Viele Kühe durften sich bereits an ihrem ersten Weidegang der Saison erfreuen. So auch die 28 Jersey-Milchkühe von Niklaus und Barbara Badertscher aus Madiswil BE. «Meistens lasse ich sie am ersten Weidetag erst am Nachmittag nach draussen. Aber am Folgetag wissen sie es bereits und man kann sie kaum noch im Stall behalten bis am Mittag», sagt Niklaus schmunzelnd. Seine älteste Schwester, Christine Badertscher, sitzt seit fünf Jahren als grüne Landwirtschaftspolitikerin im Nationalrat – und er hat zuhause den elterlichen Biobetrieb übernommen.
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Alles begann vor 30 Jahren
Aufgewachsen ist Niklaus Badertscher mit seiner Familie aber auf einem gepachteten Bauernhof im Emmental, mit viel steilen Weideflächen und anfänglich Swiss-Fleckvieh-Kühen. Vater Hans Badertscher erinnert sich zurück: «Ich habe schon immer gerne geweidet und dachte mir, dazu wären Jersey-Kühe noch gäbig», da sie gute Raufutterverwerter seien und ausgewachsen nur etwa 400kg wiegen. Als die Rasse 1995 in der Schweiz erlaubt wurde, kaufte er seine ersten zwei Jersey-Kühe und konnte ein Jahr später zwei weitere dazukaufen. Um die Jahrtausendwende musste Familie Badertscher die Pacht verlassen, konnte aber einige Zeit später ihren jetzigen Betrieb in Madiswil kaufen.
2011 baute Familie Badertscher den Stall zu einem Laufstall um. Nun bereits mit Sohn Niklaus Badertscher an Bord, entschieden sich Badertschers voll und ganz für die Rasse Jersey. Denn diese von Natur aus sehr neugierigen und aktiven Jersey haben es auch Niklaus Badertscher angetan.
«Die Auswahl der Jersey-Stiere ist relativ klein, besonders im Bio.»
Niklaus Badertscher, Betriebsleiter Biohof Badertscher
Silo- und Kraftfutterfrei
Während der Vegetationsperiode füttert Niklaus Badertscher seinen Kühen nur wenig Heu und Maiswürfel im Stall und setzt möglichst auf Vollweide. Die Futterration besteht aber auch im Winter nur aus wenigen Komponenten, denn die Herde wird silo- und kraftfutterfrei gefüttert. «Im Winter verfüttere ich Heu, Emd, Maiswürfel und Kartoffeln. Zusätzlich lassen wir auch jedes Jahr Gras in einer Trocknungsanlage zu rund 25 Tonnen Graswürfel verarbeiten. Diese dienen mir dann als ‹Kraftfutter›.» Badertscher verzichtet schon seit über zehn Jahren auf Kraftfutter, da er auf betriebseigenes Futter setzen möchte. Auch wenn Jersey auf vielen Betrieben intensiv gehalten werden, sind sie sehr gute Raufutterverwerter und können sich durchaus an eine extensivere Haltung gewöhnen – auch über die Jahre durch die Zucht. «Mir ist dies einmal aufgefallen, als ich eine Kuh zugekauft habe. Diese hatte auf dem vorherigen Betrieb vermutlich sehr viel Kraftfutter bekommen. Sie hatte dann schon Mühe, ihre Milchleistung noch zu erbringen», erklärt Badertscher.
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Die Rasse Jersey sei allgemein bekannt für ihre Anpassungsfähigkeit, nicht nur in der Fütterung, sondern auch bei klimatischen Veränderungen. Denn die Tiere seien hitzetoleranter und können im Vergleich zu anderen Rassen bis zu 4º C höhere Temperaturen verkraften, bestätigt auch André Stalder, Präsident von Swiss Jersey.
In der Zucht legt Badertscher viel Wert auf die Langlebigkeit und die funktionellen Merkmale der Kühe und dass sie möglichst viel Milch aus dem Grundfutter produzieren können. «Die Auswahl an Jersey-Stieren ist relativ klein, besonders im Bio, da die Stiere ET-frei sein müssen», erklärt der Landwirt. Sofern es keinen Schweizer Stier für die künstliche Besamung gibt, verwendet Badertscher meist dänische Genetik. Einen eigenen Stier für den Natursprung halten, möchte er aber nicht.
