Hier möchte man Mutterkuh sein: Ein Betriebsleiterehepaar, das Tag und Nacht zu seinen Tieren schaut, Stallungen, die weit über das Tierschutzgesetz hinausreichen, und Sommerweiden, die typisch sind für den Jurabogen. Mit Blick auf den Chasseral geniessen hier Mensch und Tier eine grandiose Aussicht. Diesen Mutterkuhhaltungsbetrieb auf dem Mont-Crosin im Berner Jura bewirtschaftet die Familie Thierry und Vanessa Kämpf, mit dabei sind ihre Kinder Léonie und Ilona.

Kälber wachsen bei der Mutter auf

Mutterkühe 100'000 Stück Natura-Veal wurden geschlachtet Thursday, 20. June 2024 Seit 2019 ist Familie Kämpf für die Label-Programme Natura-Beef, Natura-Veal und weitere Programme als Produzent anerkannt. Natura-Veal wurde von Mutterkuh Schweiz 2009 lanciert und hat bis heute einen beachtlichen Marktanteil erreicht. Natura-Veal steht für Kalbfleisch aus Mutterkuhhaltung, dabei wachsen die Kälber bis zur Schlachtung bei der Mutter auf. Diese Art der Kalbfleischproduktion ist in der Schweiz einzigartig. Kürzlich konnte nun das 100 000. Natura-Veal-Tier vermarktet werden. Dieses Tier stammt aus dem Betrieb Kämpf.

Die Milchproduktion wurdeaufgegeben

Beim Besuch der BauernZeitung wehte an diesem Nachmittag eine leichte Bise. «Hier sind wir allen Winden ausgesetzt», sagt Thierry Kämpf lachend, während er sich die Schuhe bindet. Das raue Klima gilt auch für den Markt: Der ehemalige Tête-de-Moine-Milchproduzent wollte eigentlich weiterhin auf die Milchproduktion setzen, doch mit einem Lieferrecht von 72 000 kg könne man schlecht eine Familie ernähren. «Die Sortenorganisation verwehrte uns damals zusätzliche Liefermengen», so das Betriebsleiterehepaar. Deshalb habe man 2019 die Milchproduktion aufgegeben und ist in die Mutterkuhhaltung eingestiegen. Der Einstieg ins Natura-Veal-Programm kam erst nach mehreren unzufriedenstellenden Natura-Beef-Lieferungen.

Eine weitere Aufstockung ist geplant

«Die Möglichkeit, Natura-Veal zu liefern, war ja vorhanden und für unseren Betrieb besser geeignet», so der Betriebsleiter. «Wie jeder Neustart waren auch die ersten Natura-Veal nicht gerade der Hammer, aber inzwischen werden die Resultate immer besser und präziser», freut sich Vanessa Kämpf. So einfach war aber die Umstellung von der Milchproduktion auf die Mutterkuhhaltung dennoch nicht: Innert kürzester Zeit verkauften Kämpfs ihre Milchkühe und ersetzen diese durch die ersten Angus-Mutterkühe. «Die Vianco hat uns dabei grosszügig unterstützt», so das Betriebsleiterehepaar anerkennend. Da eine Angus-Kuh einen deutlichen höheren Kaufwert hat als eine Milchkuh, brauchte die Aufstockung ihre Zeit: «Wir haben zurzeit zirka 25 Muttertiere und möchten weiter aufstocken», sagt Thierry Kämpf. Die Rasse Angus passe sehr gut zu ihrem Betrieb und eigne sich gut für Natura-Veal. Die Robustheit, die Kalbeeigenschaften oder der Mutterinstinkt seien nur einige von vielen Kriterien. «Da wir bei den Kühen und Kälbern weder Mais noch Kraftfutter zufüttern, brauchen wir eine Rasse, die das Grundfutter ideal umsetzen kann», erklärt der Landwirt. So sind die Tiere während der Vegetation Tag und Nacht auf der Weide und im Winter – der hier oben auf 1180 m ü. M. doch sieben Monate dauert – wird nur Grassilage gefüttert.

 

Betriebsspiegel

Name: Thierry und Vanessa Kämpf mit den Kindern Léonie und Ilona
Ort: Mont-Crosin BE, Bergzone II auf 1180 m ü. M.
Fläche: 45 ha LN
Betriebszweige: Mutterkuhhaltung, Pensionspferde und Hirt von fremden ­Sömmerungsrindern

Das ideale Schlachtgewicht ist entscheidend

Die Herausforderung bei den Natura-Veal-Kälbern besteht darin, dass diese im Alter von maximal 182 Tagen ein ideales Schlachtgewicht von 135 bis 140 kg erreichen müssen. Werden sie zu schwer, gibt es Abzüge. «Deshalb wägen wir die Kälber ab einem Alter von zwei Monaten jede Woche einmal», so der Landwirt. Im Minimum strebe man bei der Taxation im Schlachthaus ein T3 an. Für ein T3 werden zurzeit 17 Franken pro Kilo Schlachtgewicht bezahlt. «Da unsere Kühe sehr früh wieder trächtig werden, ziehen sie in einem Jahr nur ihr eigenes Kalb auf. Nach dem Absetzen ihrer Kälber lassen wir sie galt», erzählen sie am Küchentisch.

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Genetik und Grundfutter sind die zentralen Voraussetzungen

Nicht nur auf die Tierbeobachtung und in der Tiergesundheit haben Kämpfs ein grosses Augenmerk, sondern auch auf die Wiesenpflege. Bei der Wiesenerneuerung ist man bestrebt, immer das Beste zu tun. «Damit man in der Mutterkuhhaltung Erfolg hat, braucht es neben der Genetik auch einwandfreies Grundfutter», ist Kämpf überzeugt.

Einen ruhigen Umgang pflegen

«Obwohl wir Fleisch produzieren, heisst das noch lange nicht, dass wir keine Bindung zu unseren Tieren haben», sagt Vanessa Kämpf. Man setze sehr grossen Wert auf einen respektvollen und sehr ruhigen Umgang mit den Tieren. «Schliesslich verdienen wir unseren Lebensunterhalt damit, und würden wir nicht gut zu unseren Tieren schauen, hätte das letztlich grosse finanzielle Einbussen für uns», so der Landwirt.

Mit ihrer ­Natura-Veal-Produktion, zeigt die Familie Kämpf, dass das Zusammenspiel zwischen Tierwohl, Tiergesundheit und Natur funktionieren kann – ein Vorzeigebetrieb, der für die Landwirtschaft mehr als eine Visitenkarte ist.