Die Afrikanische Schweinepest (ASP) beschäftigt die Schweinehalter in unserer Region stark. Xaver Sidler, Leiter der Abteilung Schweinemedizin am Tierspital der Universität Zürich, ist skeptisch, ob wirklich alle die Hausaufgaben erledigt haben.
Xaver Sidler, sie haben kürzlich am Landi-Schweineseminar in Sursee über ASP referiert. Wie haben Sie die Stimmung unter den Schweinehaltern wahrgenommen?
Xaver Sidler: Die Antennen für Anliegen der Schweinepest sind besser gestellt als noch vor Jahren, als die Schweinepest noch weit weg war. Jetzt sind Deutschland und Italien betroffen und es sind nur noch etwas mehr als 100 km bis zur Schweizer Grenze. Zudem denke ich, dass die ASP-Ampel und das digitale Tool zur Selbstüberprüfung der Biosicherheit auf dem eigenen Hof die Wahrnehmung für die Problematik geschärft haben.[IMG 2]
Was interessierte besonders?
Wie verbreitet sich ASP und wie kann man sich vor dem Eintrag von ASP-Viren schützen? Da gibt es vor allem folgende Punkte zu beachten: Die Hauptgefahrenquelle für einen Eintrag ist und bleibt der Mensch. Stichworte sind Essensreste, Eintrag via Stiefel, Kleider usw. Das heisst, es müssen vor allem fremdländische Arbeitskräfte über die Gefahren eines Eintrags instruiert werden. Lebensmittelabfälle dürfen nicht an Schweine verfüttert werden. Alle, ich meine wirklich alle, welche einen Betrieb betreten, müssen dies über eine Hygieneschleuse machen und Kleider und Stiefel wechseln sowie die Hände waschen. Der Schweinestall ist ein Schweinestall und kein Zoo. Hunde oder Katzen haben nichts im Schweinestall zu suchen.
«Besser vorbereitet als auch schon.»
Xaver Sidler ist noch nicht zufrieden mit den Biosicherheitsmassnahmen.
Und dann sind ja noch die Wildschweine ...
Die Wildschwein spielen bei der Übertragung eine zentrale Rolle. Derzeit bei uns noch nicht, aber wenn die Schweinepest noch näher kommt, dann bestimmt. Wir haben ja relativ dicht besiedelte Wildschwein-Gebiete. Beispielsweise nördlich der A1, in Genf, Waadt und im Tessin. Die Wildschweine verlagern ihr Revier, wenn sie nicht gestört werden, jährlich um 30 bis 60 km. Auch der Rhein ist für Wildschweine kein Hindernis. Also müssen wir unsere Hausschweine vor direktem Kontakt mit Wildschweinen schützen.
Die Schweizer Schweine-branche ist seit geraumer Zeit informiert über die Gefahr. Glauben Sie, die Produzenten sind bestens vorbereitet?
Nein, nicht wirklich. Aber besser als auch schon! Bei den Biosicherheitsmassnahmen, Schutz vor direktem Kontakt, dem Eingang über Hygieneschleuse liegt noch viel Potenzial. Die Landwirte sollten die Optimierung der Biosicherheitsmassnahmen und die Instruktion der Mitarbeitenden wirklich ernsthaft an die Hand nehmen. Ein bekannter ASP-Experte aus Deutschland hat in einem Referat einmal gesagt: «Jeder, der ASP bei den Hausschweinen hat, ist selber schuld». Ein krasser Ausspruch, aber mit mehr als nur einem Korn Wahrheit.
Sind die Behörden und die Branche gut vorbereitet?
Ich hoffe die Übung Nosos hat einige gravierende Mängel aufgedeckt und die Behebung der Mängel wird zügig an die Hand genommen. Eine Trockenübung kann allerdings die Realität nie widerspiegeln. Zudem hoffe ich, dass bei einem Ernstfall, vom Hobbyhalter bis zum Befürworter der Massentierhaltung, alle die Vorgaben der Behörden befolgen und nicht sogar noch torpedieren.
«Viel gelernt von den Ausbrüchen im Osten.»
Zudem habe man in Westeuropa mehr Ressourcen, so Xaver Sidler.
Wie sieht es bezüglich Gefahrenpotenzial in unserer Region aus, z. B. im Aargau oder in Luzern?
Da muss man unterscheiden. Die Übertragung durch den Menschen in Hausschweinebestände kann jederzeit und überall erfolgen. Da ist Luzern mehr gefährdet, weil es viel mehr Betriebe hat als im Aargau. Bezüglich der Verbreitung über Wildschweine ist der Kanton Aargau weit vor Luzern, da der Kanton Aargau einen viel höheren Wildschweinebestand aufweist als Luzern. Zudem bildet die A1 – trotz Wildtierübergängen – immer noch einen Riegel für die Ausbreitung der Wildschweine nach Süden.
Obwohl ASP seit mehreren Jahren in Osteuropa und auch Ostdeutschland grassiert, gibt es kaum Ausbrüche in Westeuropa. Ein gutes Zeichen?
Darauf würde ich mich nicht verlassen. Die ASP kommt vom Osten her. Belgien wie auch Tschechien hatten ihre Ausbrüche relativ früh entdeckt und schnell und sehr entschlossen gehandelt. Und diese beiden Länder konnten die ASP wieder tilgen. Ich bezweifle, ob das in Deutschland gelingt, denn der ASP-Druck aus Polen bleibt sehr hoch und bisher hat sich die ASP trotz entschlossenem Handeln stark ausgebreitet. Ob die Tilgung in Italien gelingt, kann man noch nicht abschätzen. Ich vermute aber, es dürfte wegen der Wildschweinedichte im Piemont nicht einfach werden. Klar ist auch, dass wir von den Ausbrüchen im Osten sehr viel gelernt haben und dass die westlichen Staaten grössere finanzielle Ressourcen haben.
Und eine Impfung ist weiterhin nicht in Sicht?
Leider nein.