«Seit drei bis vier Wochen beobachten wir einen enormen Anstieg der Tränker auf dem Markt», berichtet Urs Jaquemet, Direktor der Vianco AG, gegenüber der BauernZeitung. Einen möglichen Zusammenhang sieht er in der ersten Welle der Blauzungenkrankheit (BTV) im vergangenen Jahr. «Mit dem Virus sank die Fruchtbarkeit vieler Kühe, sodass ein Grossteil der Tiere, die im Juni und Juli gekalbt hätten, erst im August abkalbten oder erst jetzt im September oder Oktober», erklärt er. Damit konzentrieren sich die Abkalbungen noch stärker auf wenige Monate, was die ohnehin ausgeprägte Saisonalität auf dem Tränkermarkt verschärfen könnte, befürchtet Jaquemet.

Preise sinken wöchentlich

Aktuell liegen die Tränkerpreise noch bei 11 bis 12 Franken. Laut Urs Jaquemet dürften diese jedoch mit steigendem Tränkerangebot von Woche zu Woche weiter sinken. «Gleichzeitig stellen wir fest, dass die Bereitschaft der Kälbermäster, Tiere einzustallen, bereits jetzt tiefer liegt als noch vor einem Monat, als die Tiere noch vor Weihnachten zu besseren Preisen ausgestallt werden konnten», ergänzt er.

Seit Jahren kämpft der Schweizer Tränkermarkt mit strukturellen Herausforderungen. Über das Jahr betrachtet, ergibt sich ein leichter Angebotsüberhang, der sich besonders in den Wintermonaten spürbar macht. Während in den Sommermonaten Tränker knapp und gefragt sind, übersteigt im Winter das Angebot deutlich die Nachfrage.

Mehr Abkalbungen im Sommer

Entscheidend für Urs Jaquemet ist es daher, die Saisonalität zu durchbrechen: «Wer kann, sollte seine Rinder und Kühe noch in den nächsten Wochen besamen, sodass die Abkalbungen in die Sommermonate Juni bis August fallen.» Zu dieser Zeit sei die Nachfrage nach Tränkern hoch, und die Tiere könnten zu guten Preisen verkauft werden. Dafür spreche daneben auch der höhere Milchpreis im Sommer und die meist besseren Nutzviehpreise als im Herbst. «Ich bin mir aber auch bewusst, dass Faktoren wie die Arbeitsbelastung auf dem Feld sowie die Hitze gegen eine Abkalbug im Sommer sprechen», weiss Jaquemet. Auch die anschliessende Herbstweide nach der Alpung sei für viele Betriebe ein Grund, die Besamung hinauszuzögern. Dafür hat Jaquemet aber eine pragmatische Lösung: «Man könnte einen Mietstier mit der Herde auf der Weide mitlaufen lassen.»

«Wer kann, sollte seine Rinder und Kühe in den nächsten Wochen besamen.»

Laut Urs Jaquemet, Direktor der Vianco AG, gilt es die Saisonalität zu durchbrechen.

Mastremonten statt Tränker

Während sich die Tränker aktuell noch auf die Mastbetriebe platzieren liessen, könnte sich dies nach den Erfahrungen von Urs Jaquemet ab November bis Februar schwieriger gestalten. Eine Lösung sieht er in der Aufzucht von Mastremonten – Fressern. Gemeinsam mit den Aufzuchttieren werden die kastrierten Stier- und Kuhkälber aufgezogen und nach dem Abtränken mit rund fünf Monaten weiter an einen Mastbetrieb verkauft. Geeignet seien vor allem F1-Tränker sowie fleischbetonte Milchrassenkälber, erklärt Jaquemet. «Mastremonten sind während des ganzen Frühlings und Sommers gesucht, und es kann ein guter Preis erzielt werden», erklärt Jaquemet.

Ein Beispiel verdeutlicht das: Ein 80 kg schwerer fleischbetonter Tränker bringe im Dezember bei einem Tränkerpreis von 8 Fr./kg 640 Franken. Ziehe der Landwirt das Kalb hingegen bis Mai/Juni zu einem Mastremonten mit 230 kg (durchschnittliche Tageszunahme 1 kg) auf und verkaufe es zu 7 Fr./kg, erziele er einen Erlös von 1725 Franken. «Das gibt ein schönes Futtergeld», fügt Jaquemet an. Milchbetonte Tränker hingegen seien weniger als Mastremonten geeignet. Diese könnten jedoch auf dem Geburtsbetrieb selbst zum Mastkalb ausgemästet werden. Eine weitere Möglichkeit sei das Programm Sommerochse, bei dem gezielt Tränker aus dem Kalb- und Bankviehmarkt genommen und dem Kuhmarkt in den Monaten Mai bis August – in denen immer ein Unterangebot besteht – zugeführt werden.

