Die grossen regionalen Unterschiede auf der Karte mit den Blauzungenfällen der letzten neun Monate sind augenfällig. Während in Kantonen wie Uri, Nidwalden oder Schwyz bisher immer noch kaum Erkrankungen infolge des Blauzunge-Viruses gemeldet wurden, zählt der Kanton Aargau aktuell bereits 224 Rindviehhaltungen, 129 Schaf- und 2 Ziegenbetriebe, die von der Blauzungenkrankheit des Serotyps 3 betroffen waren.

Virusnachweis nötig

Aber nicht nur bei der Anzahl Blauzungenfälle gibt es grosse Unterschiede, auch beim Vollzug der Tierentschädigungen weichen die Vorgehensweisen der Kantone stark voneinander ab. So muss im Kanton Aargau ab dem 1. April 2025 für die Entschädigung jedes Tierverlusts der Nachweis erbracht werden, dass der Tod durch Blauzunge (BT) verursacht wurde.

Das bedeutet, es muss vom toten Tier mittels Beprobung ein Virusnachweis erbracht werden und auf dem Entschädigungsantrag das Vorliegen typischer Symptome tierärztlich bestätigt werden. Der Kanton übernimmt die Kosten für die Verdachtsfallabklärung. Nach einem ersten positiven Fall muss der Tierhalter für die Untersuchungskosten der weiteren verstorbenen oder euthanasierten Tiere aufkommen, wenn er das Tier entschädigt haben will.

Existenzbedrohende Verluste

Dass nun von allen Tieren, für welche eine Entschädigung beantragt wird, eine Blutprobe auf eigene Kosten genommen werden müsse, sorgt bei den Tierhaltenden im Kanton Aargau für Unmut. «Die toten und euthanasierten Tiere sind die Spitze vom Eisberg. Tierhalter sind nebst den toten Tieren auch mit erhöhten Leistungseinbussen, Aborten und vermehrtem Umrindern konfrontiert. Die finanziellen Einbussen sind teilweise existenzbedrohend. Dass die Tierhalter jetzt auch noch mit hohen Hürden konfrontiert sind, um die Anforderungen für die Entschädigung zu erfüllen, erschwert die Situation auf den Betrieben zusätzlich», erklärt Sarah Waldvogel vom Bauernverband Aargau (BVA).

Dazu komme, «dass beispielsweise bei Schafen die Kosten für die Beprobung und den Laboruntersuch mit ca. 220 bis 240 Franken höher sind, als der ausbezahlte Wert des Einzeltieres, der bei 60 Prozent des vom Schätzwert liegt.»

Regionale Unterschiede

Anders sieht das in den Urkantonen Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden aus: «Voraussetzung für eine Tierentschädigung ist ein labordiagnostisch nachgewiesener Seuchenfall im Bestand oder beim umgestandenen / getöteten Tier selbst», heisst es auf der Website des Veterinärdienstes der Urkantone. Das bedeutet, wenn auf einem Betrieb ein Tier positiv getestet wurde, werden alle auf diesem Betrieb stehenden Tiere, die wegen der BT abgingen oder aufgrund von schweren BT-Krankheitssymptomen abgetan werden müssen, von der Tierseuchenkasse entschädigt. Voraussetzung ist die Bestätigung des Bestandstierarztes, dass das Tier BT-Krankheitssymptom zeigte.

Ähnlich sieht es auch im Kanton Luzern aus: «Tiere, die wegen eines schweren Verlaufes der Blauzungenkrankheit umstehen oder abgetan werden, werden, sofern eine korrekte und rechtzeitige Meldung des Seuchenausbruchs erfolgt ist, zu 80 Prozent des Schatzungswertes entschädigt.»

Proaktive Kommunikation

Der BVA hat wenig Verständnis dafür, dass die Aargauer Landwirte anders als ihre Berufskollegen in den Nachbarkantonen für jeden Entschädigungsantrag eine Blutprobe auf eigene Rechnung machen müssen. «Der Veterinärdienst hat uns zugesichert, dass künftig gemeinsam die Voraussetzungen für die Entschädigung definiert werden. Auch ist es immer noch möglich, die Tiere zu impfen. Wir wünschen uns eine proaktive Kommunikation, damit die Tierhaltenden sich auf die neuen Voraussetzungen einstellen und entsprechende Massnahmen, wie das Impfen, durchführen können», so Sarah Waldvogel.

«Dummy Kälber» entschädigt

Keinen Virusnachweis brauche es im Kanton Aargau für die sogenannten «dummen Kälber» (Kasten), welche noch bis am 30. Juni 2025 entschädigt würden. Bei solchen verhaltensauffälligen Kälbern mit Hirnmissbildungen, welche in vielen Aargauer Ställen beobachtet werden könnten, seien Entschädigungszahlungen auch ohne Virusnachweis möglich. Der BVA hoffe, dass es in den kommenden Monaten dank der Impfung zu weniger und milderen Blauzungen-Erkrankungen kommen wird als in der letzten Saison. Im Aargau sei verbreitet geimpft worden, konkrete Zahlen würden aber erst im kommenden Herbst vorliegen, wenn die Tierhalter ihre geimpften Tiere im Agate eingetragen hätten (siehe Kasten).

«Dummy Kälber»

Dummy-Kälber (dumme Kälber) sind in den Aargauer Ställen seit Jahresbeginn vermehrt zu beobachten. Das sind Tiere, die sich im vergangenen Herbst im Mutterleib befanden, als diese mit dem BT Virus in Kontakt kamen. Diese Kälber zeigen Missbildungen, leiden teils unter Atemnot, können lange nicht selbstständig Milch trinken und teils nicht laufen. Der Mehraufwand für solche Kälber ist beträchtlich, diese müssen vielfach geschlachtet werden. Mittlerweile weiss man, dass das Blauzungenvirus die Entwicklung des Kleinhirns teils oder vollständig verhindern könne. 

Entschädigung der Impfkosten

Gemäss dem Bauernverband Aargau (BVA) hat der Bund 10 Millionen Franken gesprochen, um die Bauernfamilien bei den Impfkosten finanziell zu unterstützen.

Um die Entschädigung zu erhalten, müssen die geimpften Tiere bis Ende August im Agate eingetragen werden. Die Tierhaltenden geben die Grundimmunisierung ihrer Tiere (Rinder, Schafe, Ziegen) auf einer separaten Seite der TVD mittels Selbstdeklaration ein. Die Angaben müssen bis am 31. August 2025 eingetragen werden. Basierend auf diesen Angaben, werde die Höhe der Impfentschädigung pro Tier berechnet. In Absprache mit der Rinder- und Schafbranche erfolgt die Auszahlung im Jahr 2026 über die reguläre TVD-Abrechnung. Rechnungen müssen aufbewahrt werden. Die Rechnung diene als Nachweis für die Erstattung des finanziellen Beitrags pro geimpftes Tie
r.