Was hat Sie so lange am Aviforum gehalten?
Ruedi Zweifel: Das Dreieck zwischen Branchenmitgliedern, Bundesämtern und Kantonen, wie es im Stiftungsrat des Aviforums vorgegeben ist, ist einzigartig. Ich fand es interessant, mit den verschiedenen Stiftungsmitgliedern und Partnern/Interessierten zusammenzuarbeiten. Wir hatten immer ein gemeinsames Ziel: Schweizer Geflügel und Eier bekannt machen und weiterentwickeln.
«Wir haben alles Mögliche gebrütet.»
Der Brutkasten zu Hause bleibt Ruedi Zweifel als Kindheitserinnerung.
Im Schweizer Eier- und Geflügelmarkt ist in dieser Zeit viel passiert.
Die Zahlen sprechen für sich: Zwischen 2002 und 2022 erhöhte sich der Inlandsanteil bei den Eiern von 52 auf 69 Prozent und beim Geflügelfleisch von 45 auf 66 Prozent. Das ist nicht ein Leistungsausweis des Aviforums, sondern der ganzen Branche. 2002 hat sich der Stiftungsrat die Frage gestellt, wie es weitergehen soll. Damals war das Tierschutzgesetz seit zehn Jahren in Kraft, und man merkte, dass die Konsumierenden Schweizer Eiern und Geflügelfleisch zunehmend den Vorzug gaben. Das war nicht selbstverständlich, da Schweizer Produkte im Laden teurer waren. In den umliegenden Ländern begann sich die Tierschutz- oder Tierwohlidee damals eben erst zu entwickeln.
Zur Person
Ruedi Zweifel ist gelernter Landwirt und Ingenieur-Agronom ETH. Nach dem Studium arbeitete er im technischen Dienst einer Futtermühle, ein Jahr verbrachte er in den USA. Danach war er in der Produktionsleitung eines Mastintegrators tätig. Von dort aus wechselte er ans Aviforum.
In Ihre Zeit ist die Reorganisation des Aviforums gefallen.
Diese Reorganisation hat der Stiftungsrat selbst angestossen. Unsere Gründer waren die Rassegeflügelzüchter. Sie sind als Baurechtgeber zum Tarif null auch heute noch unsere grössten Sponsoren, dafür sind wir sehr dankbar. Die Reorganisation war der Weg, den Branchenvertretern sowie den Bundes- und den Kantonsstellen im Stiftungsrat das entsprechende Gewicht zu geben.
2009 wurde ein BTS-Versuchslegestall und ein Jahr später ein BTS-Pouletmaststall gebaut – was bedeuteten diese Bauten für das Aviforum?
Diese waren das Bekenntnis der Stiftung zum Standort Zollikofen und zur praxisnahen Forschung für die Eier- und Pouletproduktion. Einen Versuchsstall mit BTS-Vorgaben gab es damals europaweit noch nicht – mittlerweile gibt es drei davon, nach unserem wurden in Deutschland noch zwei gebaut. Es ist immer schön, wenn man kopiert wird (lacht). Die beiden Ställe sind nun über zehnjährig und sind immer noch praxisrelevant. Sie sind exakt gleich eingerichtet wie ein Praxisbetrieb, einfach unterteilt in Versuchsgruppen. Darum sind Versuchsergebnisse aus unserem Betrieb in der Branche sehr gut anerkannt. Durch unsere Mieter im zweiten Stock – dem Zentrum für tiergerechte Haltung von Geflügel und Kaninchen Zollikofen – wurde an unserem Standort auch die Grundlagenforschung auf- und ausgebaut. Dafür erstellte die Stiftung Aviforum 2017 einen neuen Prüf- und Bewilligungsstall und vermietet ihn nun dem BLV.
«Die Agenda ist vom August an wieder schön gefüllt.»
Ruedi Zweifel freut sich auf seine Pensionierung. Langweilig werden sollte es ihm nicht.
Es stehen weitere Stallbauten an, richtig?
