Eigentlich mag ich Zaunarbeiten sehr. Der Gedanke an die Tiere, die sich bald glücklich und zufrieden am frischen Gras laben werden, beflügelt mich dabei. Doch eines hasse ich und das sind Elektronetze. In meiner Kindheit brauchten wir sie im Winter, um mobile Weiden für die Schafe zu erstellen. So sind diese Netze für mich mit kalten Füssen und Händen, einem fluchenden Vater und ausgebüxten Schafen verknüpft.

Danach machte ich viele Jahre einen Bogen um die verhassten Dinger, nahm in Kauf, dass meine Ziegen regelmässig meine Geranien frassen oder bei den Nachbarn die Büsche zerzausten. So ein paar Litzen halten einfach keine Ziege ernsthaft auf. Doch sind wir ehrlich, irgendwann wird es peinlich, wenn die Viecher immer ausbrechen und so kaufte ich mir irgendwann doch wieder ein Elektronetz. Oder vielleicht haben es mir auch meine Nachbarn geschenkt. Und so stellte ich mit meinem Sohn das Netz und wir beobachteten entspannt die vergeblichen Ausbruchsversuche der Ziegen, während er sagte: «Mama, warum haben wir nicht schon vorher so ein praktisches Netz gekauft?» Ich schwieg.

Zäunen wird zur Nervenprobe

Warum wir Netze hassen, erfuhr er kurze Zeit später, als das Gras gefressen war und wir es versetzen mussten. Von einem Waldrand zum nächsten. Das heisst, das Netz zuerst aus den mittlerweile hineingewachsenen Brombeeren, Brennesseln und Gräsern herausfädeln und dann am neuen Standort um Sträucher, Baumstrünke und hohes Gras herum so aufstellen, dass es irgendwie Strom führt. Und währen dieser Arbeit verheddert man sich immer wieder mit den Füssen in dem elenden Geflecht oder es verknotet sich in sich selbst. So wird das entspannte Zäunen zur Nervenprobe.

Und genau aus all diesen Gründen bekomme ich jedes Mal hohen Blutdruck, wenn ich in Wolfsdiskussionen lese, man müsse halt seine Tiere richtig einzäunen. Wie gerne würde ich diesen Leuten mal eines meiner Elektronetze in die Hand drücken und sie bitten, mir doch mal nur 50 m Waldrand wolfssicher damit zu zäunen. Die würden danach nie wieder einen solchen Kommentar schreiben. Wenn sie dann noch wüssten, dass die Weide gerade mal ein paar Stunden oder Tage reicht und dann gezügelt werden muss, weil man damit ja Grasfresser einzäunt, die einerseits gerne 24 Stunden am Tag fressen würden und andererseits bald frisches Grün brauchen. Auch wegen zunehmend resistenter Parasiten sollten Kleinwiederkäuer ihre Weide oft wechseln.

Höhere Netze bedeuten höhere Preise

Meine Netze sind nur 90 cm hoch und würden einem Wolf maximal ein müdes Lächeln abverlangen. Wenn man diese Netze jedoch durchs hohe Gras schleppt oder aus dem Neuschnee ziehen muss, dann ist das ein Kraftakt. So lernt der eine Arm schnell zu arbeiten, bevor es im andern Arm, der die Rolle trägt, einen Krampf gibt. Eigentlich keine Arbeit für Frauen, stelle ich immer wieder fest. Spasseshalber, oder wohl mehr luchseshalber habe ich mir ein paar höhere Netze gekauft. Dabei habe ich festgestellt, die Netze haben mit der Wolfsdiskussion nicht nur ihren Preis verdoppelt, mein guter alter Viehhüter ist damit auch überfordert.

Gerade noch ein halbes dieser Netze könnte er ausreichend mit Strom versorgen, um Lupus ernsthaft fernzuhalten. Also brauche ich neue Netze, einen neuen, stärkeren Viehhüter und einen Mann, der mir die deutlich schweren Netze trägt. Blöd nur, dass die Ziegenpreise nur eine Richtung kennen und das spricht nicht für Investitionen in diesem Betriebszweig.

Die Rechnung geht nicht auf

Und wer nun meint, zumindest könnte ich dank der Investitionen nachts wieder ruhig schlafen, der irrt sich, denn trotzdem müssen meine Ziegen neuerdings nachts in den Stall, wogegen sie neben meinem Schlafzimmer lauthals protestieren. Ausserdem bin ich nun in ständiger Sorge, es könnte sich ein Wildtier im Zaun verheddern. Ich bin sicher, das wird nicht der Wolf sein. Regelmässig werden die Netze von Schnee, Ästen, Wind oder Wild umgedrückt und führen dann keinen Strom mehr. So werden sie für Tiere zur Todesfalle. Ich hoffe, ich muss das nie erleben.

Noch etwas gibt mir zu denken, seit meine Tiere nicht mehr rund um die Uhr Gras fressen können, brauche ich stattdessen Kraftfutter und konserviertes Futter, um sie nachts zu füttern. Für mich geht diese Rechnung hinten und vorne nicht auf – und das soll ökologisch sein? Aber meine Ziegen sind zum Glück nur ein Hobby und ich muss nicht rechnen. Jedoch erstaunt es nicht, kommt nur noch gut jedes dritte Osterlamm aus der Schweiz. Tendenz sinkend, trotz steigender Preise und Nachfrage.