Schwarze Flecken im Käse – genauer gesagt im Gruyère-Käse. Das hat vor etwas mehr als einem Jahr für Aufregung gesorgt. Diese schwarzen Flecken hat nicht etwa der Russ vom offenen Alpfeuer verursacht, sondern Bismut – ein leicht radioaktives Sondermetall. Bismut findet zum Beispiel als Kühlmittel in Kernreaktoren Verwendung. Häufig wird es in der Pharmazie eingesetzt und gelangt daher auch in den Zitzenversiegler. Dort soll die Masse in der Zitze einen Pfropfen bilden, der als mechanische Barriere ein Eindringen von Mastitiserregern während der Trockenstehzeit verhindert. Funktioniert hat die Sache sicher gut, aber durch unsachgemässe Verwendung ist diese Form des Trockenstellens in Verruf geraten. Wir wollten wissen, welche Konsequenzen sich dadurch abzeichnen.

«In der Region Freiburg sind die Verkäufe von Versieglern sicherlich zurückgegangen, das hören wir von Kollegen aus der Region. Wir haben aber keine Zahlen von den Firmen, die dies bestätigen», erklärt Patrizia Andina vom Fachbereich Tierarzneimittel und tierärztliche Tätigkeiten bei der Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte (GST).

Verbote gegen bismuthaltige Zitzenversiegler eingesetzt

Die Sortenorganisation Gruyère hat den Einsatz von bismuthaltigen Zitzenversieglern für ihre Milchproduzenten verboten. Das ist einem Schreiben zu entnehmen, das den Produzenten im Februar 2022 zugestellt wurde. «Von anderen Sortenorganisationen haben wir keine Information, dem Vernehmen nach haben aber in der Zentralschweiz weitere Organisationen den Verbrauch verboten», ergänzt Patrizia Andina.

Wie die Tierärztin erklärt, hat die GST die Organisation Nutztiergesundheit Schweiz (NTGS) gebeten, mit den betroffenen Stakeholdern das Gespräch zu suchen. NTGS sehe eine Sitzung mit der Sortenorganisation Gruyère vor, habe diese aber noch nicht durchgeführt. Aufseiten Tierärzteschaft hat Rindergesundheit Schweiz zudem ein Merkblatt zur richtigen Anwendung erstellt. Die Veterinärpharmafirmen, die solche Produkte anbieten, haben in Zusammenarbeit mit den Behörden die Informationen in den Packungsbeilagen zudem präzisiert.

Betroffene Landwirte verwenden demnach mehr Antibiotika

Der Einfluss, den ein solches Verbot auf den Einsatz antibiotischer Trockensteller hat, ist naheliegend. «Gemäss Stimmen aus der Region Freiburg verwenden die betroffenen Landwirte und Landwirtinnen wieder mehr antibiotische Trockensteller», sagt Patrizia Andina und ergänzt, dass eine bessere Aussage erst bei der Präsentation der Zahlen aus dem IS ABV (Informationssystem Antibiotika in der Veterinärmedizin) aus dem Jahr 2022 möglich sei. Das IS ABV dient der Erfassung von Antibiotikumverschreibungen für Tiere.

[IMG 2]

Neben dem Ziel, den Antibiotikumeinsatz im Nutztierbereich zu erfassen und weiterhin zu senken, ist die Branche mit weiteren Herausforderungen konfrontiert. «Ich nehme eine Tendenz zu einer Verlagerung zu komplizierten Keimen wahr», sagt Patrizia Andina. Vor zwanzig Jahren hätten die Forscher und Forscherinnen die Bedeutung von Staphylococcus aureus erkannt. Mit einem konsequenten Management könnten Landwirte und Landwirtinnen diesen Keim aus dem Betrieb eliminieren. «Heute haben wir sehr viele Fälle von Streptokokken. Ihnen ist viel schwerer beizukommen», erinnert die Tierärztin.

«Forschung soll endlich mithelfen»

Die Schweizer Milchproduzenten (SMP) haben «die Angelegenheit auf dem Radar», wie Kommunikationsleiter Reto Burkhardt auf Anfrage der BauernZeitung erklärt. Die Diskussionen hätten dazu geführt, «dass die Sensibilität in der Praxis für das Thema gestiegen ist. Es sind seither keine konkreten Fälle mehr aufgetreten», sagt Burkhardt.

Laut SMP gehen die Sorten mit dem Thema sehr unterschiedlich um. So habe Gruyère vorübergehend eigene Entscheidungen getroffen. Andere Sorten würden zum Beispiel eher auf Stichproben setzen.

