Schritt für Schritt bewegen sich die Pferde vorwärts, den Kopf im Gras, fressend. Dabei bleiben sie in Grüppchen von zwei, drei Tieren zusammen. «Es ist spannend, die Herdendynamik zu beobachten», sagt Beat Honegger. In einer grösseren Gruppe seien die Tiere entspannter, auch im Stall. «Vorausgesetzt, sie haben genügend Platz, um einander zu auszuweichen». In Hinwil im Zürcher Oberland führt Beat Honegger zusammen mit seinem Sohn Reto als Generationengemeinschaft einen Betrieb mit Altersweide. Meistens sind es zwischen 20 und 30 Pferde, die hier ihren Lebensabend verbringen.

Bis ins hohe Alter

Honeggers haben mit dem Angebot vor 18 Jahren angefangen – nachdem aus dem Bekanntenkreis eine Anfrage gekommen war, einen älteren Haflinger aufzunehmen. «Damals gab es in der Gegend noch kaum Altersweiden, daher haben wir darin ein Potenzial erkannt», sagt Beat Honegger. Bald seien weitere Anfragen gekommen, zumeist von Leuten aus der Region, die ihre alten Pferde nicht weiter in Einzelboxenhaltung oder auf weit entfernte Weiden weggeben wollten. Schnell habe sich daraus eine Dienstleistung entwickelt. Das erste Pferd, der besagte Haflinger, verbrachte einen ausgedehnten Lebensabend auf dem Hof und starb schliesslich mit 39 Jahren. «Der Altersrekord bei uns», so Honegger. Das älteste Pferd derzeit sei 35-jährig, das Alter der Tiere bei ihrer Ankunft sehr unterschiedlich. Es gebe auch welche, die bereits mit 13, 14 Jahren aufgenommen würden, sei es aufgrund einer Krankheit oder eines Unfalls.

«Wir erleben es nicht selten, dass fast totgesagte Pferde hier wieder aufleben», erzählt Honegger. Das liege unter anderem daran, dass die Tiere im Herdenverband leben können. «Bei manchen Individuen spürt man zudem eine Entlastung, dass man nichts mehr von ihnen verlangt», so Honegger. Er erinnert sich auch an ein Pferd, das mit einem Sehnenschaden angemeldet worden war. Nach der Ankunft habe es sich zunächst auf der Weide ausgetobt und sei dann ruhiger geworden. «Die ständige Bewegung hat ihm nicht geschadet, im Gegenteil, nach einem Jahr war die Verletzung vollständig ausgeheilt.»

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Alle Pferde willkommen

In Honeggers Herde sind alle willkommen: Stute, Wallach, ehemaliges Freizeitpferd oder Spitzensportler, Pony, Freiberger oder Vollblüter. Eines ist allerdings entscheidend: «Wir nehmen ausschliesslich Tiere, die nicht mehr geritten oder anderweitig genutzt werden, da wir kein Pensionsstall sind», so Honegger. Dazu hätten sie auch nicht die nötige Infrastruktur, wie etwa einen Reitplatz. Ausserdem würden in einem herkömmlichen Pensionsstall viel mehr Menschen ein und aus gehen, «was hier nicht passen würde.»

Dennoch sei es erlaubt oder sogar erwünscht, wenn sich die Besitzer(innen) weiterhin für ihre Pferde interessierten. Wie häufig diese ihre Schützlinge besuchten, sei sehr unterschiedlich. Manche kämen kaum, andere dagegen jedes Wochenende, um das Pferd zu putzen und vielleicht spazieren zu führen.

Für die routinemässige Pflege sorgen Honeggers selbst. So organisieren sie etwa alle paar Wochen den Hufpfleger, kümmern sich um kleinere Verletzungen und rufen bei Bedarf den Tierarzt.

Der Begriff «Altersweide» könnte zu Missverständnissen führen: Die Pferde verbringen zwar täglich einige Stunden auf der Weide, sofern es das Wetter zulässt. «Wären die Tiere jedoch ständig auf der Weide, wäre das weder für ihre Gesundheit gut noch für den Zustand des Bodens», sagt Beat Honegger. Daher steht den Pferden hauptsächlich ein grosszügiger Offenstall zur Verfügung, der vor drei Jahren erweitert wurde.

Betriebsspiegel Pferdehof Honegger

Reto und Beat Honegger

Ort: Hinwil ZH
LN: 35 ha
Altersweide: 20–30 Pferde
Vieh: 12 Mutterkühe, ca. 60 Aufzuchtrinder
Weiteres: Lohnarbeiten, Winterdienst, Holzen

Häufiger Weidewechsel

Der 800 m2 grosse Allwetterauslauf ist teils mit Beton und Ecoraster befestigt. Dazu kommen zwei Liegeflächen, die weich mit Sägemehl bedeckt sind. «Wir haben darauf geachtet, dass die Tiere einander überall ausweichen können», so der Landwirt. Zudem seien Ecken entschärft worden. Honeggers verfüttern den Tieren Heu und Haylage, die sie selbst produzieren. «Dabei legen wir Wert auf die Qualität», betont Beat Honegger. Ihre Mutterkühe und Aufzuchtrinder sind dabei eine gute Ergänzung, vor allem was die Weideflächen betrifft: «Wir betreiben ein System der Wechselweiden», sagt der Zürcher Oberländer. «Jedes Tier – ob Kuh oder Pferd – kommt auf jede Fläche». Damit lässt sich der Wurmdruck tief halten, was bei den Pferden besonders wichtig ist.

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Die alltäglichen Arbeiten im Offenstall und aus der Weide erledigt die Familie maschinell. Dabei kommt hauptsächlich der Hoflader zum Einsatz, für den es verschiedene Werkzeuge gibt. «Wir sind so organisiert, dass wir nicht auf externe Arbeitskräfte angewiesen sind», so Honegger. Das Angebot der Altersweide habe sich auf dem Betrieb bewährt, bilanziert er. Dies dürfte auch in Zukunft so bleiben. Dafür spreche, dass es immer mehr ältere Pferde gibt. «Statt wie früher ins Schlachthaus kommen sie nun zu uns.» Stirbt eines der Tiere, werde es für einige Stunden in der Herde gelassen, damit sich die anderen Pferde von ihm verabschieden können.

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