Es ist ein kurzes Aufatmen. Nachdem die Fallzahlen der Blauzungenkrankheit seit Ende August rasant angestiegen waren, brachten die tieferen Temperaturen der vergangenen Wochen Ruhe in das Seuchengeschehen. Anfang Dezember wurde vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV deshalb eine vektorfreie Zeit ausgesprochen (wir berichteten). Doch es ist ein Aufatmen unter Anspannung: Denn mit den höheren Temperaturen im kommenden Frühjahr dürften sich auch die Überträgermücken (Gnitzen) wieder zurückmelden.
Die BauernZeitung versucht häufig gestellte Fragen mit der Hilfe von Fachpersonen laufend zu beantworten.
Wann kommen die Mücken im nächsten Jahr zurück?
Wann die Mücken tatsächlich wieder aktiv werden, ist schwer abschätzbar. Vom BLV wurde eine Mücken-freie Periode bis zum 31. März ausgerufen. «Ich hoffe, die Mücken halten sich daran», so Patrizia Andina-Pfister, Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte GST. Ein sehr warmer Februar wie in den letzten Jahren könne jedoch dazu führen, dass die Mücken schon ein bis zwei Wochen früher aktiv werden, so die Tierärztin weiter.
Wie lassen sich die Bruststätten der Überträgermücken (Gnitzen) vernichten?
Die meisten Gnitzen-Arten benötigen für ihre Fortpflanzung feuchte Stellen. Bevorzugt legen die Weibchen ihre Eier in nassen, mit organischen Stoffen angereicherten Boden, Schlamm oder Mist, wo sich die Larven entwickeln. Um die Vermehrung der Gnitzen zu verhindern, sollten Brutstätten in und um die Ställe so gut wie möglich ausgemerzt werden. Dazu zählt das Trockenlegen von feuchten und nassen Stellen im Boden, Wasseransammlungen mit Gülle, Mist oder Silosickersaft. Nicht zu vergessen sind die Güllegrube und der Schwemmkanal. Auch in nasser Einstreu können sich die Larven der Gnitze entwickeln. Um den Entwicklungszyklus der Larven zu unterbrechen, gilt es, wenn möglich, die Einstreu einmal wöchentlich zu wechseln oder die nassen Stellen zu entfernen.
Warum werden erkrankte Tiere mit Antibiotika behandelt?
Neben Schmerzmitteln werden die Tiere teils auch mit Antibiotika behandelt. Dies, obwohl eine Viruserkrankung nicht mit Antibiotika bekämpft werden kann. Grund dafür seien zum einen durch das Virus verursachte sekundäre Erkrankungen wie bakterielle Entzündungen der Lunge, welche eine Antibiotika-Gabe erfordern, so Michèle Bodmer. «Zudem treten bei einer BTV-Infektion sehr viele verschiedene Symptome auf, sodass eine Erkrankung nicht immer einfach zu erkennen ist. Bei Tieren mit Fieber, Anzeichen einer Entzündung und schwerer Atmung kann es dann auch zum Antibiotika-Einsatz kommen», so die Tierärztin.
Führt die Behandlung mit Antibiotika zu einem Anstieg des Antibiotika-Verbrauchs?
Ob es aufgrund der Blauzungenkrankheit zu einem Anstieg des Antibiotika-Einsatzes kommt, ist laut Michèle Bodmer schwer abzuschätzen. «Der Tierärzteschaft ist aber bewusst, dass ein Antibiotika-Einsatz bei einer reinen Virusinfektion wenig Sinn ergibt», so Bodmer. Bei schwer erkrankten Tieren, bei denen nicht klar sei, ob sie jemals wieder ganz fit würden, ist laut Bodmer auch über die Euthanasie des Tieres nachzudenken. «Das ist sicherlich nicht schön, doch am Ende geht es darum, das Leid der Tiere zu vermindern», erklärt die Tierärztin sachlich.
Behörden und Tierärzte empfehlen Impfung
Bei der Behandlung von Blauzunge handelt es sich um Symptombekämpfung. Es geht also darum, allfällige Schmerzen und andere Symptome zu lindern und sicherzustellen, dass das erkrankte Tier weiterhin frisst und Wasser aufnimmt.
