Wegen Corona geht eine andere Herausforderung, nämlich der Vormarsch der Afrikanischen Schweinepest (ASP), beinahe ein wenig vergessen. Seit den ersten Fällen bei Wildschweinen in Deutschland können Schweizer Schweinehalter keine Epidemieversicherung mehr abschliessen. Nun gilt es, die Bestände zu schützen. Nicht nur vor den Wildschweinen, sondern auch vor Zweibeinern, wie Uni-Professor Xaver Sidler erklärt.
Xaver Sidler, in Deutschland, an der Grenze zu Polen, wurde bereits bei rund 100 Wildschweinen ASP nachgewiesen. Muss das die Schweizer «Söieler» beunruhigen?
Xaver Sidler: Die Tatsache, dass sich ASP seit Jahren vom Osten ständig gegen Westen ausbreitet, ist schon bedenklich. Zumal viel zur Bekämpfung der Ausbreitung unternommen wurde und auch in absehbarer Zukunft kein Impfstoff verfügbar sein wird. Es ist leider nur eine Frage der Zeit, bis der Erreger über Wildschweine auch in die Schweiz getragen wird. Allerdings breitet sich eine ASP-Infektion über Wildschweine nur zirka 50 bis 100 km pro Jahr aus und es würden viele Jahre vergehen, bis die Infektion in der Schweiz ankäme. Eine viel grössere Gefahr stellt der landesübergreifende Tier-, Waren- und Personenverkehr dar. Damit kann ein Erreger innert Tagen über Tausende von Kilometern verbreitet werden.
Was ist Ihrer Meinung nach in der Schweiz wahrscheinlicher: Einschleppung über den Menschen oder Wildschweine?
Ganz klar über den Menschen! So zynisch es klingen mag, aber der partielle Lockdown wegen Covid-19 trägt im Moment sicher zu einer langsameren Verbreitung von ASP bei. st es überhaupt möglich, dass die Schweiz mit dem Schrecken davonkommt, bzw. es zu keiner Einschleppung kommt? Theoretisch schon, realistisch ist es aber nicht. Mit Sars-CoV-2 wird uns täglich vor Augen geführt, wie schnell sich ein Virus ausbreiten und wie hartnäckig es sich in einer Population halten kann. Im Gegensatz zu Covid-19 ist ASP aber keine Tröpfcheninfektion, sondern wird über Tierkontakt, respektive belebte und unbelebte Vektoren weiterverbreitet.
Zur Person - Xaver Sidler
Der Luzerner war praktizierender Tierarzt mit eigener Praxis, bevor er von der Veterinär-Fakultät der Uni Zürich zum Leiter Schweinemedizin ernannt wurde.
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Wie steht es um die Biosicherheit auf den Betrieben? Glauben Sie, dass die Schweizer Schweinehalter gerüstet sind?
Da habe ich grosse Zweifel! Wie viele Produzenten haben wirklich Massnahmen unternommen, um das Risiko eines Eintrags von ASP-Viren in den Schweinestall zu reduzieren oder einen direkten Kontakt der Schweine im Auslauf oder auf der Weide mit Wildschweinen zu verhindern? Ich denke da an konsequentes Betreten eines Stalles über eine Hygieneschleuse mit Kleider- und Stiefelwechsel, Instruktion von fremdländischen Mitarbeitern oder an konsequente Schadnagerbekämpfung oder Ausschluss von Hunden und Katzen vom Schweinestall. Auch der Import von Futtermitteln wie Donausoja oder Dinkelspreuimport aus der Ukraine stellen Gefahren dar, welche wir keineswegs im Griff haben. Man muss sich bewusst sein, dass auch eine thermische Behandlung, also die Pelletierung der Futtermittel in der Futtermühle, die ASP-Viren nicht abtötet. Wer sich vermehrt über Biosicherheitsaspekte informieren möchte, dem empfehle ich unter www.gesunde-nutztiere.ch das E-Learning Tool zu Biosicherheit sowie die entsprechenden Leitfäden zu studieren und sich mit dem Check zur Beurteilung der Biosicherheit auf dem Betrieb oder sich mit der ASP-Ampel der Suisag intensiv zu befassen. Denn gemäss Tierschutzverordnung Art. 5 ist der Tierhalter oder die Tierhalterin verpflichtet, «geeignete Massnahmen zum Schutz der Tiere zu treffen».
Und die Behörden bei uns, sind denn sie vorbereitet?
Ich kann nur hoffen, würde auch hier nicht die Hand für alle ins Feuer legen. Szenarien auf dem Papier vorzubereiten, ist sicher gut und richtig, aber ob diese dann im Ernstfall auch taugen, wird sich erst noch weisen müssen. Wichtig ist eine möglichst frühzeitige Erkennung eines ASP-Ausbruchs, um das Ausbruchsgebiet möglichst einschränken zu können. Ich würde es sehr begrüssen, wenn in den nächsten Jahren sowohl Behörden wie auch Gesundheitsdienste aber auch die Bestandstierärzte den Biosicherheitsaspekten auf den Betrieben vermehrt Aufmerksamkeit schenken würden.
Nehmen wir an, ein grosser Mastferkelproduzent in der Ostschweiz hat einen Ausbruch und bereits mehrere Mäster beliefert. Wie schwierig wird die Eindämmung?
Die Eindämmung der ASP bei Hausschweinen ist im Gegensatz zur Ausbreitung bei Wildschweinen einfacher. Betroffene Betriebe müssten umgehend alle Kontaktbestände keulen und in einem bestimmten Radius alle Betriebe zum Abschluss von ASP getestet werden. Das ist kostenintensiv, aber in kurzer Zeit machbar. Viel schwieriger ist die ASP-Bekämpfung bei den Wildschweinen, denn bis die Krankheit entdeckt wird, können unter Umständen Wochen und Monate vergehen, in welcher sich die ASP ungehindert in der Wildschweinepopulation ausbreiten kann. Wie Erfahrungen in Tschechien und Belgien zeigen, ist auch die Ausrottung in den Wildschweinebeständen möglich, aber sehr zeitintensiv. Es ist zu hoffen, dass die Ausrottung auch in Deutschland gelingt, aber bis dahin werden die Schäden wegen des Exportverbots von Schweinefleisch enorm sein und viele Existenzen kosten.
ASP-Risikoampel:
www.suisag.ch (für Kunden) oder www.risikoampel.uni-vechta.de