Genau. Für die beiden letzten Ställe des Versuchsbetriebes aus den Jahren 1966/1967 sind die Tage gezählt. Das Aviforum wird in Kürze mit einem neuen, modernen Aufzucht- und Legestall die Schweizer Eierproduktion unterstützen. Die Baubewilligung liegt vor.
Ihnen lag auch der Beruf der Geflügelfachleute EFZ am Herzen. Was konnten Sie hier erreichen?
Wir waren als landwirtschaftlicher Spezialberuf ursprünglich direkt dem BLW unterstellt. Mit dem neuen Berufsbildungsgesetz wären wir einer der Kleinstberufe gewesen, der aufgelöst worden wäre. Die Idee war, von 300 auf 100 Berufe zu reduzieren. Wir wurden dann Gründungsmitglied der Organisation der Arbeitswelt (ODA) Agri Ali Form. Zusammen mit den landwirtschaftlichen Lehrverhältnissen erreichten wir das nötige Gewicht und wurden mit den anderen landwirtschaftlichen Spezialberufen gut aufgenommen. In der aktuell laufenden Revision der beruflichen Grundbildung ist der Weg vorgespurt, dass Geflügel in Zukunft eine Fachrichtung der Landwirtschaft wird. Das haben unsere Berufsbildner einstimmig entschieden.
Der Ausstieg aus dem Kükentöten steht in der Schweiz an – ist die Branche bereit?
In der Schweiz zeichnen sich zwei mögliche Wege ab: Bio Suisse hat einen Grundsatzentscheid gefällt und setzt auf das Zweinutzungshuhn sowie die Aufzucht von Bruderhähnen. In der konventionellen Produktion wird auf die Geschlechtsbestimmung im Brutei gesetzt. Die grosse Chance ist, dass die Schweizer Wertschöpfungskette gemeinsam eine Lösung finden will. Es sieht vielversprechend aus, dass in den beiden Schweizer Brütereien solche Anlagen in Betrieb genommen werden. Dann werden in der Schweiz Legehennenküken schlüpfen, ohne dass ein Bruder getötet werden muss. Wenn es Gallo Suisse gelingt, dieses Vorhaben umzusetzen, wird dies europaweit eine Vorzeigelösung.
Welches sind für Sie aktuell die grössten Herausforderungen im Schweizer Geflügelsektor?
Es gibt viele Baustellen. In erster Linie geht es darum, was in der Schweiz an Produktion von Lebensmitteln noch gewünscht sein wird. Es wird Stimmen für mehr Biodiversität und Extensivierung geben und solche, die sich Gedanken über die Inlandversorgung machen. Wir stehen im Geflügelsektor bei zwei Dritteln Inlandversorgung. Die Branche hat sehr viel dafür investiert und ist willens, diesen Anteil zu halten und wo möglich noch auszubauen.
Hat sich Ihre Faszination für das Huhn schon als Kind abgezeichnet?
Wir hatten zu Hause immer Hühner und einen alten Brutkasten. Damit haben wir vom Wachtel- bis zum Gänseei alles gebrütet und dann aufgezogen. Das Interessanteste war, als Schüler auf die Eiertour zu gehen und damit das Sackgeld aufzubessern. Es war dann doch eher ein Zufall, dass ich im Geflügelsektor gelandet bin. Es bot sich die Gelegenheit, mit einem Praktikumsjahr in den USA in der Geflügelproduktion zu spezialisieren. Daraus ergaben sich Arbeitsstellen im Futter-, Produktions- sowie Verkaufsbereich. Am Aviforum liessen sich anschliessend die Ausbildung, die Forschung und Dienstleistungen für die drittwichtigste Nutztiergattung verbinden und als KMU entwickeln.
Essen Sie lieber Poulet oder Eier?
Beides gerne, einfach zu anderen Zeiten. Am Sonntagmorgen ein wachsweiches Ei. Das Poulet vom Grill dann am Abend auf der Terrasse.
Wie sind Ihre Pläne für nach der Pensionierung?
Ich habe verschiedene Hobbys und einige Mandate, die mich beschäftigen werden. Die Agenda ist vom August an schon wieder schön gefüllt. Ich freue mich darauf, Zeit für Dinge zu haben, die mich interessieren und für die ich gerne zur Verfügung stehe.