Die Braunviehkuh atmet hörbar aus und senkt den Kopf. Eben ist sie von Simone Rickenbach am Widderrist berührt worden. Nicht zufällig, sondern mit einem gezielten Griff, der die Muskulatur der Schulterpartie zur Entspannung bringen kann. Rickenbach ist Instruktorin der Emmett-Technik. Kürzlich hat sie am Landwirtschaftlichen Zentrum St. Gallen (LZSG) einen Workshop dazu gehalten.

Vom Australier Ross Emmett

Die Methode zur Muskelentspannung stammt vom Australier Ross Emmett. Der medizinische Therapeut, auch als Hundetrainer tätig, hatte sie ursprünglich zur Behandlung von Tieren entwickelt und später angefangen, sie zudem an Menschen anzuwenden. 2007 begann er, seine Methode auch in Europa zu lehren. Nutzniessende sind nebst Menschen hauptsächlich Hunde, Pferde und Kühe.

«Wir geben einen Impuls, damit sich die Kuh selbst heilen kann», sagt Simone Rickenbach am gut besuchten Workshop, der sich vor allem an Landwirt(innen) richtet. Wichtig sei es zudem, das Tier dort zu behandeln, wo es sich am wohlsten fühle, was meistens in der Nähe der Herde der Fall sei. Die Aargauerin, die sowohl als Physiotherapeutin für Menschen wie auch für Tiere tätig ist, nennt häufige Indikationen für eine Behandlung:

  • Verspannungen im Nacken
  • Nervosität
  • Lahmheit (Verletzung, Klauenfäule)
  • Rückenschmerzen
  • Schmerzen im Lendenbereich, Hüftprobleme nach Geburt
  • Mastitis

Schnelles Augenblinzeln

Simone Rickenbach wendet sich nun der Hüfte der brauen Kuh zu und tastet vorsichtig über den Bereich, an dem sie den nächsten Griff anwenden will. Um die richtige Stelle zu finden, helfen ihr anatomische Orientierungspunkte. Dann drückt sie leicht mit dem Mittelfinger senkrecht darauf, bis sie eine Reaktion spürt. Der Druck soll maximal 20 Sekunden andauern.

Anschliessend erfolgt ein sanftes Ausstreichen, um den Fokus von der Stelle wieder wegzunehmen. Das Ganze wiederholt sie bis zu dreimal. Manchmal reiche ein einziges Mal, um die Muskulatur spürbar zu entspannen. «Die behandelnde Person lernt, selbst zu beurteilen, wie viele Impulse es dazu braucht», so Rickenbach. Die Entspannung der Kühe kann sich gemäss der Therapeutin auf verschiedenste Weisen ausdrücken: Manche Tiere beginnen zu kauen oder atmen deutlich aus, andere zeigen ein schnelles Augenblinzeln oder richten die Beine neu aus.

Zuerst Spinalbalance im Fokus

Insgesamt kennt die Emmett-Technik mehr als zehn Griffe – sogenannte Korrekturen – für verschiedene Körperbereiche. Jedoch sind pro Behandlung maximal 7 Griffe ratsam. «Und wenn die Kuh schon vorher genug hat, ist sofort Schluss», betont die Instruktorin.

Die Reihenfolge richte sich nach dem eigenen Gutdünken – mit einer Ausnahme: Zuerst solle jeweils mit der Spinalbalance begonnen werden. Dabei gehe es um die Ausbalancierung der Wirbelsäule, zur Vorbereitung aller weiteren Griffe. Ausserdem stehe ein sogenannter Notfallgriff zur Verfügung, der hilft, das Tier nach einer heftigen Reaktion zu beruhigen.

Fluchtwege vor Augen halten

Simone Rickenbach weist in diesem Zusammenhang auf das Thema Sicherheit hin: «Bei Kühen ist es optimal, wenn man zu zweit ist», sagt sie. Auch empfiehlt sie, sich der Kuh mit der Stimme anzukündigen und nach jedem Griff etwas Abstand zu nehmen, damit das Tier die Berührung verarbeiten könne. Selbst wenn es während der Behandlung angebunden ist, sollten jederzeit Fluchtwege im Auge behalten werden.

Abschliessend gilt es, die Behandlung abzuspeichern. Beispielsweise, in dem man die Kuh ein paar Schritte durch den Laufstall führt. Nach der Muskelentspannung sollte das Tier 48 Stunden lang weder erneut behandelt noch gestriegelt werden.

Weitere Informationen: www.emmett-therapy.com