Die Wortwahl ist drastisch: Die Berner SP-Nationalrätin Ursula Zybach spricht von einem «Massensterben der Schafe», das es aufzuklären gelte.

Was unternimmt der Bundesrat?

Im März stellte Ursula Zybach eine Anfrage an den Bundesrat. «Bei gerissenen Schafen wurde ein sinkender Trend bestätigt» schreibt sie, «das effektive Drama ist jedoch das qualvolle Verenden der Schafe unabhängig vom Wolf.» Die meisten Todesfälle würden sich während der Sömmerung ereignen, 56 838 Tiere seien es insgesamt im Jahr 2024 gewesen. «Das sind 13 % des Bestandes, Trend zunehmend.» Vom Bundesrat wollte Zybach wissen, was er unternehme, um eine «unhaltbare Situation in der Nutztierhaltung» zu stoppen.

Über die letzten fünf Jahre habe die Anzahl verendeter Schafe gemäss Identitas-Tierstatistik kontinuierlich zugenommen, heisst es in der Antwort des Bundesrats. Die Zahl sei von 30 000 Tieren 2020 auf etwa 58 000 im Jahr 2024 gestiegen, bzw. von 7 % auf knapp 13 % der Population. «Todesfälle von Schafen haben verschiedene Ursachen, zum Beispiel Krankheiten, Tierseuchen, Haltungs- oder extreme Witterungsbedingungen», heisst es weiter. Wolfsrisse erklären nur einen kleinen Teil der verendeten Schafe, gleiches gelte für die seit Spätsommer 2024 festgestellte Blauzungenkrankheit. Der Bundesrat verweist bei Letzterem auf die Impf-Empfehlung. Ausserdem betont er die Verantwortung der Tierhaltenden und die Unterstützung in Form des Beratungs- und Gesundheitsdienstes für Kleinwiederkäuer. Zur Verbesserung des Tierwohls solle weiter das Moderhinke-Bekämpfungsprogramm beitragen, das im vergangenen Herbst gestartet ist.

«Wird weiter zunehmen»

Im Mai legt Ursula Zybach nach und reicht ein Postulat ein. Darin verlangt sie einen «Bericht mit Ursachenanalyse und konkreten Massnahmen, um die zu hohe Sterberate von Schafen zu reduzieren.» Der Bericht solle aufzeigen, welche Massnahmen von den Tierhaltenden ergriffen werden müssten, um diese Todesfälle zu verhindern und welche Gesetzesänderungen dafür zielführend wären. In den letzten 12 Jahren habe sich die Situation massiv verschlechtert, meint Zybach und nimmt damit Bezug auf eine frühere Antwort des Bundesrats zu Tierverlusten während der Sömmerung. 2013 hatte der Bundesrat es nicht für notwendig gehalten, die Rechtsgrundlagen für Tierhaltende zu verschärfen. «Ohne griffige Gegenmassnahmen wird das Sterben der Schafe weiter zunehmen», befürchtet die Nationalrätin.

Der Bundesrat lehnt die Erstellung eines Berichts zwar ab, erwähnt in seiner Stellungnahme aber laufende Abklärungen des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Es sei daran, die Gründe für die hohe Sterblichkeitsrate bei Schafen zu ermitteln. «Daraus wird sich ergeben, ob und welcher Handlungsbedarf besteht», so der Bundesrat.

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Nicht durchgehend präzise

Lukas Berger, Präsident des Schweizerischen Schafzuchtverbands (SSVZ) weist auf Schwächen in der Datenlage hin. «Die vom Bundesamt für Statistik veröffentlichten Zahlen zu den Schafabgängen basieren auf Meldungen in der TVD, die am 1. Januar 2020 eingeführt wurde», erklärt er. In den ersten Jahren nach der Einführung sei die Datenpflege durch viele Schafhaltende noch nicht durchgehend präzise gewesen. «Dies hat die Vergleichbarkeit der Daten aus den Anfangsjahren mit den aktuellen Zahlen erschwert.»

Laut Berger fand nun aber mit dem Start der nationalen Moderhinke-Sanierung eine umfassende Bereinigung und Aktualisierung der TVD-Tierdaten statt. «Diese verbesserte Datenqualität erlaubt jetzt differenziertere Analysen», sagt der SSZV-Präsident. So habe eine Auswertung der Herdebuchtiere – die rund ein Drittel des Schweizer Schafbestands ausmachen – ergeben, dass die Abgangsquote hier deutlich tiefere liege, namentlich bei etwa 7 %. «Dieser Wert dürfte somit dem Niveau anderer Nutztierarten entsprechen.»

Auffallend viele junge Lämmer

Aufgefallen sei allerdings der hohe Anteil an Abgängen bei den sehr jungen Lämmern, fährt Lukas Berger fort. Rund 50 % der Abgänge betreffen demnach Tiere unter einem halben Jahr. «Dabei ist zu betonen, dass der Begriff ‹verendet› missverständlich ist», hält er fest. Kaum Tiere würden unbetreut sterben oder durch mangelhafte Haltung. Aber auch gut betreute Schafe könnten schwer erkranken oder Verletzungen erleiden, sodass sie im Sinne des Tierschutzes erlöst werden müssten. Berger nennt hier als konkretes Beispiel die Blauzungenkrankheit. «Zahlreiche Schafe konnten aufgrund eines schweren Seuchenverlaufs nicht behandelt werden und mussten eingeschläfert werden.» Die Statistik von Identitas bestätigt dies mit einem deutlichen Peak der Verendungen im Jahr 2024.

Ein weiterer Punkt sei die beschränkte Aussagekraft der TVD-Daten zu den Todesursachen, da für «verendet» kein Grund angegeben werden kann. «Wäre dies möglich, liessen sich Todesursachen gezielter analysieren und daraus wirkungsvolle Präventionsmassnahmen ableiten», bemerkt Lukas Berger. Er versichert, der SSZV setze sich weiterhin aktiv für die Förderung der Tiergesundheit sowie eine Verbesserung der Datenlage ein und wolle gemeinsam mit den Behörden Lösungen entwickeln.

Das Postulat mit der Forderung nach einem Bericht in dieser Sache muss noch im Parlament behandelt werden.