Walter Durrer war 25 Jahre lange im Vorstand des Kälbermäster-Verbands von Obwalden, Nidwalden und Uri und dazu noch während 21 Jahren im Vorstand des Schweizer Kälbermäster-Verbands (SKMV). Beide Ämter gab er kürzlich ab. Die BauernZeitung fragte nach.

Sie arbeiteten in den vergangenen 25 Jahren in verschiedenen Kälbermast-Organisationen mit. Was waren die grössten Veränderungen in diesem Zeitraum?

Walter Durrer: Die Haltung der Kälber hat sich stark verbessert. Standen diese anfangs noch auf Spaltenböden, wurde der Tierkomfort laufend optimiert und der Flächenbedarf pro Tier mehr nach oben angepasst. Das einerseits, weil die Tierhalter erkannten, dass sich die besseren Haltungsbedingungen positiv auf die Tiergesundheit und damit die Wirtschaftlichkeit auswirkten. Andererseits aber auch, weil sich die verschiedenen Labels phasenweise mit immer höheren Standards überbieten wollten. Das führte auf den Kälbermastbetrieben laufend zu Investitionen. Dass dann einzelne Labels kurzfristig ersatzlos gestrichen wurden, sorgte bei den Kälbermästern für grosses Unverständnis. Vereinzelt wurde dieser Betriebszweig dadurch sogar aufgegeben.

Veränderte sich auch die Tränkerqualität?

Heute werden auf den Milchviehbetrieben viel mehr Besamungen mit Mastrassen gemacht. Entsprechend ist das Angebot von Mastrassentränkekälbern gestiegen. Stimmt die Qualität, können AA-Tränker für die Mäster trotz der höheren Ankaufspreise interessant sein. Allerdings gab es in der Vergangenheit auch bei Fleischrassen-Genetik grosse Unterschiede. Kälber aus ungeprüfter ausländischer Beef-Genetik überzeugten teilweise in ihren Mastleistungen gar nicht. Auch bei den Milch- und Zweinutzungsrassen sind die Qualitätsunterschiede grösser geworden. Entsprechend wichtig sind heute im Kälberhandel langjährige Handelspartner. Für uns Mäster ist schlussendlich neben der Tiergesundheit die Differenz zwischen dem Ankaufspreis und dem Verkaufspreis entscheidend.[IMG 2]

Was fordert die Zentralschweizer Kälbermäster aktuell besonders?

Die Saisonalität ist in der Innerschweiz besonders ausgeprägt, denn bei uns wird viel Vieh gealpt. Das erschwert den Kälbermästern in den Sommermonaten die Beschaffung der Tränker. Entsprechend herausfordernd ist es, in der Vorweihnachtszeit der guten Nachfrage nach Kalbfleisch nachzukommen. Andererseits führen die stark ansteigenden Schlachtkälberzahlen Anfang Jahr jeweils für Druck auf die Preise. Das ist für Kälbermäster, die selber alpen, besonders anspruchsvoll, da in diesen Monaten ein grosser Teil ihrer Mastkälber schlachtreif sind.

Die Tiergesundheit steht in der Kälbermast immer wieder im Fokus. Warum sorgen Themen wie aktuell die Impfung zu so intensiven Diskussionen?

Die Bedeutung der Kälberimpfung ist naturgemäss auf dem Verkaufsbetrieb weniger gross als auf dem Mastbetrieb. Dennoch zeigen Erfahrungen aus der professionellen Kälbermast, dass durch die Impfung die Tiergesundheit verbessert und damit der Antibiotikaverbrauch gesenkt werden kann. Es ist nun entscheidend, dass alle Beteiligten die Branchenlösung konsequent umsetzen. Damit erhalten wir in drei Jahren aussagekräftige Daten. Anhand dieser kann dann entschieden werden, ob die obligatorische Impfung weitergeführt werden soll. Aber nicht nur die Impfung kann für die Tiergesundheit bedeutend sein. Auch die Muttertier-Versorgung und die Haltung des Kalbes in den ersten Lebenswochen haben einen grossen Einfluss auf die Gesundheit des Kalbes und damit die Wirtschaftlichkeit der Kälbermast.

Welche Bedeutung hat der SKMV?

Der SKMV setzt sich sowohl auf politischem Weg als auch über die Branche für seine Mitglieder ein. Im SKMV arbeiten bäuerliche Kälbermäster und grosse Kälbermäster mit Milchnebenprodukten eng zusammen. Gerade die spezialisierten Kälbermast-Organisationen bringen mit ihrer Professionalität und grossen Marktkenntnissen viel Know-how in die Organisation. Von diesen Informationen profitieren auch wir bäuerlichen Kälbermäster in den Regionen. Zudem kann der SKMV dank seines Sitzes in der Proviande die Anliegen der Kälbermäster direkt in die Fleischbranche einbringen und bei wichtigen Themen wie Preisbildung und Importanträgen direkt Einfluss nehmen.

Sie traten nicht nur aus dem nationalen Verband zurück, auch Ihr Amt beim Kälbermäster-Verband von Obwalden, Nidwalden und Uri gaben Sie ab. Wie sehen Sie die Zukunft dieses Verbands?

Wir haben für den Vorstand des Kälbermäster-Verbands von Obwalden, Nidwalden und Uri erfreulicherweise junge, initiative Bauern gewinnen können. Die Kälbermast wird auf vielen Höfen in der Innerschweiz bedeutend bleiben. Viele unserer Bauernfamilien sind Tierhalter mit Herzblut und betreuen ihre Tiere sehr professionell. Das ist in der Kälbermast besonders wichtig. Der Milchverkauf ist auf vielen Bergbetrieben weder sinnvoll noch praktikabel. Da Alternativen wie die Mutterkuhhaltung zudem meist mit grösseren Investitionen verbunden sind, wird die bäuerliche Kälbermast wichtig bleiben.

Der Konsum von Kalbfleisch nahm in den vergangenen Jahren laufend ab. Wird sich dieser Trend fortsetzen?

Trends können oft schnell ändern. Das zeigte sich in diesem Frühjahr, als die Tränkekälber plötzlich rar wurden. Wie sich der Kalbfleischkonsum in der Schweiz entwickelt, ist schwierig abzuschätzen. Das Bevölkerungswachstum führt dazu, dass der Fleischkonsum in der Schweiz immer noch stabil ist. Kalbfleisch wird im Gegensatz zu Schweinefleisch von Menschen aller Glaubensrichtungen gegessen, was die Nachfrage aus dem Kantinen- und Cateringbereich fördern könnte. Grosse Teile der Bevölkerung gehen heute weniger häufig in Restaurants essen. Wenn sie dann aber auswärts essen, gönnen sie sich gerne exklusive Produkte wie unser Kalbfleisch.