine genaueren Auskünfte geben, sondern auf Kora und das Bundesamt für Umwelt verweisen. Glarus hat ein eigenes Merkblatt erstellt, mit einem Abschnitt zu der Frage «wie halten wir den Wolf von Siedlungsgebieten fern». Wölfe bei oder in Siedlungen würden verunsichern und Konflikte verursachen, heisst es dort. Das Ziel müsse daher sein, diesen Tieren keinen Anlass zu geben, die Nähe von Menschen zu suchen. Das Merkblatt nennt folgende Tipps:
- Abfall: Bis zur Entsorgung unter Verschluss halten, keine Säcke oder Kübel draussen deponieren.
- Küchenabfälle: Fachgerecht in einem wildsicheren Kompost entsorgen (mit Gitter oder Deckel verschlossen).
- Littering: Essensreste auch in kleinen Mengen nicht im Wald o. ä. entsorgen.
- Fütterung: Keinerlei Futterstellen für Wildtiere in Gärten oder Siedlungsnähe, «denn der Wolf folgt seiner Beute».
- Haustierfutter: Nicht im Freien anbieten, auch nicht bei Ställen.
- Nachgeburten: Nicht auf dem Miststock entsorgen.
- Hühner, Kaninchen und Kleintiere: Ausreichend schützen.
«Die Kommunikation von Behörden ist eminent wichtig», ist Manuela von Arx überzeugt. Sie ist stellvertretende Geschäftsführerin der Stiftung Kora und leitet das «Kommunikationsprojekt Wolf». Es sei ein Bedürfnis der Bevölkerung, über die Anwesenheit von Wölfen informiert zu sein und zu wissen, was es für den Alltag bedeutet, wenn man in einem Gebiet mit Wölfen lebt. «Die Kommunikation ist in erster Linie Aufgabe der Kantone und sie sollte zeitnah und transparent erfolgen», fährt sie fort. Ansonsten könne das Vertrauen in die Behörden leiden.
Faktenblätter von Kora
Trotz vorhandenem Bewusstsein für die Wichtigkeit der Kommunikation bei den kantonalen Ämtern sieht von Arx teilweise Verbesserungspotenzial. «Ungenügende finanzielle und fachliche Kapazitäten sind sicher ein wichtiger Grund dafür.» Oft würden für andere Massnahmen bereits viele Ressourcen gebunden, «und die Kommunikation kommt ein wenig zu kurz.»
Im Kommunikationsprojekt Wolf erarbeitet die Kora momentan Faktenblätter, die den Behörden zur Verfügung gestellt werden. Das Ziel dabei sei unter anderem, bei der Bevölkerung «das Bewusstsein für die Anwesenheit von Wölfen in der Schweizer Kulturlandschaft zu fördern», so Manuela von Arx.