Auf der Internetseite des BLV listen sich die Vogelgrippe-Warnmeldungen seit Jahren. Die Abfolge ist immer ähnlich:

  • Vogelgrippe-Fall festgestellt

  • Massnahmen gegen die Verbreitung des Vogelgrippevirus werden angeordnet

  • Der Bund verlängert die Massnahmen

  • Die Massnahmen wurden aufgehoben

Dann, einige Monate später, dasselbe Spiel von vorne. Und jetzt wieder, zuoberst auf der Liste der Meldungen: «Schweizweite Massnahmen zur Bekämpfung der Vogelgrippe angeordnet».

Seit Ende November sind alle Geflügelhaltenden in der Schweiz aufgefordert, das Einschleppen des Virus in die Tierhaltung über Personen und Geräte zu verhindern (wir berichteten). Auch der Auslauf des Hausgeflügels ist auf einen vor Wildvögeln geschützten Bereich zu beschränken und Hühner getrennt von Gänsen und Enten zu halten. Doch was bedeuten diese Vorschriften für Pouletmäster und Legehennenhalter? Wie handhaben Sie den gestrichenen Auslauf, wenn sie diesen nicht vor Wildvögeln schützen können?

Hier geht’s zur Anmeldung Ihrer Geflügel:
https://www.blv.admin.ch/

Ein Legehennenhalter

Maël Matile, ein Eierproduzent aus Kaltacker BE hält auf dem Betrieb Gutisberg zweimal 3000 Legehennen in Freilandhaltung.  Weil seinen Hühnern ein Aussenklimabereich zur Verfügung steht, sind die verordneten Einschränkungen betreffend der Eindämmung der Vogelgrippe verkraftbar. «Im Winter spüren wir wenig vom eingeschränkten Auslaufverbot», so Matile. «Die Hühner nutzen den Wintergarten wenn es kalt ist und Schnee hat sowieso wenig, aber er bietet ihnen dennoch täglich frische Luft und einen geschützten Aussenbereich – das ist ideal für eine Situation, wie wir sie aktuell vorfinden».

Der junge Legehennenhalter, der auch im Vorstand der Berner Eierproduzenten tätig ist, sagt auf Anfrage, dass die aktuelle Situation nicht grundsätzlich anders ist, als in einem normalen Winter, ohne Massnahmen gegen die Vogelgrippe. «Es ist klar, wir müssen Sorge tragen und hygienetechnisch noch mehr aufpassen aber den Hühnern geht’s gut. Sie empfinden meiner Einschätzung nach keinen Stress, weniger nach draussen zu können», so Matile. Man würde dafür häufiger nachstreuen, um den Tieren die nötige Beschäftigungsmöglichkeit zu bieten.

Was die Akzeptanz der Konsumentinnen anbelangt, merke man keinerlei Rückgang oder Zurückhaltung, beobachtet Matile, der die Eier alle via Hofladen direktvermarktet. «Weil wir den Hühnern dank dem Wintergarten den Zugang zu frischer Luft gewährleisten können, ohne dass sie Wildvögeln ausgesetzt sind, fällt es uns nicht schwer, das Image mit einem guten Gewissen aufrechtzuerhalten», so Matile.

Die Geflügelhalter dürfen - zumindest vorläufig - ihre Endprodukte bis zum vorläufigen Aufheben der Massnahmen am 15. Februar 2023 weiterhin mit der Bezeichnung «Freilandhaltung» vermarkten und sind auch berechtigt, die Direktzahlungen für die «besonders tierfreundliche Haltung» ausbezahlt zu bekommen, wie das BLV in einer Mitteilung schreibt.

