Ein fast schon frühlingshafter Februartag im südbündnerischen Münstertal. Für die Jahreszeit hat es wenig Schnee, das Landschaftsbild ist geprägt vom Braun der unbedeckten Wiesen. Zuunterst im Tal auf 1250 m ü. M., direkt an der italienischen Grenze, liegt Müstair. Hier, neben dem Campingplatz, bewirtschaften Isidor und Monica Sepp ihren Biohof «Pauraria Puntetta». Im Zentrum des 31 Hektaren grossen Betriebs stehen eine Mutterkuhherde sowie sechs Lamas, die im Sommerhalbjahr für Touristentrekkings eingesetzt werden. Der Ackerbau, der früher in der Gegend verbreitet war, kam vor rund fünf Jahren als neuer Betriebszweig dazu.
Suche nach pfluglose Alternativen
«Nachdem ich mich bereits seit einiger Zeit mit der Aufbereitung von Hofdünger befasst hatte, reizte mich zunehmend die Auseinandersetzung mit dem Boden und der Umgang mit den natürlichen Ressourcen», erzählt Isidor Sepp. So habe er angefangen, unter Beigabe von Effektiven Mikroorganismen (EM) zu silieren. «Der Unterschied in der Qualität hat uns überzeugt. Später kamen kleine Mengen an Pflanzenkohle dazu, als Beigabe zu Futter, Dünger und ins Tiefstreu.» Er begann sich in die Regenerative Landwirtschaft einzulesen und besuchte Kurse. Dabei wurde sein Interesse für das Wirken der Bodenorganismen geweckt.
Dem Bündner erschien es immer wichtiger, auch den Ackerbau unter Einbezug auf Gründüngung darauf auszurichten. «Damit die Flächenrotte mit Sauerstoff versorgt wird, muss sie an der Oberfläche bleiben. Daher suchte ich von Beginn weg pfluglose Alternativen, welche die Grasnarbe schonend abschälen.» Dazu fand Sepp zunächst beim Lohnunternehmer eine Umkehrfräse. Inzwischen verfügt auch die lokale Maschinengenossenschaft über ein geeignetes Gerät.
Aus Mist wird Kompost
[IMG 2]Bodenverdichtungen, wie sie etwa im Bereich von Blacken häufig vorkommen, wirkt Isidor Sepp mit Tiefenlockerung entgegen. «Dafür reicht schon eine Tiefe von 18, 19 Zentimetern», sagt er. Um den Boden weiter zu aktivieren, setzt er zudem den aufbereiteten Hofdünger ein. «Den Mist in Kompost zu verwandeln, war Neuland für uns, was mit grossem Zeitaufwand und Investitionen verbunden ist», so Isidor Sepp. «Beispielsweise braucht es dazu einen Kompostwender.»
Unterstützung erhält er vom Projekt «Klimaneutrale Landwirtschaft Graubünden», bei dem Puntetta als einer von 50 Pilotbetrieben teilnimmt. Die Beratung, die online und auf dem Hof angeboten wird, erspare ihm viel Lehrgeld, so der Biolandwirt.
Seine Projektbeteiligung umfasst zwei Teile. Im ersten Teil geht es um einen Versuch mit dem Hofdünger. Dabei werden drei benachbarte Parzellen auf unterschiedliche Arten gedüngt. Die eine mit Mist, die zweite mit Kompost, die dritte mit Gülle. In Abständen werden Bodenproben genommen und nach fünf Jahren wird überprüft, wie sich zum Beispiel der Pflanzenbestand verändert hat.
Beim zweiten Teil, den der Biobetrieb zum Klimaprojekt beiträgt, ist die Emissionsreduktion das Ziel. Indem die Gülle separiert und der feste Teil kompostiert wird, soll der Nährstoffverlust reduziert werden. Allerdings entweicht ein Teil der Nährstoffe durch den SpaltenBoden. «Wir sind auf der Suche nach Lösungen. Möglicherweise könnte eine Teilabdeckung durch Gummimatten im Fressbereich helfen», so Sepp.
Mittel, um Nährstoffe zu binden
Als Herausforderung gestaltet sich auch die Aufbereitung der Gülle: Diese müsse genügend flüssig sein und dürfe nicht zu viel Mist enthalten, sonst bestehe die Gefahr, dass sich bei der Verteilung mit dem Schleppschlauch Mädli bilden. Ausserdem mischt er Biolit (ein Gesteinsmehl) sowie Pflanzenkohle bei. Beide Mittel binden Nährstoffe und tragen damit zur Emissionsverminderung bei.
Der Versuch mit einem mobilen Güllenseparator konnte Sepp jedoch nicht überzeugen – zu energieintensiv und das Ergebnis kaum zufriedenstellend. Zudem: Zum Kompostieren des Hofmists, dem auch Grünschnitt beigefügt wird, ist viel Platz notwendig.
Projekt stösst auf Interesse
Von Vorteil ist, dass der umgewandelte Hofmist warten kann, bis sein Einsatz auf dem Acker am sinnvollsten ist. Doch das Ausbringen ist auch beim Kompost nicht ohne: Nach wenig erfolgreichen Versuchen mit dem Mistzetter hat sich das Verteilen mit dem Rotorstreuer am wirksamsten erwiesen.
Die gestellten Aufgaben auf dem Betrieb sind zwar fordernd, dennoch ist Isidor Sepp überzeugt: «Das Klimaprojekt ist eine Chance, sich mit dem Verbesserungspotenzial auf dem Hof auseinanderzusetzen.» Puntetta ist der einzige Betrieb im Tal, der bei diesem kantonalen Projekt mitmacht. «Was dabei herauskommt, interessiert die anderen Bauern aber schon», versichert Sepp. Nachhaltigkeit ist unter anderem seit der Gründung des Biosphärenreservats Biosfera Val Müstair ein präsentes Thema in der Gegend.
Weitere Informationen: www.puntetta.ch
Bündner Klimabauern
Das Projekt «Klimaneutrale Landwirtschaft Graubünden» wurde von verschiedenen Akteuren der Landwirtschaft im Kanton initiiert. Es zielt darauf ab, den Wandel zu einer klimaneutralen Landwirtschaft in Gang zu bringen und die Widerstandskraft der Betriebe gegenüber den negativen Folgen des Klimawandels zu stärken. Beteiligt sind 50 Pilotbetriebe verschiedener Produktionsrichtungen. Diese testen auf freiwilliger Basis Massnahmen in den Bereichen Tierhaltung, Pflanzenbau und Energie zur Reduktion der Treibhausgase. Finanziert wird das Projekt, das sich von 2021 bis 2025 in der Pilotphase befindet, vom Kanton Graubünden.