Im Frühjahr 1981 konnten wir, meine Frau Erika und ich, als junge Bauernfamilie den Hegihof in Zell LU als Betriebsleiter und Jahre später als Pächter übernehmen. Schon mein Vater und Grossvater waren Viehzüchtermit Herzblut. So sind auch mir die Braunvieh-Kühe ans Herz gewachsen. Bei der Übernahme des Betriebes konnten wir einen grossen Teil des Braunviehbestandes aus der Steigerung des Vorgängers übernehmen.
Zwei unterschiedliche F1-Rinder
Zwei Rinder sind mir damals besonders ins Auge gestochen. Die zweijährige Performer-Tochter Perla fiel mit ihren weissen Locken auf der Stirn auf, die Jetwind-Tochter Mörli als ziemlich scheuer Jährling. Beides waren F1-Tiere, also als Mutter eine reine Original-Braunviehkuh, auf der Vaterlinie war ein US-Brown-Swiss-Stier zu finden.
Wegen hoher Persistenz behalten
Als frischgekalbte Erstmelken waren beides gute Kühe mit durchschnittlichen Einsatzleistungen von gut 20 Liter, jedoch war die Persistenz von beiden sehr hoch. Auch wenn keine der beiden je 40 kg Tagesmilch gab, entwickelten sie sich in den folgenden Laktationen zu Ausnahmekühen. Perla wurde zu einer formatstarken und schweren Kuh und überschritt in der 6. Laktation die Milchmenge von 10 000 kg. Sie war die erste Kuh in unserer Region, die eine so hohe Leistung erreichte.
Die jüngere Mörli lief immer etwas im Schatten von Perla, denn die Aufmerksamkeit des Bauern liegt ja meistens bei der besten Kuh. Die Jetwind-Tochter war eine etwas scheue, aber gegenüber uns Menschen eine anhängliche Kuh. Sie wies einen etwas leichteren Körperbau auf, war aber auch äusserst produktiv und lag bei der Milchleistung nur um 500 kg hinter Perla. Obwohl Mörli zwei Aborte hatte, verblieb sie dank ihrer hohen Persistenz auf dem Betrieb.
Klare Hierarchien
Auf der Weide waren die beiden Kühe unzertrennlich, die stärkere Perla schützte die schwächere Mörli vor Angriffen anderer Artgenossinnen. In den 1990er-Jahren nahmen wir jeweils mit mehreren Kühen an der Amtsschau in Willisau LU teil. Dort durften wir die Plakette für die höchste Lebensleistung sieben Jahre nacheinander zuerst für Perla, später für Mörli entgegennehmen. Der Heimmarsch mit allen Kühen, die wir mit Blumen schmückten, war immer der Höhepunkt der Amtsschau. Auch da war die Hierarchie klar: Perla lief mit der grössten Fahrtreichel jeweils in Front, dicht gefolgt von Mörli.
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1992 und 1994 erlebten wir unsere Höhepunkte als Züchterfamilie: Zuerst konnte Perla und dann Mörli eine Zuchtfamilie mit je fünf weiblichen Nachkommen stellen. Bald danach schaffte Perla als 15-jährige Kuh die 100 000 kg Lebensleistung, ein Jahr später überschritt Mörli diese Schallmauer ebenfalls. Mit 17 Jahren musste Perla nach einer Verletzung am Sprunggelenk geschlachtet werden und Mörli trat aus dem Schatten ihrer langjährigen Gefährtin.
Aus dem Schatten von Perla
Mörli war nun unser alleiniger Liebling im Stall, obwohl eine Beatus-Tochter mittlerweile ebenfalls die 100 000er-Grenze überschritten hatte. Im Januar 2000 feierte Mörli den 20. Geburtstag. Ein aussergewöhnliches Alter für eine Kuh. Zwei Jahre lang war sie mit über 130 000 kg Milch schweizweit die Braunviehkuh mit der höchsten Lebensleistung. Mörli hatte sieben weibliche Nachkommen, die ebenfalls leistungsstarke Kühe mit guter Persistenz wurden. Eine Enkelin brachte es ebenfalls auf über 100 000 kg. Im Alter von fast 21 Jahren hatte sie dann eine Schwergeburt. Sie erholte sich nicht mehr und musste eingeschläfert werden.
Meine Kühe sind mir stets ans Herz gewachsen. Eine gute Betreuung und eine Fütterung mit viel Raufutter waren mir immer wichtig. Entscheidend war auch das Weidemanagement, damit die Tiere auf der Vollweide genügend Futter aufnahmen. Das tägliche Striegeln und Bürsten der Kühe sowie das tägliche Umhängen der Glocken oder Treicheln für den Weidegang waren für die Beobachtung der Tiere ebenfalls wichtig.
Glockengeläut wird vermisst
40 Jahren durften wir auf dem Hegihof Vieh betreuen. Nach meiner Pension 2020 wurde der Pachtbetrieb verkauft. Mein Vieh konnte ich an Züchterkollegen, Nachbarn und ehemalige Lehrlinge verkaufen, sodass ich heute noch weiss, in welchem Stall meine Kühe stehen. Ich vermisse das Glockengeläut meiner Braunviehherde mit den prägenden Tieren wie Perla und Mörli.
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