Neue Tierhaltungssysteme bringen einerseits grossen Nutzen. Etwa beim Tierwohl oder der Arbeitseffizienz. Andererseits auch neue Herausforderungen. Eine solche ist sicher die Güllelagerung im Tierbereich, konkret unterhalb der Spaltenböden. Diese wurde in der Tendenz eher «riskanter», wie es Beat Burkhalter nennt.
Aufrühren ist immer heikel
Burkhalter befasst sich als Sicherheitsfachmann bei der Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft (BUL) seit geraumer Zeit mit der Thematik. Heikel wird es vor allem dann, wenn unterhalb des Tierbereichs gelagerte Gülle aufgerührt wird. Die Lagerung sei an solchen Orten sicherlich auch sinnvoll, Burkhalter macht den Planern keinen Vorwurf. Etwa wegen des Geländes, des Platzes oder aus Kostengründen.
Aber eben: «Gase sieht man nicht», so Burkhalter. Zum Teil riecht man sie auch kaum und trotzdem sind sie da, einige gleich über dem Boden, da schwerer als Luft. Messgeräte sind gut und recht. Die müssen dann aber auch kalibriert sein, richtig bedient werden und immer an der richtigen Stelle aufgestellt sein. «Sie können zu einer falschen Sicherheit verleiten», so Burkhalter. Lüften und Geduld sind gemäss dem Fachmann das A und O. «Fenster und Türen sind zu öffnen, Grossraumventilatoren oder notfalls auch Laubbläser helfen ebenfalls.» Und dann solle man zuerst einen Kaffee trinken und aus sicherer Distanz beobachten, bevor man sich in den Bereich der aufgerührten Gülle begebe. Auch Tiere gehören aus dem Gefahrenbereich, vor allem diejenigen, die im Sommer auf den Spaltenböden liegen, da es dort kühler erscheint als im Liegebereich.
Unterhalts-Arbeiten für Profis
Im Aussenbereich ist es für den Mensch grundsätzlich weniger gefährlich. Ausser man legt sich hin, um etwa einen Blick in den Güllekasten zu erhaschen. Vorsicht: «Gase treten häufig schwallartig auf», weiss Burkhalter. Noch delikater als bei Aussenmanipulationen ist natürlich das Heruntersteigen in eine Grube. Gemäss Burkhalter sind diese Arbeiten nur für erfahrene Profis zulässig. Mitarbeiter von Gülletechnikfirmen seien entsprechend ausgebildet. Güllegase würden unterschätzt. Hartnäckig halte sich die Vorstellung, man könne ja notfalls mal 2 bis 3 Minuten die Luft anhalten. In der Aufregung – etwa bei einem Rettungsversuch – und in Kombination mit körperlicher Anstrengung, sei dies eine gefährliche Utopie.
Chronische Schäden sind möglich
Methan, Ammoniak, Kohlendioxid und Schwefelwasserstoff sind die relevanten Vergärungs- oder Güllegase. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen hat Stallklimawerte definiert, welche nicht dauerhaft überschritten werden dürfen, ansonsten drohen chronische Beschwerden für Mensch und Tier. Jedes Gas hat dabei seine eigenen Merkmale. Kohlendioxid beispielsweise ist deutlich schwerer als Sauerstoff, geruch- und farblos. Schwefelwasserstoff seinerseits ist bereits in kleiner Konzentration schädlich. Mit seinen toxischen Eigenschaften führt es bei entsprechender Konzentration zum Erstickungstod oder verursacht durch Reizung ein Lungenödem.
Methan ist flüchtig, farb- und geruchlos und vor allem explosiv. Ammoniak ist ebenfalls flüchtig, also leichter als Sauerstoff, hat aber einen stechenden Geruch, ist reizend, kann chronische Schädigungen wie Asthma oder Bronchitis verursachen und führt bei hoher Dosis zu einem Lungenödem. Ammoniak mindert die tierischen Leistungen. Daneben ist es ätzend und sorgt für die bekannten Korrosionen an der Infrastruktur.
Bauliche Massnahmen helfen
Gase in Ställen können durch bauliche Massnahmen reduziert werden, etwa durch ein Pfeifen-Siphon oder klassisch siphonierte Einläufe in die Güllegrube und möglichst vielen Öffnungen. Zu vermeiden seien «offene» Güllegruben unterhalb Spaltenböden in geschlossenen Gebäuden. Lüftungsöffnungen gegen aussen sind wichtig. «Tote Ecken» im Stall, wo also die Luft nicht flüchten kann, sollen bekannt und noch besser eliminiert werden. Bei baulichen Fehlern oder Missständen im Bereich der Gülle sind organisatorische (Lüftung, Tiere herausnehmen) und personelle (niemand im Gebäude beim Rühren und bei Entnahme) umso wichtiger, schliesst Beat Burkhalter.
Bei Unfällen mit Personen oder Tieren versucht er jeweils vor Ort, Ursachen zu erforschen und den Hergang nachzuvollziehen. Dass nicht alles lückenlos aufgeklärt werden kann, ist ein weiterer Beleg dafür, die riskanten Gase im Umfeld der Stallungen keinesfalls zu unterschätzen.