Wer Militärdienst geleistet hat, kennt das Kommando «C-Alarm» nur zu gut. Erklingt der entsprechende Ruf oder ein Warnsignal, hat die Truppe unverzüglich die Atemschutzmaske aufzusetzen, Schutzkleidung anzuziehen und mit einem Kampfstoff-Angriff zu rechnen.
Chemische Kampfstoffe sind tückisch – mit den menschlichen Sinnen können sie häufig nicht wahrgenommen werden, bevor es zu spät ist. Folglich wird dem Schutz der Truppe vor solchen Stoffen grosse Bedeutung beigemessen, seit die gefährlichen Waffen im Ersten Weltkrieg erstmals eingesetzt wurden. Gemäss dem Grundsatz «Schutz von Mensch, Material und Maschine» wurden jedoch nicht nur Soldaten, sondern auch deren Pferde mit Schutzausrüstung ausgestattet.
Das Novum Gaskrieg
Als 1915 im belgischen Ypern durch deutsche Soldaten erstmals massiv Giftgas eingesetzt wurde, zeigte sich die nicht aktiv am Krieg beteiligte Schweizer Armee völlig überrascht. Angesichts der neuen Kampftechnologie musste entsprechende Gegenwehr zuerst aufgebaut werden. Eine erste Schweizer Sack-Gasmaske nach französischem Vorbild stand dann auch erst 1917 zur Verfügung.
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Wie dem Historischen Lexikon zu entnehmen ist, schützte das Modell jedoch nur ungenügend, so dass man sich 1918 für einen Nachfolger an Deutschland orientierte. Diese Schutzmaske wurde in kleiner Stückzahl an die Grenzschutztruppen verteilt.
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Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges mass man dem Gasschutz in der Schweiz weniger Bedeutung bei, doch weil die Bedrohungslage anhielt, wurde 1923 im bernischen Wimmis ein eidgenössisches Labor, die sogenannte Gasstelle, eingerichtet. Unterdessen war die internationale Politik bestrebt, der verheerenden Kriegsführung mit Gas einen Riegel vorzuschieben. Dazu wurden verschiedene Abkommen geschlossen, etwa das Genfer Protokoll, in dem der Gaseinsatz im Kampf offiziell geächtet wurde.
Gaseinsatz im 2. Weltkrieg
Die internationalen Bestrebungen fruchteten indes nur bedingt: Während sich die Kriegsparteien des Zweiten Weltkriegs beim Gaseinsatz auf europäischen Schlachtfeldern im Vergleich zum Ersten Weltkrieg zurückhielten – dies vor allem aus einer Patt-Situation heraus – setzte das japanische Kaiserreich in Asien sowohl biologische als auch chemische Waffen ein. Dabei töteten die Japaner nicht nur chinesische Truppen, sondern setzten wie die deutschen Nationalsozialisten auch Gas gegen Zivilisten ein.
Der Gaseinsatz in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten geht als ein besonders dunkles Kapitel in die Geschichtsbücher ein. Ab 1940 fielen der systematischen Vernichtung in den Gaskammern Millionen von Juden, Sinti und Roma, Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Behinderungen sowie politische Gegner, Homosexuelle und sogenannt «Asoziale» zum Opfer. Wie der Historiker Hans Ulrich Jost herausgearbeitet hat, wusste die Schweizer Führung ab 1941 Bescheid über die Verbrechen, welche die Deutschen in den besetzten Gebieten in Osteuropa verübten. Folglich musste man auch hierzulande auf das «Worst-Case-Szenario» eines Gaseinsatzes vorbereitet sein.
Und was geschah in der Schweiz?
Im eidgenössischen Labor in Wimmis entwickelte die Armee in der Zwischenkriegszeit bessere Atemschutzmasken; darunter die Gasmaske 33, die ab 1938 den eigens ausgebildeten Soldaten des Gasdienstes zur Verfügung stand. Auch zivile Vorbereitungen auf Gasangriffe wurden getroffen, denn es bestandenberechtigte Zweifel an der Wirksamkeit der internationalen Übereinkommen.
Zwischen 1937 und 1943 trieb die Eidgenossenschaft in Wimmis sogar eigene Rüstungs-bestrebungen im Gasbereichvoran. Aufgrund mangelnder Verfügbarkeit von Rohstoffen, Schwierigkeiten bei Fabrikation und Lagerung sowie eines viel zu geringen Ausstosses beendete man das Programm zwei Jahre vor Kriegsende.
Armee-Pferde zu Kriegszeiten
Die Schweiz setzte Pferde lange Zeit sowohl bei den sogenannten Dragonern in der Kavallerie als auch beim Train ein. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurde jedoch die Effizienz der Kavallerie in Frage gestellt , denn die Dragoner kämpften hauptsächlich zu Fuss und nutzten das Pferd fast nur für Verschiebungen.
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Spätestens im Angesicht der modernen Kriegsmittel im Ersten Weltkrieg schien das Fortbestehen der Kavallerie fraglich. So begann mit der Truppenordnung zur Mitte der 1920er-Jahre der Abbau der Dragoner-Kontingente. Das gleiche Schicksal ereilte auch die Truppen des Trains, die ihre Pferde vorwiegend zum Materialtransport einsetzten. Obwohl die Mobilisierung der Dragoner und des Trains während des Zweiten Weltkriegs die Bemühungen der Anbauschlacht hinderten – die Pferde fehlten in der Landwirtschaft und Futter war knapp – setzte die Schweiz weiterhin aufs Pferd, denn die Armee war bei weitem nicht durchgängig motorisiert.