Die Bekämpfung der Gnitzen und die Impfung gegen das Virus (BTV-3 oder BTV-8) sind laut Behörden und Tierärzten aktuell die beste Variante, den Tierbestand gegen Blauzunge zu schützen.
Wann sollte ich meine Tiere impfen?
«Für einen bestmöglichen Schutz der Tiere im Hinblich auf die Vektorsaison 2025, sollte die Grundimmunisierung bei Rindern im Zeitraum von Januar bis März 2025 erfolgen, bei Schafen im Januar bis Februar, vor Beginn der Ablammsaison», so das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV):
Wirkt die Impfung?
Eine Erkrankung vollständig verhindern könne die Impfung nicht, so Patrizia Andina-Pfister. «Kühe haben aber deutlich weniger Milchrückgang, Lahmheiten und Aborte. Bei Schafen führt sie zu einem milderen Verlauf und die schlimme Atemnot können verhindert werden», so die Expertin weiter.
Muss gegen jeden Serotypen einzeln geimpft werden?
Aufgrund der fehlenden Kreuzimmunität der verschiedenen Virusvarianten muss laut Michèle Bodmer von der Wiederkäuerklinik der Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern gegen jeden Serotyp einzeln geimpft werden. «Impfstoffe, die mehrere Typen einschliessen, sind aber im Registrierungsprozess», so die Tierärztin weiter.
Wie oft müssen die Tiere für die Grundimmunisierung geimpft werden?
Zur Grundimmunisierung der Tiere gehen zwei der drei Impfstoffhersteller davon aus, dass bei den Schafen eine Impfung ausreichend ist. Bei den Rindern hingegen werden immer zwei Impfungen im Abstand von drei bis vier Wochen empfohlen. «Es ist aber wissenschaftlich erwiesen, dass zwei Impfungen eine bessere Antikörperproduktion auslösen, auch bei Schafen», so Patrizia Andina-Pfister. Aus diesem Grund empfiehlt das BLV auch bei den Schafen zwei Impfungen. «Bei Schafen ist die zweite Impfung sinnvoll, aber die erste entscheidet über Leben und Tod! Wenn möglich also zweimal impfen – aber lieber einmal als keinmal», erklärt sie weiter.
Wie lange sind die Tiere nach der Impfung immun?
«Von Untersuchungen aus dem BTV-8-Seuchenzug weiss man, dass geimpfte Tiere noch zwei bis drei Jahre später hohe Antikörpermengen aufweisen», so Michèle Bodmer. Je nach Tier kann diese jedoch stark variieren. «Sicher bleibt die Menge der Antikörper bis mindestens sechs Monate nach der Impfung bei der grossen Mehrheit der Tiere hoch», so Bodmer weiter. Bei einer natürlichen Infektion mit dem Serotyp 8 zeigten Studien, dass die Immunität vier bis sechs Jahre anhält.
Ab wann können die Kälber geimpft werden?
Bei den Kälbern ist laut Michèle Bodmer von der Wiederkäuerklinik der Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern, eine Impfung ab frühestens drei Monaten angezeigt. «Vorher macht eine Impfung nur wenig Sinn, denn die Impfpartikel können von den noch vorhandenen maternalen Antikörpern bekämpft werden», so die Tierärztin. Tendenziell würden die Jungtiere aber auch weniger starke Symptome zeigen.
Sind die Impfstoffe aktuell verfügbar?
«Im Moment ist der Impfstoff gegen den Serotyp 3 verfügbar. Wir können aber nicht garantieren, dass es keinen Engpass geben wird», so Patrizia Andina-Pfister von der GST.
Sollte ich meinen Tierarzt vorgängig informieren?
Die Beschaffung der Impfstoffe sei für die Firmen ein Risiko, denn die Nachfrage sei sehr schwer abzuschätzen. «Die Tierarztpraxen mussten teilweise Abnahmevereinbarungen bei den Pharmafirmen unterschreiben. Das bedeutet wiederum für die Tierarztpraxen ein Risiko, dass sie auf dem Impfstoff sitzenbleiben», so Andina-Pfister.