Betriebsspiegel Biohof Badertscher
Niklaus und Barbara Badertscher mit Jael (2020) und Elin (2024), Lehrling, Eltern Hans und Marianne
Ort: Madiswil BE
Viehbestand: 28 Kühe, 9 Rinder, 9 Kälber, 40 Legehennen, Skuddenschafe, 2 Esel
Milchmenge: 130 000 kg Milch pro Jahr mit 5,5 % Fett und 4,3 % Eiweiss; Milch wird an Emmi und Kalte Lust geliefert
LN und Kulturen inkl. Pacht: 26 ha, Kunstwiese, Weizen, Dinkel, Kartoffeln, Mais, Erdbeeren
Weiteres: Hofladen, Wärmeverbund mit 240kW-Ofen
Beliebtes Fleisch und kalte Lust
Für die Kälbermast eigne sich diese kleine Kuhrasse wenig, da Kälber bereits mit einem geringeren Gewicht auf die Welt kommen und durch ihre milchbetonten Eigenschaften weniger Fleisch ansetzen würden. Daher mästet Niklaus Badertscher die Jersey-Muni meist selbst. Sie werden mit etwa acht Monaten geschlachtet und das Fleisch wird direkt vermarktet. Jersey-Fleisch sei beliebt und lasse sich gut im Hofladen verkaufen, denn es sei sehr feinfaserig und schön marmoriert.
Manchmal lässt Niklaus Badertscher seine Kühe auch mit Mastrassen besamen. Denn Jersey überzeugen durch ihren leichten Geburtsablauf – auch bei Besamungen mit grösseren Mastrassen wie Limousin und Blaubelgier. Wie Badertscher selbst sagt, steht er in der Nacht nie auf, um nach einer kalbenden Kuh zu schauen.
Im Hofladen von Familie Badertscher wird aber nicht nur Fleisch verkauft: Beim Eingang weist ein grosses Roll-up-Banner der Glacemarke «Kalte Lust» auf weitere Leckereien im Hofladen hin. Denn mehr als ein Drittel der Milch sowie ein Teil der hofeigenen Erdbeeren wird von «Kalte Lust» zu feiner Glace verwertet. Das aus Olten stammende Glace-Startup hat bei der Herstellung von Rahmglace voll und ganz auf Schweizer Jersey-Milch gesetzt und hat Familie Badertscher bereits im 2017 für eine Zusammenarbeit angefragt.
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Aber auch weitere hofeigene Lebensmittel sowie Produkte anderer Biobetriebe verkauft Familie Badertscher im Hofladen. Am Milchautomat füllt ihre Kundschaft täglich rund 25 Liter Milch in die eigenen Glasflaschen ab. «Die Leute sagen schon, man merke es, dass die Milch viel fetthaltiger ist. Es gibt Kunden, die die Jersey-Milch super finden, und sie oft auch abrahmen. Aber es gibt auch Kunden, die nur ein einziges Mal Milch gekauft haben, da ihnen die Milch zu fettig ist», erzählt Niklaus Badertscher.
Förderung Schweizer Genetik
Obschon die Rasse Jersey weltweit sehr beliebt ist, gibt es in der Schweiz recht wenig Jersey-Tiere. Bis 1995 war die Rasse hierzulande noch verboten. Im Jahr 2024 waren 5261 Jersey-Kühe im Herdebuch von Braunvieh Schweiz angemeldet, was rund einem Prozent aller Milchkühe in der Schweiz entspricht.
Aufgrund der geringen Nachfrage von Besamungen mit Jersey-Stieren in der Schweiz haben es erst wenige Schweizer Stiere bis in den Besamungskatalog geschafft. Der Verein Swiss Jersey möchte mehr Schweizer Genetik für die Künstliche Besamung zur Verfügung haben und hat daher den Kontakt mit Braunvieh Schweiz und Swissgenetics gesucht. Um den Einsatz der Samendosen zu erhöhen, wird gemeinsam versucht, eine interessante Zusammenarbeit im Ausland zu finden. So könnten die Bekanntheit der Schweizer Genetik gefördert und die Chancen für die Vermarktung von Schweizer Stieren Dosen gesteigert werden. Eine solche Zusammenarbeit könnte eine Win-win-Situation für alle werden, meint André Stalder, Präsident von Swiss Jersey. Ob eine Zusammenarbeit zustande komme, sei von vielen Faktoren abhängig und noch unklar.