Mit dem Start der Decksaison rückt eine neue Herausforderung für die Freibergerzucht in den Fokus: Die Erbkrankheit Hypertriglyceridämie induzierte Pankreatitis (HIP). Acht Hengste des Schweizer Nationalgestüts sind als Anlage-Träger identifiziert worden: Camaro, Damiano du Puits, Don Ovan du Clos Virat, Envol, Ethan, Halipot, Laos und Nonstop. Besonders brisant ist die Entdeckung bei Envol, einem Aushängeschild der Rasse, dessen Vater Ethan ebenfalls Träger ist. Zudem ist Damiano du Puits der letzte noch lebende Hengst der D-Linie betroffen. Wie Ariane Sotoudeh, Kommunikationsverantwortliche bei Agroscope, erklärt, werden die Trägerhengste des Nationalgestüts durch dieses nicht aus der Zucht genommen.
Was ist HIP?
Die Krankheit trat erstmals im vergangenen Jahr in den Fokus, als bekannt wurde, dass in den vergangenen Jahren einige Freibergerfohlen mit schweren Entzündungen der Bauchspeicheldrüse verstarben. Untersuchungen der Universität Bern ergaben, dass HIP auf einen Gendefekt zurückzuführen ist. Das defekte Gen wird rezessiv vererbt, das heisst: Nur wenn beide Elterntiere Träger sind, hat das Fohlen ein 25-prozentiges Risiko, zu erkranken.
Die betroffenen Fohlen können das aufgenommene Fett nicht abbauen, was zu einer akuten Entzündung der Bauchspeicheldrüse führt. Alle bisher bekannten HIP-Fohlen sind in den ersten Lebenswochen gestorben oder mussten eingeschläfert werden.
Warum gerade jetzt?
Erbkrankheiten sind in der Pferdezucht nicht neu. Bei anderen Rassen wie den Quarter gibt es bereits etablierte Gentests für genetische Defekte wie Polysaccharide Storage Myopathy (PSSM). Auch Freibergerhengste werden regelmässig auf Caroli-Leberfibrose (CLF) und PSSM getestet. Bei PSSM handelt es sich um eine angeborene genetisch bedingte Muskelerkrankung. Es kommt zu übermässiger Speicherung von langkettigen Zuckermolekülen (Polysacchariden) in den Muskelzellen. Dies führt zu einer Funktionsstörung der Muskelzellen. Dadurch zeigen betroffene Pferde häufig ähnliche Symptome wie bei einem Kreuzschlag.
Dass HIP erst jetzt entdeckt wurde, liegt daran, dass die Fallzahlen bisher gering waren. Der bekannte Hengst Alsacien, von dem viele betroffene Fohlen abstammen, wird bislang als möglicher Ursprung des Defekts vermutet.
Das Gestüt hat getestet
Seit Februar 2025 ist ein Gentest verfügbar, mit dem sowohl Hengste als auch Stuten auf HIP getestet werden können. Agroscope hat alle eigenen Hengste testen lassen und die Liste der Trägerhengste auf der Website für die Decksaison 2025 veröffentlicht. Zudem wurden Hengsthalter und Genossenschaften informiert.
Anders als bei CLF, wo Anlageträgerhengste aus der Zucht genommen werden, setzt man bei HIP also auf die Eigenverantwortung der Züchter. Bei Agroscope scheint man sicher: «Die Freibergerpopulation wird langfristig nicht gefährdet, wenn konsequent getestet wird.»
Ausblick auf die Zukunft
Noch ist unklar, ob der Freibergerverband künftig alle Hengstanwärter standardmäsig auf HIP testen wird. «Der Vorstand muss diese Entscheidung sorgfältig abwägen», erklärte Pauline Queloz, Geschäftsführerin des Verbandes bereits im Vorfeld an diesen Artikel gegenüber der BauernZeitung. «Wir werden uns zeitnah mit einer Empfehlung an die Züchter wenden.» Bislang scheint diese Info bei den Züchtern noch nicht eingetroffen zu sein.
Für die nächste Decksaison steht jedoch bereits fest: Wer sich für einen der betroffenen Hengste entscheidet, sollte seine Stute vorher testen lassen. So kann laut Agroscope das Risiko minimiert und die Zukunft der Freibergerzucht nachhaltig gesichert werden.
Wo kann man testen?
Wie das Institut für Genetik an der Vetsuisse Fakultät der Universität Bern mitteilt, wurde in Rekordzeit sowohl die ursächliche Genvariante bestimmt als auch ein Gentest entwickelt, der zuverlässig bestimmen kann, ob ein Hengst oder eine Stute Träger oder Trägerin der Anlage für die Erbkrankheit HIP ist. «Mit diesem Wissen und den entsprechenden züchterischen Massnahmen kann die Zeugung von Fohlen vermieden werden, die unter der Krankheit leiden und sterben würden», heisst es beim Institut.
Der Gentest steht bereits seit Anfang Februar zur Verfügung. Dafür entnimmt ein Tierarzt oder eine Tierärztin Blut und bestätigt die Identität des Tieres auf dem entsprechenden Untersuchungsantrag. Das Institut für Genetik führt die genetische Untersuchung durch. Der Test kostet 80 Franken (exkl. MWST), dazu kommen die Kosten für den Tierarzt oder die Tierärztin. Liegt am Institut für Genetik bereits eine Probe aus einer früheren Untersuchung vor, muss kein neues Blut eingesandt werden.
Schweizer Freibergerverband reagiert besonnen
Der Schweizerische Freibergerverband (SFV) nimmt die Ergebnisse der Universität Bern zur genetischen Erkrankung HIP (Hypertriglyzeridämie-induzierte Pankreatitis) ernst, betont in einer Medienmitteilung jedoch, dass keine Panik notwendig sei. Die Erkrankung, die durch ein rezessives Gen verursacht wird, führt bei betroffenen Fohlen zu akuten Bauchspeicheldrüsenentzündungen und meist zum frühen Tod. Schätzungen zufolge betrifft sie jährlich 5 bis 15 Fohlen von insgesamt 1800 Geburten.
Ein Gentest mit 100 % Zuverlässigkeit wurde in Zusammenarbeit mit der Universität Bern entwickelt und ist für 80 Fr. erhältlich. Träger des Gens sind gesund, können es aber mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % weitervererben. Eine Erkrankung tritt nur auf, wenn beide Elternteile Träger sind. Daher wird empfohlen, alle zur Zucht bestimmten Pferde zu testen, um risikobehaftete Paarungen zu vermeiden.
Der SFV wartet auf die Veröffentlichung der vollständigen Studie, um fundierte Massnahmen zu ergreifen, wie der Medienmitteilung zu entenhmen ist. «Da das defekte Gen vermutlich seit Langem in der Rasse existiert und nur wenige Fohlen betroffen sind, ist ein besonnenes Vorgehen erforderlich», heisst es. Der Verband plant eine sorgfältige Analyse, um langfristig die Gesundheit der Freibergerpopulation zu sichern.
Um Züchtern entgegenzukommen, organisiert der SFV eine Sammelbestellung für den Gentest zum vergünstigten Preis von 40 Fr. Interessierte können sich bis zum 31. März 2025 per E-Mail (info@fm-ch.ch) oder telefonisch (026 676 63 43) melden. Eine zweite Sammelbestellung ist für Herbst 2025 geplant. Offen bleibt, ob künftig auch Hengstkandidaten getestet werden müssen.
Der SFV empfiehlt Züchtern dringend, ihre Pferde testen zu lassen, um eine unkontrollierte Verbreitung des Gens zu vermeiden und die Zukunft der Freibergerzucht zu sichern.