Während sich ein grosser Teil der Truppen bei einem feindlichen Angriff in die «Alpenfestung» des Reduits zurückgezogen hätte, sollten die berittenen Truppen als einzige mobile Einheiten der Armee im Mittelland verbleiben und Fallschirmjäger abfangen. In dieser Zeit wirkte sich die Präsenz der berittenen Soldaten positiv auf die Moral und den Wehrwillen der Bevölkerung aus.
Mann und Pferd bilden eine Einheit
Wenn die berittene Truppe ihre Aufgaben wahrnehmen sollte, musste im Ernstfall nicht nur der Reiter, sondern auch das Reittier für alle Eventualitäten gerüstet sein. Folglich wurde nach internationalem Vorbild auch eine Schweizer Gasmaske für Pferde gefertigt, die ab 1944 zur Verfügung stand. Gefertigt wurden rund 6000 Exemplare, die grösstenteils aber bloss zu Übungszwecken Verwendung fanden. Zur Handhabung der Maske existierte – wenig erstaunlich für die Schweizer Armee – ein entsprechendes Reglement. Es gibt detailliert Auskunft über die Bestandteile, die «Montage» und das Anpassen sowie über die fachgerechte Reinigung der «masque à gaz puor chevaux».
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Die Atemschutzausrüstung für Pferde und Maultiere bestand aus der eigentlichen Maske, die in einem Beutel aus leinenem Zeltstoff verstaut wurde, einem auf Pferde ausgelegten Filter mit eigener, wasserdichter Tasche sowie aus Aufhängungsvorrichtungen und Riemen zur Befestigung am Reittier.
Alle wichtigen Bestandteile waren mit weissen Schildchen versehen, auf denen die Nummer des Pferdes vermerkt wurde. Um die Übertragung von Krankheiten zu verhindern, wurde die Atemschutz-Ausrüstung den einzelnen Pferden dauerhaft zugeordnet.
Fast wie das Modell für Menschen
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Grundsätzlich funktionierte die Gasmaske für Pferde wie ihr Pendant für Zweibeiner. Wie bei der Maske für Menschen war ihr Gummischlauch, der Maske und Filter verband, gewellt, um ihn knicksicher zu machen. Die Gummimembran im Ventil diente gleichzeitig als Ansaug- und Ausatemventil und der Filter wies die gleiche Konstruktion auf wie jener für die Truppe. Zum Schutz der Augen sollten «behelfsmässige Mittel» verwendet werden; das Reglement empfiehlt, eine feuchte Augenbinde über die Stirn des Pferdes gekreuzt anzubringen.
Am Pferd angebracht wurden Maske und Filtertasche mittels einer Halsplatte, die wiederum von Halsriemen und Gegengurten in Position gehalten wurden.
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Bei der Montage wurde der Oberkiefer des Pferdes so in das Innere der Maske eingepasst, dass ein Gummiband zwischen beiden Kiefern zu liegen kam. Die schwammigen Gummipolster im Inneren der Maske sollten gut auf das Nasenbein drücken, um sie dicht zu machen. Gemäss Reglement wurden Ober- und Unterkiefer des Pferdes mit einem Riemen zusammengebunden, damit das Tier durch die Nase atmen sollte. Die Trense wurde beim Maskeneinsatz nicht verwendet und das Pferd musste in der Regel an der Hand geführt werden.
Funktionieren in der Praxis
Das An- und Ablegen der Gasmaske funktionierte beim Ross ganz ähnlich wie beim Reiter. Dabei hatte der Soldat sich zuerst um seinen eigenen Schutz zu kümmern und danach um sein Pferd. Erklang der Ruf «Maske aufhängen», wurde sie in eine «Warteposition» am Pferd gebracht. Beim Kommando «Gas!» wurden Filter und Maske miteinander verbunden.
«Das Anziehen der Maske war eigentlich eine simple Sache – wenn das Pferd mitmachte»,erinnert sich Hans Neuen-schwander. Der Berner war Kommandant der Trainschulen und Trainchef des Gebirgsarmeekorps 3 und erinnert sich gut an die Gasmaske. «Die Pferde hatten sie nicht gerne an und auch ihre Leistungsfähigkeit war eingeschränkt», berichtet er. Da die Maske bloss die Nüstern bedeckt habe, nicht aber die übrigen Schleimhäute, sei der Wirkungsgrad nicht sehr gut gewesen. Auch sei man bei der Konstruktion der Maske einem Irrtum aufgesessen, weiss Neuenschwander: «Man ging davon aus, dass ein Pferd nicht durch das Maul atmet, deshalb wurde es nicht komplett abgedeckt. Doch Pferde tun das in Stresssituationen eben doch, womit die Maske in ihrer Wirkung arg beschränkt war.» Schliesslich sei die Gasmaske für Pferde 1988 abgeschafft worden und die Armee habe auf Schutzmassnahmen taktischer Natur gesetzt. «Die Maske war schlicht nicht mehr zeitgemäss», schliesst der ehemalige Kommandant.