Raphael Zwahlen, Gallosuisse: «Die momentane Situation in Europa ist angespannt»

Wie gehen die professionellen Geflügelhalter mit den Vorschriften um? Wie handhaben sie den gestrichenen Auslauf, sofern dieser nicht vor Wildvögeln geschützt ist?
Dank des geschützten Aussenklimabereichs mit Einstreu, Sitzstangen und Sandbad können Legehennen in der Schweiz jeden Tag an die frische Luft. Der Aussenklimabereich ist Teil einer besonders tierfreundlichen Stallhaltung (BTS) und in der professionellen Schweizer Legehennen-Haltung Pflicht. Der Aussenklimabereich ist eine typisch schweizerische Erfindung. Ziel war, den Hennen Auslauf zu ermöglichen und sie gleichzeitig zu schützen. Schutz bietet das Dach. Für die frische Luft sorgt ein Abschluss des Bereichs mit Maschengitter. So können die Hennen jeden Tag an der frischen Luft scharren, picken und ihr Gefieder im Sandbad reinigen, auch wenn wegen der Vogelgrippe Massnahmen angeordnet sind.

Die heutigen Stalleinrichtungen und der Aussenklimabereich ermöglichen den Legehennen, ihr natürliches Verhalten auszuleben, auch während Zeiten der Vogelgrippe. Gleichzeitig ist diese Haltung sehr ressourcenschonend.

Befürchten Sie ein geschmälertes Vertrauen der Konsumenten gegenüber den Produzenten, was den Kauf von Schweizer Eiern anbelangt?
Nein. Erstens wurde das Vertrauen gegenüber dem ‘Schweizer Ei’ über Jahre aufgebaut, zweitens sind zu den Nachfragespitzen um Ostern und Weihnachten Schweizer Eier sehr gefragt. Wir rechnen nicht mit einem Rückgang des Absatzes», so Raphael Zwahlen, Leiter der Geschäftsstelle von Gallosuisse.

Wie schätzen Sie die Lage im Allgemeinen ein? Konnten sich die Legehennenhalter gut an die Vorschriften anpassen?
Leider müssen wir uns nicht zum ersten Mal mit Massnahmen gegen die Vogelgrippe befassen. Die Mechanismen innerhalb der Branche sind daher eingespielt. Die professionellen Legehennenhalter sind sich ihrer Verantwortung bewusst und haben die erlassenen Massnahmen dementsprechend umgesetzt. Bei einem solchen Virus sind wir jedoch auf alle Geflügelhalter angewiesen: vom kleinsten Hobbyhalter bis zum grössten Profihalter. Denn jeder trägt Verantwortung. Nicht nur für seine eigenen Tiere, sondern auch für alle anderen in einer Region. Gerade für kleinere Stallhaltungen ist die Umsetzung der Massnahmen manchmal eine grössere Herausforderung. Die momentane Situation in Europa ist angespannt und wird laufend von Behörden und Tierhaltern beobachtet.
 

Bei mobilen Ställen mag es wohl schwieriger sein, sich den Vorschriften anzupassen, zumal sich die Hühner der ständige Auslauf gewöhnt sind, meint Matile. Auch im Ausland, wo es keine Geflügelställe mit Wintergärten gäbe, sieht das Management im Fall einer Vogelgrippenwarnung schwierig aus, befürchtet der Fachmann.  

Mael Matile wünscht sich, der Bund hätte die Massnahmen klarer und auf einer breiteren Ebene kommuniziert. Noch immer gäbe es kleinere Betriebe oder Hobby-Hühnerhalter(innen), die nicht von den Vorschriften gehört hätten und so eine mögliche Verschleppung der Grippe begünstigen, warnt Matile. Er ruft dazu auf, alle Geflügel zu registrieren und den Vorschriften entsprechend zu halten. «Es betrifft alle», betont Matile. Gemäss Doris Schneeberger, Tierärztin beim BLV, wurden die Massnahmen bei professionellen Geflügelhaltenden jedoch «gut verstanden, akzeptiert und umgesetzt».

