«Heute ist die Grosstierrettung praktisch auf dem gleichen Stand wie die Rega bei der Menschenrettung», hielt Ruedi Keller fest. «Wir verfügen über moderne Spezialausrüstungen und können bei Bedarf auch Helikopter einsetzen.» Der Leiter des Grosstier-Rettungsdienstes GTRD hielt vor einer Woche einen vom Strickhof organisierten Online-Fachabend zum Thema. 

Vor 25 Jahren gegründet

Ruedi Keller hatte den GTRD vor 25 Jahren gegründet. Die Organisation mit Sitz im zürcherischen Embrach ist rund um die Uhr in Bereitschaft und leistet rund 600 Einsätze pro Jahr, verteilt auf sechs Stützpunkte in den verschiedenen Landesteilen. 70 Prozent der Einsätze betreffen Pferde und Ponys, der Rest landwirtschaftliche Nutztiere sowie vereinzelt auch grosse Zootiere. 

«In der Landwirtschaft rücken wir hauptsächlich aus, um Tiere aus misslichen Lagen zu retten, beispielsweise eine Kuh, die ins Güllenloch gefallen ist», sagte der Zürcher. «Dazu kommen Aufstellversuche von festliegenden Kühen und Transporte von schwer verletzten oder erkrankten Tieren.» 

Bergung kann sehr anspruchsvoll sein

Bei der Kuh in der Jauchegrube ist es gemäss Keller wichtig, den Schacht sofort zu belüften, damit das Tier frische Luft erhält. In der Regel wird auch ein Tierarzt herbeigezogen, der sich ein Bild vom Gesundheitszustand des Tieres macht. Um Unterstützung zu erhalten, kann bei Bedarf auch die Feuerwehr gerufen werden. «Nicht selten hat eine betroffene Kuh lediglich Schürfwunden, doch die Herausforderung ist es, sie wieder durch die oftmals enge Öffnung hinaufzubringen», so Keller. In diesem Fall kommt die Technik der Vertikalrettung zum Zug. Dabei wird das Tier, nachdem ihm ein spezielles Rettungsset angelegt wurde, von einem Kran durch die Öffnung gehoben. 

So viel kostet ein Einsatz 
Die Rettungskosten gehen immer zu Lasten des Tierbesitzers. Verrechnet werden der Aufwand für Fahrzeug, Material und Zeit. Das sind pro Einsatz mehrere Hundert oder über Tausend Franken. So lassen sich die Kosten einschränken: 
Pferde: Die Mitgliederschaft beim Verein Horse Rescue ETA Glob kostet jährlich maximal 60 Fr./Tier. Pro Notfall-Einsatz werden maximal 5000 Fr. übernommen.
Landwirtschaftliche Nutztiere: Landwirte zahlen einen Pauschalpreis zwischen 50 und maximal 500 Fr. pro Einsatz. Die Differenz zu den (moderat berechneten) effektiven Kosten übernimmt die Susy Utzinger Stiftung für Tierschutz. Zudem: Bei einer Rega-Gönnermitgliedschaft werden die Helikopter-Transportkosten für landwirtschaftliche Nutztiere übernommen.

Kooperation zwischen Beteiligten ist wichtig

Vor dem Einsatz wird zudem abgeklärt, was vor Ort an Spezialhebemitteln vorhanden ist. Ein Hebekran etwa ist auf einem Landwirtschaftsbetrieb oft vorhanden. Wichtig ist auch die Kooperation mit den Anwesenden. «Landwirt(innen) bleiben meistens bereits am Telefon ruhig», sagte der Referent. «Zudem ist es bei einer Aktion hilfreich, dass sie handwerklich veranlagt sind.» Auch auf das Verhalten des Tieres in der Stresssituation kommt es an. «Pferde reagieren in der Regel schneller auf Schmerzen und müssen häufiger sediert (medikamentös beruhigt) werden als Kühe», stellte Ruedi Keller fest. 