Ursachen für das Überangebot

Ein Stier zur Miete

Folgende Tiervermarktungen und Viehhändler bieten laut Website Leasingstiere an:

ASF: www.asf-sursee.ch
Viehhandel Scherrer: www.viehhandelscherrer.ch
Vianco: www.vianco.ch

«Ich bin mir bewusst, dass die Aufzucht von Mastremonten oder Mastkälbern auf den Geburtsbetrieben arbeitsintensiv ist», so Urs Jaquemet. Verstärkt werde dies durch die Spezialisierung vieler Betriebe. «Für einige Betriebe mit sechzig bis siebzig Kühen ist die zusätzliche Aufzucht von Mastremonten arbeitstechnisch gar nicht mehr machbar», erklärt er weiter. Dennoch appelliert er an alle Betriebe, denen es möglich ist, die Tiere auf dem eigenen Betrieb zu behalten, dies auch zu tun. «Auch wenn es nur ein oder zwei Tiere sind», ergänzt er.

Gleiches gelte auch für die Abkalbungen in den Sommermonaten. «Jeder Tränker, der von November bis Februar nicht auf den Markt kommt, ist ein Erfolg», so Jaquemet. Denn neben tieferen Tränkerpreisen riskiere man auch die Schlachtung von jungen Kälbern. «Die Tränkerschlachtung ist höchst diffizil. Jeder sollte sich in die Verantwortung ziehen, um das zu verhindern. Denn letztlich schadet es der gesamten Branche», erklärt er.

Wie Boris Beuret seine Kälber auf dem eigenen Betrieb abtränkt
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Bereits seit über zehn Jahren tränkt der Landwirt und Präsident der Schweizer Milchproduzenten (SMP) Boris Beuret seine Kälber auf dem eigenen Betrieb in Corban JU ab. «Mit gut vier Monaten sind die Kälber abgetränkt und ziehen dann weiter auf den Betrieb meines Bruders. Die weiblichen Tiere zur Aufzucht, die männlichen Kälber werden weiter zu Weidebeef gemästet», erklärt Beuret. Rund siebzig Kälber zieht der Jurassier jährlich auf seinem Biobetrieb auf.

Zuerst einzeln, dann zusammen
Während die jüngsten Kälber zuerst in Einzeliglus gehalten werden, ziehen sie anschliessend mit vier Wochen in die Gruppenhaltung. Hier werden die Kuh- und Stierkälber gemeinsam weiter aufgezogen. Getränkt werden die Tiere mit Vollmilch. In der Startphase ad libitum, anschliessend in der Gruppenhaltung mit einem Tränkeautomaten. «Im Schnitt bekommen die Tiere zwischen neun und zehn Liter pro Tag», erklärt er. Zusätzlich zur Milch stehen den Tieren ab dem ersten Tag frisches Wasser, Kraftfutter und Heu zur Verfügung. Vierzig Tage vor Verlassen des Betriebs werden die Tiere langsam und kontinuierlich von der Milch abgesetzt. «Das Abtränken ist eine heikle Phase und sollte mit möglichst wenig Stress für die Tiere verlaufen», so der SMP-Präsident. Auf dem Betrieb des Bruders werden die Masttiere mit achtzehn bis zwanzig Monaten als Weidebeef geschlachtet.

Die Gesundheit profitiert
Einen Vorteil im System sieht der Landwirt in der Partnerschaft mit seinem Bruder. «Dass alle Tiere vom gleichen Betrieb stammen, wirkt sich sicherlich positiv auf die Gesundheit der Tiere aus», erklärt er. Die weitere Aufzucht der Tiere zu Fressern sieht der SMP-Präsident als einen Lösungsansatz dafür, dem Kälberüberschuss im Winter entgegenzuwirken. «Ich bin mir aber auch bewusst, dass das Behalten der Kälber für den Geburtsbetrieb mit Arbeit und Kosten verbunden ist und dass das einfach nicht überall möglich ist», so Beuret. Für die Zukunft sei es letztlich entscheidend, dass die Käufer und Metzger dieses Weidebeefs übernehmen und dass sich ein ausreichend grosser Markt für die Tiere entwickeln könne.

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Preissturz und Iglustreit

Mit dem Herbst beginnt in der Schweiz jeweils eine Phase, in der sich die Tränkerpreise stark bewegen – dieses Jahr ist es nicht anders. Zunächst wurden sie, wegen eher knappen Angebots und hoher Nachfrage, besonders seitens des Viehhandels, in die Höhe getrieben. Doch nun kam der Knall: markante Preisabschläge führten zu teils hektischen Reaktionen und viel Debatte. Viele Landwirtinnen und Landwirte fühlten sich überrascht – obwohl sich diese Erscheinungen Jahr für Jahr ähneln.