Der Legehennenhalter Maël Matile geht davon aus, dass die Vorsichtsmassnahmen verlängert werden, zumal die Zugvögel im März präsent sind und diese die Gefahr einer Verschleppung erhöhen. Auch die Tierärztin Doris Schneeberger schreibt auf Anfrage: «Grundsätzlich ist mit einem Anstieg der Fallzahlen bei Wildvögeln zu rechnen. Allerdings ist es noch nicht absehbar, ob dieser Anstieg gering, mässig oder stark ausfallen wird».

Ein Pouletmast-Betrieb

Für die Pouletmästerin Christine Amsler aus Bözen im Kanton Aargau sind die angeordneten Massnahmen dank dem Aussenklimabereich (gedeckter Wintergarten) auch nicht einschneidend. Amslers stallen alle sieben Wochen 12000 bis 17 000 Eintagesküken ein und mästen diese auf ihrem IP-Betrieb aus. Sie vermarkten die Poulets über die über die Fleischverarbeiterin Bell (Coop) und einiges direkt ab Hof.

«Wir dürfen die Tiere im geschützten Bereich ja nach wie vor rauslassen, da sie nicht in Kontakt mit Wildvögeln kommen», so Christine Amsler. Beim Absatz merkt die Familie bisher keine Veränderung. «Wir haben kein negatives Feedback oder Misstrauen seitens unserer Kund(innen) bemerkt – das Thema scheint ihnen noch nicht nahe zu sein, was auch gut ist so». 

Die Kommunikation ausgehend von der Mästerorganisation betreffend der verordneten Massnahmen gegen die Verbreitung der Vogelgrippe, sei einwandfrei gelaufen, so Amsler.

Corinne Gygax, Geschäftsstelle Schweizer Geflügelproduzenten (SGP):
«Als professionelle Geflügelhalter sind wir darauf angewiesen, dass auch die Hobbyhaltungen die Massnahmen ernst nehmen und konsequent umsetzen». 
Die professionellen Geflügelhalter sind sich der Gefahr einer Ausbreitung der Seuche bewusst und wurden zeitnah von den entsprechenden Stellen über das Vorgehen und die Massnahmen informiert. Die einzuhaltenden Vorschriften sind durch die Geflügelhalter mit Aussenklimabereich (AKB) relativ einfach umsetzbar. Der Aussenklimabereich schützt das Geflügel sicher vor eindringenden Wildvögeln, so sind die Futter- und Wasserstellen im AKB für Wildvögel nicht zugänglich. Die weiteren Massnahmen: Beschränkung des Zutritts auf das Notwendigste, Schuh- und Kleiderwechsel, sorgfältiges Händewaschen und desinfizieren sowie Installation einer Hygieneschleuse sind in der professionellen Hühnerhaltung Standard und werden auf vielen Betrieben durch ein zusätzliches zweites Stiefelbad ergänzt. 

Aufwändiger ist das Umsetzen der Massnahmen in der Bio-Geflügelhaltung. Hier wird in vielen Fällen rund um die Biohütten unter dem Vordach ein Netz oder Gitter installiert, welches die Wildvögel daran hindert, an die Futter- und Wasserstellen zu gelangen.

In der Schweiz ist die Lage derzeit unter Kontrolle. Verdachtsfälle werden immer sofort beprobt und bei Bedarf Massnahmen umgesetzt. Aufgrund des hohen Virendrucks wird uns das Virus mit Sicherheit den ganzen Winter vermehrt beschäftigen. Die Geflügelhalter sind wachsam und hoffen, dass mit den verordneten Schutzmassnahmen kein professioneller Betrieb betroffen sein wird. 

Hobbyhaltungen, welche ihre Hühner noch immer im Freien halten, können ein Risiko darstellen, da Wildvögel hier ungehinderten Kontakt zum Hausgeflügel haben. Als professionelle Geflügelhalter sind wir darauf angewiesen, dass auch die Hobbyhaltungen die Massnahmen ernst nehmen und konsequent umsetzen.