Neugeborene Kälber sind sensible Wesen. Der Grund dafür ist, dass sie ohne körpereigene Abwehrstoffe, sogenannte Immunglobuline, zur Welt kommen. Um sich gegen Krankheiten durch Erreger schützen zu können, müssen Kälber daher zwingend mit der ersten Biestmilch (Kolostrum) ihrer Mutter, oder einer anderen Kuh im gleichen Stall, versorgt werden. Biestmilch ist reich an Eiweiss, Enzymen, Vitaminen, Mineralien, Aminosäuren und Antikörpern. Die erste Biestmilch soll dem Kalb möglichst unmittelbar nach dem Abkalben verabreicht werden. Der Saugreflex ist bei normal geborenen Kälbern 20 bis 30 min nach der Geburt am ausgeprägtesten. Dann ist demnach der richtige Zeitpunkt, das Kalb ein erstes Mal zu tränken. Grundsätzlich darf es so viel Milch trinken, wie es will. In der Regel sollte das drei bis vier Liter sein. Ist es weniger, treten danach gerne gesundheitliche Probleme, wie Durchfall, auf.
Wirtschaftlich bedeutend
«Durchfall ist die häufigste Todesursache neugeborener Kälber und zählt zu den wirtschaftlich bedeutendsten Krankheiten in der Aufzucht. Fast die Hälfte aller Fälle betreffen Kälber in den ersten zwei bis drei Lebenswochen», weiss Sandra Glauser, Kälberspezialistin bei Meliofeed AG. Das Problem sei vielen Betriebsleitenden bekannt. «Zu den häufigsten Durchfallerregern beim jungen Kalb zählen Rota- und Coronaviren, Kryptosporidien und E.-coli-Bakterien», sagt die Spezialistin. Mischinfektionen seien ebenfalls möglich und häufig seien Viren ein Wegbereiter für eine nachfolgende Kryptosporidien-Infektion. Nebst diesen Infektionserregern könne Durchfall auch durch die Fütterung verursacht werden. «Infektiöse Durchfälle haben aber eine wesentlich grössere Bedeutung», sagt Glauser.
Unbedingt die Immunität forcieren
Da das Kalb, wie oben beschrieben, ohne Immunabwehr zur Welt kommt, muss mit den Abwehrstoffen aus der Biestmilch die heikle Zeit, bis das Kalb einen eigenen Immunschutz aufgebaut hat, überbrückt werden. «Es gilt, je besser die Kolostrumversorgung, desto höher die Immunität des neugeborenen Kalbes und damit bessere Chancen gegen Durchfallerreger», weiss Sandra Glauser. Neben der Versorgung in der ersten Lebensstunde und einer ausreichend hohen Menge, «sollte die Immunglobulin-Konzentration in der Biestmilch möglichst hoch sein, um eine genügende passive Immunisierung zu erreichen», erklärt Glauser. Sie rät, die Qualität der Biestmilch regelmässig mittels Refraktometer überprüfen zu lassen. Darin wird der Immunglobulin-Gehalt in Brix abgelesen. «Gute Biestmilch weisst mindestens 24 % Brix auf», sagt die Beraterin, was mehr als 50 g pro Liter entspricht.
Hygiene ist entscheidend
«Da im Kot des Muttertieres Erreger enthalten sein können, kann sich das Kalb bereits in den ersten Lebensstunden oral infizieren. Um das Infektionsrisiko zu reduzieren, muss deshalb die Geburt in einer sauberen und trockenen Umgebung stattfindet», rät Sandra Glauser zudem. Die anschliessende Haltung in Einzel-Kälberiglus verhindere zudem die Kontamination von Kälbern, welche für eine Infektion empfänglich seien. «Wichtig ist die gründliche Reinigung der Iglus mittels eines Hochdruckreinigers mit heissem Wasser nach jedem Kälberwechsel», sagt sie. Empfehlenswert sei das trocknen lassen der Iglus während zwei Tagen bis eine Woche an der Sonne. «Die UV-Strahlen sind eine günstige und effektive Desinfektionsmethode», begründet Glauser. Zudem seien saubere Stiefel, Gerätschaften und Tränkeeimer unerlässlich, um die Verschleppung der Erreger möglichst gering zu halten. Weiter müsse das Trinkwasser stets sauber sein, um dies als weitere Infektionsquelle auszuschliessen.
Ganz schnell handeln
«Ein durchfallerkranktes Kalb kann pro Tag bis zu sieben Liter Flüssigkeit verlieren, was 15 % des Körpergewichts bedeuten. Der starke Flüssigkeits- und Elektrolytverlust führt schnell zu Problemen wie Dehydration und Azidose», erklärt die Meliofeed-Beraterin. Deshalb sei es wichtig, den Flüssigkeitsverlust zu kompensieren und Ungleichgewichte im Elektrolythaushalt sofort mit puffernden Substanzen auszugleichen. «Um dem Kalb weiterhin Energie zu liefern, darf die Milchvertränkung bei Durchfall nie unterbrochen werden. Damit die Milchgerinnung nicht gestört wird, sollten Elektrolytlösungen jeweils zwei Stunden nach den Milchgaben erfolgen», erklärt Glauser abschliessend.
