Der Katalog der US-Firma Select Sires namens «Creating Legends» enthält zahlreiche Stiere mit Klon-Genetik. Nachkommen von Blender Avalanche und Unstopabull. Glaubt man den Kennern der Szene, werden wir alsbald überflutet von solchen Stieren. Noch sind die Nachkommen aus diesen Söhnen mit Klon im Pedigree auf ihren Abstammungsscheinen ersichtlich. Noch. Denn bald einmal lässt die Drei-Generationen-Regel ihre Herkunft auf diesem Papier auf geheimnisvolle Art und Weise verschwinden.
Spätestens dann wird die Branchenlösung uns alle vor neue Herausforderungen stellen. Denn damit wird die privatrechtlich aufgestellte Regel des Schweizer Bauernverbands mit den vermeintlich Gleichgesinnten noch schwerer kontrollierbar. Sie will die Schweiz frei von Klon-Genetik sehen. Nur, wenn kein Nachweis mehr sichtbar ist, wird sie kaum mehr überprüfbar sein.
Die Deutschen haben im Grunde ein gesetzliches Verbot
Die Deutschen machen es exemplarisch vor. Im Grunde haben sie ein gesetzliches Verbot für den Einsatz von Klon-Genetik erlassen. Dieses liegt aber gut verwahrt in der alleruntersten Schublade des Gesetzgebers. Der Grund dafür: mangelnder Kontrollnachweis.
Nach drei Generationen erlischt also der Nachweis auf Papier, dass je ein Klon auf der Abstammung des Tieres zum Einsatz kam. Spätestens dann hat sich die Frankenstein-Genetik, wie sie unser Chefredaktor Adrian Krebs zu bezeichnen pflegt, etabliert. Wir haben in der Schweiz bereits einen solchen Stier im Einsatz – er heisst Luxor. Nachkommen von ihm werden und wurden hierzulande auch schon geboren. Was ist mit ihnen? Die Antwort fehlt.
Auch aus C-Tieren können A-Tiere hervorgehen
Diese Drei-Generationen-Regel gilt auch andernorts. Zum Beispiel beim Swiss Fleckvieh. Die Geschichte ist mehrfach erzählt und dennoch werden immer wieder solche Nachkommen geboren – die sogenannten C-Tiere. Ihr Vater ist meist ein Red Holstein, die Mutter eine SF-Kuh. Der Wunsch nach ein bisschen mehr Milch oder aber die pure Unwissenheit oder auch Gleichgültigkeit lassen ihren Besitzer zur eigentlich fremden Rasse greifen. Denn obschon SF in den Rassen RH und Simmental ihren Ursprung hat; heute ist sie eine eigenständige Rasse mit einem geschlossenen Herdebuch. Analog des oben erwähnten Systems kann aber nach drei Generationen aus diesem C-Tier mit entsprechender Kreuzung mit reinrassigen SF-Tieren wieder ein SF-Tier der Herdebuchstufe A entstehen. Also ein sogenannt reines Tier. Das ist keine Ausnahme.
Gehen wir zur Rasse Simmental. Hier werden seit geraumer Zeit deutsche Fleckviehstiere eingesetzt. Sie sollen das Hornlos-Gen mitbringen. Denn, glaubt man den Prognosen der Kenner, dürfte im Biobereich schon bald einmal ein Enthornungsverbot verhängt werden. Was dann? Welche Alternative würde den Biobetrieben mit Simmentalern im Laufstall bleiben? Sie müssten künftig auf gehörnte Simmentaler setzen oder aber die Rasse wechseln. Einer solchen Schwächung der Rasse will man wohlweislich entgegenwirken und zwar zeitig. Die ersten hornlosen Simmentalerstiere mit Code 70 wurden bereits geboren. Aus ihnen sollen durch Anpaarung mit Code-60-Kühen wiederum Stiere geboren werden, die das Hornlos-Gen in sich tragen. Auch hier gilt das Drei-Generationen-Prinzip. Der Ururenkel oder die Urur-enkelin gilt dereinst wieder als rein und erhält im Herdebuch den Eintrag Code 60. Genau das stösst den eingefleischten Reinzüchtern nun aber sauer auf. Dass ausgerechnet ein Mitglied des Swissherdbook-Vorstands und der Direktor des KB-Anbieters Swissgenetics da «mitmischen», macht die Sache für die meisten angefressenen Simmentalerzüchter nicht einfacher.
Vor dem Bund haben alle Freiberger einen Fremdblutanteil von 0%
Auch die Freibergerzüchter haben zumindest vereinzelt ähnliche Sorgen. «Dreissig Jahre Arbeit umsonst», nennt es Bruno Spring, Präsident der Interessengemeinschaft der Original-Freiberger. Hier hatte man seit 1950 jeglichen Fremdbluteinsatz akribisch auf dem Abstammungsausweis ausgewiesen. Die Züchter schien das nicht zu stören; im Gegenteil, man arbeitete entsprechend damit und hatte auf dem Markt einen entscheidenden Vorteil. Heute, nach dem jüngsten Entscheid des Bundesrats sind alle Freiberger gleich – das heisst, alle haben vor dem Bund einen Fremdblutanteil von 0 %. Dass das den Züchtern von Tieren mit tiefem Fremdblutanteil sauer aufstösst, ist nachvollziehbar. Sie fühlen sich, analog der «Simmentaler-Familie», ihrem Engagement beraubt.
Das Ganze hinterlässt Missmut
Wenn man genauer hinschaut, mag es für die Züchter der Rasse Swiss Fleckvieh ein Segen sein, dass Tiere drei Generationen nach einem Einkreuzen wiederum als rein gelten. Im Fall der Klone, der Freiberger und der Simmentaler hinterlässt das Ganze aber Missmut. Der Unterscheid liegt auf der Hand. Während SF eine noch junge Rasse ist und sich die Züchter an die Zeit der Fleckviehtiere bestens erinnern können, haben die Simmentaler, wie auch die Freiberger, eine lange Tradition. Ebenso gibt es in der Tierzucht eine lange Gepflogenheit ohne den Einsatz von Frankensteins Zauber – der Klon-Genetik.
Dass sich das traditionelle Erbgut in den Züchterherzen hier zur Wehr setzt, ist verständlich. Auch wenn es zuweilen als altbackene Art verurteilt werden mag, die Zuchtverbände dürfen stolz sein auf solche Züchter, die an Traditionen wie der Reinzucht festhalten wollen. Es braucht Zeit, Fingerspitzengefühl und vielleicht auch den Mut, etwas Neues zu erfinden, das den traditioneller denkenden Züchtern ein wenig Sicherheit gibt. Welcher Zacken fällt aus welcher Krone, wenn die Drei-Generationen-Regel einmal überdacht wird?