Die Tiergesundheit scheint die Parlamentarier wenig zu interessieren. Diesen Schluss lässt zumindest der Besucherandrang am Parlamentarieranlass von Mitte Juni mit dem Titel «Nutztiergesundheit in der Schweiz – Herausforderungen und Lösungsansätze» zu.

«Es war ein guter Networking-Anlass», sagt Urs Brändli, Präsident von Bio-Suisse. Brändli nahm in seiner Funktion als Präsident von Kometian (Komplementäre Tiermedizin Schweiz) am Anlass teil.

Viele der Teilnehmenden hätten bereits mit Tiergesundheit oder Tierwohl zu tun. Der Anlass habe aber eigentlich zum Ziel gehabt, Parlamentarier(innen) Wissen zu vermitteln, und zwar über Tiergesundheit und die Reduktion von Medikamenten – insbesondere Antibiotika. Aber das Interesse daran blieb verhalten.

Sollte, aber …

Antibiotika-Datenbank Milchkühe und Rinder werden am häufigsten mit Antibiotika behandelt Monday, 5. December 2022 Wie Urs Brändli sagt, war er bislang noch nie Gast im «Landwirtschaftlichen Klub der Bundesversammlung» und könne daher auch nicht beurteilen, ob die Besucherschaft auch sonst wenig Interesse an den dort behandelten Themen zeigt. «Das Thema Antibiotika und Resistenzen sollte uns alle zwar beschäftigen. Aber die grossen Schlagzeilen schreiben andere Aktualitäten», so Brändli und ergänzt Beispiele wie Klima, Trockenheit, Wolf, oder Biodiversität.

Als Kometian-Präsident sagt Urs Brändli, dass dank dem 2022 abgeschlossenen Ressourcenprojekt Kometian gut aufzeigen und dokumentieren konnte, dass sich mit dem Einsatz von komplementärmedizinischen Methoden der Verbrauch von Antibiotika deutlich reduzieren lasse. Die hohe Kundenzufriedenheit von fast 100 % untermauere diese Resultate zudem. Und dennoch räumt er ein: «Dass man insbesondere der Homöopathie gegenüber kritisch sein kann, ist für mich nachvollziehbar. Den Wandel vom Skeptiker zum erfolgreichen Anwender hatte ich in den Neunzigerjahren ja selbst erlebt.»

Gefragt nach der Skepsis der Tierärzte, als möglichen Grund für den nach wie vor schweren Stand der Alternativen, sagt Urs Brändli: «Mein Glück war, dass unser Bestandestierarzt nicht nur sehr offen gegenüber Homöopathie war, sondern mich aktiv in der Anwendung unterstützte. Leider sind solche Tierärzte immer noch selten.»

«Leider sind solche Tierärzte noch selten.»

Urs Brändli, Präsident von Kometian.

Marge als Anreiz

Einen «Fehler im System» ortet Urs Brändli im Umstand, dass Tierärztinnen und Tierärzte einen Teil ihres Einkommens über den Verkauf von Medikamenten (Marge) generieren. «Dies bietet wenig Anreize, die Abgabe von Medis zu minimieren», ergänzt er.

«Leider sind wir Bauern uns nicht gewohnt, für Beratung im Tiergesundheitsbereich zu bezahlen», weiss er zudem. Für Produkte würde anstandslos der verlangte Preis bezahlt, auch wenn die Beratungskosten darin versteckt seien. Aber «nur» Beratung? Da stösst laut Brändli auch der Kälber-Gesundheits-Dienst (KGD) an seine Grenzen. Die einzige Organisation, die das sehr gut geschafft habe, sei der Schweine-Gesundheits-Dienst (SGD). «Da haben aber Handel, Schlachtbetriebe und der Detailhandel für den nötigen Druck gesorgt. Bei der Rindergattung sind wir weit davon entfernt», sagt er.

Ändern lässt sich das laut Brändli, «wenn alle Tiergesundheitsprodukte und Medikamente zu einem Fix- oder Richtpreis abgegeben werden müssten und dementsprechend die Beratung – egal durch wen – separat in Rechnung gestellt würde.» Dies müsste aber vom Gesetzgeber so gefordert werden, ist er sicher. Und da die Humanmedizin gleichermassen betroffen sei, hat Brändli wenig Hoffnung. «Wir werden den Wert der Antibiotika erst wirklich erkennen, wenn sie ihre Wirkung verloren haben.» Bis dahin sieht der Präsident von Kometian diejenigen, die gute Erfahrungen mit komplementärmedizinischen Methoden gemacht haben, als wichtigste Botschafter.

Braunvieh ist aktiv

Auch erste Zuchtverbände befassen sich mit dem Thema. In führender Position scheint hier Braunvieh Schweiz zu sein. «Wir wissen nicht zuletzt aus unseren regelmässigen Kundenumfragen und aufgrund der Rückmeldungen aus der Kundenbetreuung, dass sich ein Teil unserer Mitglieder für diese Themen interessiert respektive sie auch im täglichen Umgang mit ihren Tieren anwendet», sagt Jörg Hähni, Fachbereichsleiter Marketing und Verkauf bei Braunvieh Schweiz. Nicht erst seit der vor zwei Jahren erarbeiteten Verbandsstrategie 2030 sei mit der gezielten Ausrichtung auf Nachhaltigkeit ein Fokus auch auf Tierwohl und Tiergesundheit. «Schon mindestens seit Ende der Neunzigerjahre ist dies ebenfalls ein wichtiger Aspekt im Zuchtziel für eine fitte und langlebige Eiweissrasse beim Braunvieh – sei es für die Zuchtrichtung Brown Swiss oder Original Braunvieh», so Hähni.

Braunvieh Schweiz gebe den Themen Phytotherapie und Homöopathie deshalb auch eine kommunikative Plattform. So war Homöopathie gerade in diesem Frühjahr Thema beim Züchteranlass «Braunvieh bi dä Lüüt». Dort kämen stets externe Expertinnen und Experten zu Wort in der Hoffnung, den zahlreichen Interessierten wichtige Informationen zu diesen Themen weiterzuvermitteln. «Selbstverständlich liegt es aber bei jeder Züchterin und jedem Züchter selber, zu entscheiden, ob und wie sie oder er diese für das Zucht- und Betriebsmanagement verwendet», bilanziert Hähni.

Die Tierhalterinnen und Tierhalter scheinen auf der Suche nach Alternativen also weiterhin hauptsächlich auf sich gestellt. Viel Rückendeckung dürfte es zumindest von politischer Seite in absehbarer Zeit auch nicht geben. Das beweist das mangelnde Interesse der Parlamentarier. Und auch die bevorstehenden Wahlen dürften die Thematik kaum ins Zentrum rücken lassen.

«Merängge reicht nicht»

Auch André Ackermann, Drogist und Gründer der Firma Animalmed, wirkt im Gespräch mit der BauernZeitung etwas resigniert. Heute haben die Fachleute – die Agronomen – gerade einmal Kenntnis von Primär-pflanzenstoffen wie Protein, Energie oder Zucker», sagt er. Sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe wie beispielsweise ätherische Öle seien Futtermittelberatern meist fremd. «Das ist grad, als würden wir nur Merängge essen», sagt Ackermann und ergänzt: «Wir können unsere Nutztiere mit ihren zum Teil sehr hohen Leistung nicht so einseitig ernähren, wollen wir ihre Gesundheit erhalten und langfristig fördern.»