Bei einem Einsatz sei es von Vorteil, wenn ein Tier halfterführig ist, was bei Mutterkühen nicht immer der Fall sei. «Doch letztlich sind Tiere Individuen, die unabhängig von der Spezies unterschiedlich auf Ereignisse reagieren», so Keller. Ebenfalls vorbereitet ist der GTRD für die Rettung per Helikopter. Beispielsweise, um Schafe zu bergen, die sich auf der Alp in eine Felswand verirrt haben. Auch kommt es vor, dass eine Liegendbergung mit der Schleppe nötig wird, wenn beispielsweise eine Kuh zusammengebrochen ist. 

Eine sorgfältige Fahrweise ist notwendig

Zum Einsatz kommt der Grosstier-Rettungsdienst ausserdem, wenn ein Tier ausgebüxt ist und sich nicht mehr normal einfangen lässt. Auch dann solle man möglichst bald anrufen, riet der Rettungsspezialist, da sich ein Rind im Verlauf von Tagen immer weniger gut einfangen lässt und die Betäubungspfeile mit dem Narkosegewehr nur bis max. 40 Meter geschossen werden können. [IMG 2]

Ein weiteres Angebot sind Transporte. Um den kranken oder verletzten Patienten eine möglichst schonende Fahrt zu ermöglichen, stehen diese im Entlastungsgeschirr im Fahrzeug, stabilisiert mit seitlichen Luftkissen. Machbar sind auch Liegendtransporte auf Luftmatratzen. Muss ein Bein aufgrund einer Verletzung ruhiggestellt werden, wird es extra für die Fahrt eingegipst. «Normalerweise ist eine sehr zurückhaltende Fahrweise notwendig», sagte Ruedi Keller. «Manchmal pressiert es dagegen, etwa wenn ein Pferd eine schwere Kolik hat.» Dann sei man sogar mit Blaulicht und Sirene unterwegs. Dies sei insbesondere im Kanton Zürich erlaubt, wo der GTRD einen Leistungsauftrag der Feuerwehr hat. 

Muss es noch schneller gehen, steht auch das Transportmittel Helikopter zur Verfügung. Soll beispielsweise ein Tier vom Engadin dringend ins Tierspital Zürich gebracht werden, kann es Sinn machen, es auf einer Teilstrecke bis zum Autobahnanschluss per Helikopter zu transportieren.

Retter und Retterinnen sind ehrenamtlich tätig

Diese und weitere Einsatzmöglichkeiten erfordern eine entsprechende Ausbildung, entweder als Grosstier-Rettungssanitäter oder als Grosstier-Ambulanzfahrer, der für die technischen Belange zuständig ist. «Aufgrund der Komplexität dauert es fast vier Jahre, bis jemand die meisten Einsätze selbstständig leisten kann», so Ruedi Keller. Die rund 35 GTRD-Mitarbeiter(innen), die im Normalfall zu zweit unterwegs sind, seien alle ehrenamtlich in ihrer Freizeit im Einsatz. Es sei schwierig, gute Leute zu finden, welche zur Ausbildung und zu einem langfristigen Engagement bereit seien. 

Als sehr hilfreich wertet es Keller zudem, dass sich der GTRD der Einsatzzentrale am Flughafen Zürich angliedern konnte, welche auch die Notrufe 118 und 144 entgegennimmt: «So gewinnen wir viel Zeit.» 

24-Stunden-Notruf GTRD: 079 700 70 70. Weitere Infor­mationen: www.gtrd.ch

Das Angebot des GTRD

Bergung aus misslicher Lage
-Aufstellen von festliegenden Kühen
-Horizontal- oder Vertikalrettungen (z.B. aus der Jauchegrube)
-Rettungen aus dem Wasser
-Liegendbergungen auf der Schleppe
-Einfangen von ausgerissenen Tieren mit dem Narkose­gewehr

Transporte
-Transport im Tier-Bergungs- und Transportnetz (TBTN) und/oder in Beinschlingen
-Liegendtransporte
-Helikopterflüge (auch Gruppen-Evakuationen im Brandfall oder bei Hochwasser)
-Rücktransporte von der Klinik, sofern eine Ambulanz notwendig ist

Weiteres
-Vermietung von Material (z.B. Entlastungssets für die Rekonvaleszenz im Stall)