«Für die SMP hat sich nichts geändert an der Situation: Zentral für uns ist, dass die Qualität zu 100 Prozent gehalten werden kann und dass die Medikation im Stall optimiert und der Antibiotikaeinsatz reduziert werden kann», sagt Reto Burkhardt. Die Zitzenversiegler seien heute bei einem genauen Einsatz nach Anleitung unbedenklich. «Viele Produzenten setzen sie ein und können – wie gesagt – die Qualität voll erfüllen. Es ist aber anspruchsvoll, das ist uns durchaus bewusst», ergänzt er. In diesem Sinne würde die SMP weiterhin von der Forschung fordern, dass sie «nun endlich mithilft und Unterstützung bietet, damit gute Alternativen auf den Markt kommen, welche den Einsatz noch einfacher und daher marktgerechter machen», so Burkhardt schliesslich. Diese Forderung hat die SMP bereits vor einem Jahr gehabt, als die Diskussion um die durch Bismut (Bestandteil in Zitzenversieglern) verursachten schwarzen Flecken im Käse aufflammte. Hier sieht die SMP nach wie vor Handlungsbedarf – es sei noch zu wenig passiert.

Abhängig vom Ausland

Eine weitere Baustelle im Bereich der antibiotischen Euterbehandlungen bringt zudem die Handhabung in der EU mit sich. Was die rechtliche Seite anbelangt, liegen in der Schweiz aktuell noch keine neuen Forderungen der Behörden vor. Also ist auch für die GST nicht abschätzbar, wie sich die Situation bezüglich Trockenstellern entwickeln wird. Für Patrizia Andina ist aber klar: «Bei den Euterpräparaten allgemein glaube ich, dass es nicht einmal den rechtlichen Druck aus der EU braucht.» Weil in der EU schon immer weniger Euterpräparate eingesetzt worden seien und die Tiere eher systemisch über den Körper via Injektion ins Blut oder in den Muskel behandelt wurden, sei der Markt für Euterinjektoren in der EU kleiner.

«Euterinjektoren-Präparate werden langsam verschwinden.»

Patrizia Andina,Tierärztin bei der GST

«Weil heute die meisten Veterinärpharmafirmen global oder europäisch agieren und die Mutterhäuser für den EU-Markt produzieren, gehe ich davon aus, dass Euterinjektoren-Präparate langsam verschwinden werden», bilanziert die Tierärztin. Gerade für alte Präparate mit «einfachen» Antibiotika, deren Patentschutz schon lange abgelaufen sei, müssen Schweizer Standorte bei ihren Mutterkonzernen verhandeln, dass sie diese auf dem Schweizer Markt behalten könnten. «Wenn dann noch ein Problem bei der Produktion auftritt und es neue Studien brauchte zur Weiterführung der Zulassung, ist dies meistens das Ende. So oder so führt der Weg eigentlich nur dahin, Verbesserungen im Bereich der Eutergesundheit zu erzielen», ist sie daher sicher.

Grösstes Potenzial bei Eutern

In vielen EU-Ländern dürfen Antibiotika nicht routinemässig und zur Prophylaxe nur bei Einzeltieren und nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden. Am 32. Milchrindtag im deutschen Mecklenburg-Vorpommern sprach Volker Krömker von der Universität Kopenhagen (DK) über Wege zu mehr Eutergesundheit und weniger antibiotischer Therapie. Er ist überzeugt: Unabhängig von der Gesetzeslage ist im Bereich des Antibiotikumverzichts in der Milchviehhaltung noch deutlich Luft nach oben. Wie er sagt, ist das Hauptproblem die Gefahr von Neuinfektionen. Gerade in der Phase der Galtzeit werde diese unterschätzt. Krömker sagt: «Drei von vier Neuinfektionen können in der Trockenstehphase mit Zitzenversiegler im Vergleich zu ‹nichts tun› verhindert werden.» Zudem werde jede zweite Neuinfektion in der Frühlaktation verhindert. Antibiotische Trockensteller haben laut seinen Erfahrungen eine tiefere Erfolgsrate.

In der Schweiz gilt seit 2015, dass Tierärztinnen und Tierärzte antibiotische Trockensteller nicht mehr auf Vorrat abgeben dürfen. Das bedeutet, dass es für das Einzeltier entweder einen medizinischen Grund für den Einsatz geben muss (z. B. erhöhte Zellzahlen während der Laktation, Nachweis eines Keimes o. ä.) oder die Behandlung im Rahmen eines schriftlich dokumentierten Trockenstellkonzepts (Management Eutergesundheit auf Herdenebene) notwendig ist. «Ein beliebiges Trockenstellen ist nicht mehr möglich, mit System aber schon», heisst es bei der GST. «Einzelfälle» seien das, wie beispielsweise in Deutschland angestrebt, aber immer noch nicht.

Wie Patrizia Andina von der GST erklärt, hat man 2015 befürchtet, dass mit der Abnahme der verwendeten Trockensteller der Verbrauch von Präparaten während der Laktation steigen könnte. «Das hat sich leider bestätigt», so die Tierärztin. Man könne sich fragen, ob das eine gute Tendenz sei, da bei Behandlungen während der Laktation das Tier mehr leide, mehr Medikamente verbraucht würden und zusätzlich Milch zur Entsorgung anfalle. Grundsätzlich besteht laut GST im Bereich Eutergesundheit momentan das grösste Verbesserungspotenzial bezüglich Reduktion des Antibiotikumeinsatzes bei Milchkühen. 

[IMG 3]