Abkalbesaison hat begonnen

In den letzten Wochen sind zudem deutlich mehr gekalbte Kühe auf den Markt gekommen – was zwangsläufig auch zu mehr Tränkern führt. Gleichzeitig ist die Kälbermast zurückgegangen, ein Segment, das oftmals als «Puffer» wirkt, wenn das Angebot schwankt. Die zentrale Frage dabei: Wäre es nicht sinnvoll, Marktextreme zu glätten, bevor sie sich rächen? Wunschdenken, meinen viele – aber auch eine Erinnerung an vergangene Jahre.

In Gesprächen mit mehreren Betrieben wird deutlich: Das Thema «Wurstkälber» (oder generell: wie mit Kälbern umgegangen wird, die weder für die Zucht noch zur Mast geeignet sind) hat stark sensibilisiert. Immer mehr ziehen daher in Betracht, mehr Tränker selbst zu behalten – anstatt sie direkt abzugeben. Doch damit sind zahlreiche Rahmenbedingungen zu beachten.

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Sinnvoll für den Milchmarkt

Auch SMP-Direktor Stephan Hagenbuch unterstrich jüngst im Interview mit der BauernZeitung, dass überschüssige Milch in der aktuellen Marktsituation besser direkt an Kälber verfüttert werden sollte. Damit liesse sich kurzfristig Druck vom Milchmarkt nehmen und gleichzeitig wertvolles Kalbfleisch erzeugen. Hagenbuch erklärte: «In dieser Situation wäre es das Beste, diese kurzfristig nicht benötigte Milch gar nicht zu produzieren, an Kälber zu verfüttern oder den Bestand etwas anzupassen.» So entsteht aus einem Überschuss zumindest eine sinnvolle Alternative – sowohl für die Märkte als auch für die Betriebe.

Mit beim Halten dieser Kälber auf dem Betrieb sind aber zahlreiche Rahmenbedingungen zu beachten.

Die Schweizer Tierschutzverordnung (TSchV) legt in Artikel 9, Artikel 38 und den Anhängen die Mindestbedingungen für die Haltung von Kälbern fest. Dazu gehören eingestreute Liegeflächen, genügend Platz zum Aufstehen und Hinlegen sowie die Möglichkeit, sich ungehindert zu bewegen. Besonders in Einzeliglus ist es entscheidend, dass die Tiere nicht eingeschränkt werden.

«Es ist verantwortungslos, Iglus anzubieten, die die RAUS- Abmessungen nicht erfüllen.»

Michel Darbelley, Vizedirektor des Schweizerischen Bauernverbandes.

Noch strenger bei RAUS

Mit dem RAUS-Programm sind die Vorgaben noch strenger: Kälber bis 120 Tage brauchen mindestens 3,5 m² Auslauffläche pro Tier. Hier zeigt sich in der Praxis ein Problem: Manche Iglu-Modelle, die im Handel erhältlich sind, erfüllen zwar die TSchV-Normen, nicht aber die zusätzlichen RAUS-Anforderungen. Für Betriebe kann das schwerwiegende Folgen haben – im schlimmsten Fall droht der Verlust des Weidebeitrags.

Darbelley verärgert

Genau dieser Missstand sorgt derzeit für Diskussionen. Der Schweizer Bauernverband (SBV) hat die Händler bereits schriftlich aufgefordert, keine zu kleinen Iglus mehr anzubieten. Der stellvertretende SBV-Direktor Michel Darbelley bringt es auf den Punkt: «Es ist eindeutig verantwortungslos, Iglus anzubieten, die die RAUS-Mindestabmessungen nicht erfüllen, auch wenn die Händler nur zur Einhaltung der TSchV-Normen verpflichtet sind.»

Das Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, bei Investitionen genau hinzuschauen. Wer seine Kälberhaltung ausbauen will, sollte sicherstellen, dass die gewählte Infrastruktur sowohl den gesetzlichen Tierschutzvorgaben als auch den Anforderungen der Direktzahlungsprogramme genügt.

Seit Einführung des neuen Weideprogramms 2023 hat die Haltung von Kälbern im RAUS-System zusätzlich an Gewicht gewonnen. Denn: Wer für eine Tierkategorie – etwa Milchkühe – den Weidebeitrag beziehen will, muss diesen Standard für alle Rinder im Betrieb erfüllen, also auch für Mast- und Tränkekälber bis 160 Tage. Ein gedeckter Liegebereich reicht nicht; entscheidend ist, dass die Tiere tatsächlich regelmässig ins Freie kommen.

Da ist noch der Gewässerschutz

Neben dem Tierwohl sind auch Umweltauflagen zentral. Laufhöfe, Ausläufe und Weideunterstände müssen so gebaut sein, dass weder Gülle noch Harn oder verunreinigtes Wasser in Gewässer gelangen. Entwässerungssysteme sind zwingend ans Gülleloch anzuschliessen, und die Flächen müssen dicht ausgeführt sein. Gerade bei Neubauten achten die kantonalen Landwirtschaftsämter streng darauf, dass keine Risiken für das Grundwasser entstehen.

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