Praxen ohne Vereinbarung haben hingegen laut der Tierärztin ein grösseres Risiko, nicht genügend Impfstoff im gefragten Zeitraum anbieten zu können. «Ich denke, deshalb lohnt es sich als Tierhaltender, rechtzeitig mit der Tierarztpraxis Kontakt aufzunehmen und einen Termin zu vereinbaren oder den Impfstoff zu reservieren», rät Andina-Pfister.
Wie viel kostet eine Impfdosis?
Die Kosten pro Dosis bewegen sich laut Michèle Bodmer zwischen fünf und acht Franken.
Muss ich meine Tiere impfen?
Die Impfung erfolgt auf freiwilliger Basis, wird jedoch aufgrund der einzigen wirksamen Massnahme zum Schutz der Tiere vor einem schweren Krankheitsverlauf vom BLV dringend empfohlen.
Gibt es eine homöopathische Prophylaxe gegen Blauzunge?
Die deutsche Naturheilpraktikerin Birgit Gnadl rät ganz vehement davon ab, in bereits verseuchten Gebieten oder in erkrankten Beständen zu impfen. Dadurch würden heftige Krankheitsbilder und auch vermehrt Todesfälle begünstigt. Sie rät zur Gabe einer sogenannten Nosode.
Was ist eine Nosode?
Nosoden sind eine spezifische Art von homöopathischen Mitteln. Sie werden aus «krankheitsbezogenem» Material hergestellt. Das bedeutet, dass sie direkt aus Krankheitserregern, pathologischen Sekreten oder aus Gewebe gewonnen werden. Die Idee hinter Nosoden ist, dass dieses pathologische Material in verdünnter Form therapeutisch wirken kann.
Wo sind Nosoden erhältlich?
Im Fall der Blauzunge handelt es sich auch um die Blazungen-Nosode – oder eben BTV-Nosode. Sie ist in ausgewählten Drogerien, auch auf dem Postweg, erhältlich (Bsp.: Drogerie Fischer Tiergesundheit in Belp BE oder Drogerie Stöckli in Eggiwil BE).
Wie wird die Nosode angewendet?
Die Nosode ist analog anderen homöopathischen Heilmitteln in Kügelchen erhältlich. Zur Behandlung der Tiere wird am einfachsten ein Spray verwendet. Einige Kügelchen (nicht anfassen) in eine saubere Flasche geben, mit 4/5 Wasser und 1/5 hochprozentigem Schnaps auffüllen und gut verschliessen. Durch den Alkohol ist das Produkt über mehrere Wochen haltbar. Birgit Gnadl rät, zur Nosode im Spray das homöopathische Mittel Ledum C200 zu ergänzen. Ledum soll Beschwerden bei Insektenstichen lindern. [IMG 2]
Blauzunge-Prophylaxe: Wenn noch keine Fälle im Gebiet auftreten, soll das Mittel der ganzen Herde einmal pro Woche auf die Nase gesprüht werden. Ist die Krankheit in naher Umgebung oder sogar bereits im Bestand, soll die Behandlung täglich vorgenommen werden.
Akute Krankheitsbehandlung: Auch bereits erkrankte Tiere sollen weiterhin mit der BTV-Nosode und Ledum C200 behandelt werden. Zusätzlich sollen dadurch auftretende Symptome mit einem passenden homöopathischen Mittel behandelt werden.
Immer den Tierarzt informieren
Blauzunge ist meldungspflichtig. Treten im Bestand Symptome auf, muss der Verdacht unverzüglich dem Bestandestierarzt gemeldet werden, der mittels Blutprobe prüft, ob eine Erkrankung mit BTV vorliegt. Die Tiere sind laut Tierschutzgesetz zu behandeln oder müssen unter Umständen, nach Einschätzung des Tierarztes, von ihrem Leiden erlöst werden. Eine homöopathische Behandlung ersetzt daher den Tierarztbesuch nicht.
Haben Sie weitere Fragen zur Blauzungenkrankheit? Diese dürfen Sie uns gerne weiter unten in den Kommentaren stellen. Gemeinsam mit Fachpersonen versuchen wir diese für Sie zu beantworten.
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