Wenn es im Rindviehstall mit der Fruchtbarkeit hapert, kommen dafür mehrere Auslöser infrage. Einige sind in der Futterkrippe zu finden oder aber sie fehlen dort und das Tier erleidet einen Mangel. Fruchtbarkeitsprobleme belasten die Tierhaltenden und sie haben finanzielle Folgen. Wenn auch zunehmend über eine Verlängerung der Zwischenkalbezeit nachgedacht wird – soll die Kuh Milch geben, muss sie immer mal wieder ein Kalb gebären.
Insbesondere Zweinutzungsrassen legen bei langen Zwischenkalbezeiten gerne ein Fettpolster an. Das führt wiederum zu Stoffwechselproblemen und verschlechtert bei jeder weiteren Laktation die Fruchtbarkeit. Fruchtbarkeitsstörungen und Euterkrankheiten gehören zu den häufigsten Abgangsursachen der Schweizer Milchkühe.
Mais kann der Sünder sein
Ein Sündenbock für Fruchtbarkeitsstörungen ist eines der Lieblingsfuttermittel der Schweizer Bäuerinnen und Bauern: Mais(silage). «Immer wieder ist zu beobachten, dass mit Mais gefütterte Milchkühe Fruchtbarkeitsprobleme haben können, die durch die Reduktion des Maisanteils in der Ration zu beheben sind», weiss André Ackermann, Inhaber der Firma Animal Med in Oensingen, die sich auf einen vermehrten Einsatz der Komplementärmedizin spezialisiert hat.
Was sind die Gründe dafür, dass Mais für Fruchtbarkeitsprobleme verantwortlich gemacht werden muss? Grundsätzlich sei Mais wegen des hohen Energiegehalts ein wertvolles Futtermittel und deshalb auf vielen Betrieben auch unverzichtbar. In der Nährstoffzusammensetzung bestünden zwischen Grünmais und Maissilage nur geringe Unterschiede. Da es sich in beiden Fällen um eiweiss- und calciumarme Futtermittel mit mittlerem bis niedrigem Rohfasergehalt (Struktur) handelt, müsse für eine ausgewogene Milchviehration Grassilage oder Heu zugefüttert werden. «Doch auch mit weitgehend ausgeglichener Grundfütterung kann es bei Verfütterung grösserer Maismengen zu verstärkter Zystenbildung, Brunstschwäche oder Dauerbrunst, unregelmässigen Brunstintervallen, verstärktem Abgang von wässrigem Vaginalschleim sowie Konzeptionsstörungen und Aborten kommen», weiss Ackermann und erklärt auch gleich, warum das so ist: «Pflanzen können Inhaltsstoffe aufweisen, die eine hormonähnliche, östrogene Wirkung im tierischen Organismus entfalten. Diese Pflanzenöstrogene, die zur Gruppe der Phytohormone gehören, sind als das Pflanzenwachstum beeinflussende Stoffe normale Bestandteile von Futterpflanzen. Sie können sich jedoch bei einem hohen Gehalt bzw. bei Aufnahme grosser Mengen vor allem bei Milchkuh und Schaf negativ auf die Fruchtbarkeit auswirken.»
Auch bei Luzerne beobachtet
Chemisch handle es sich bei diesen Phytohormonen um ganz andere Verbindungen als die vom Tier produzierten Östrogene. Beide greifen jedoch an den gleichen Rezeptoren der Geschlechtsorgane an. Durch Phytoöstrogen bedingte Fruchtbarkeitsstörungen seien ausser durch Fütterung grosser Mengen Maissilage auch nach Gaben von Luzerne, verschiedenen Kleesorten und Zuckerrübenblättern nachgewiesen worden. Der Gehalt der Phytohormone wird durch bestimmte Arten und Sorten, aber auch durch Pilzbefall beeinflusst.
Wie die körpereigenen Östrogene haben auch die Phytoöstrogene einen Einfluss auf das Euter. So kann es vorkommen, dass nichttragende Rinder trotzdem eine starke Euterentwicklung aufweisen. Die negativen Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit sind durch eine Kombination der Phytoöstrogene mit den körpereigenen Östrogenen der Tiere bedingt.
Einen weiteren negativen Effekt beschreibt André Ackermann darin, dass festgestellt werden konnte, dass die Wirkung der Phytohormone bei einer Schädigung der Leber am grössten ist. Grund dafür ist, dass die östrogenen Substanzen dann nur noch beschränkt abgebaut werden können. «Geht man nach Untersuchungen davon aus, dass die meisten Milchkühe zumindest subklinisch leberkrank sind, so können schon geringe Gehalte an Phytohormonen in den Futterpflanzen zu Störungen im Tier führen», erklärt er und ergänzt, dass hier erneut deutlich werde, dass die Leber das zentrale Stoffwechselorgan im Körper sei. «Eine gesunde Leber kann einen Überhang an anflutenden Phytoöstrogenen abbauen, so dass auch grössere Maisanteile in der Ration problemlos von den Tieren toleriert werden.»
Versuchsweise reduzieren
André Ackermann rät daher, die Maisration zu überprüfen. «Während auf dem einen Milchviehbetrieb bereits 15 kg Maissilage pro Tier und Tag zu viel sein können, tolerieren Kühe auf anderen Betrieben unter Umständen weitaus grössere Mengen. Können andere Ursachen für die Fruchtbarkeitsstörungen nicht ausgemacht werden, sollte man daher versuchsweise den Maisanteil in der Ration reduzieren. Mit dem Abklingen der Erscheinungen kann aber erst nach etwa zwei Monaten gerechnet werden», bilanziert er.