«Die Verwirrung bezüglich Kontrollinstanzen und kontrollierte Vorgaben ist nicht selten und teilweise auch verständlich», sagt Cesare Sciarra, Leiter Kompetenzzentrum Nutztiere des Schweizer Tierschutzes (STS). Wer welche Kontrollen durchführt und welche Richtlinien oder Gesetze gelten, sei nicht immer einfach nachvollziehbar. Und genau deshalb sei es auch nicht immer klar, was zu Beanstandungen führe, wenn man sich nicht näher damit befasse.

Grundsätzlich werden Kontrollen in drei Bereichen durchgeführt, denen unterschiedlichen Anforderungen zugrunde liegen.

Gesetzliche Mindestanforderungen: Diese kontrollieren die kantonalen Veterinärämter. Alle Tierhalter müssen sie erfüllen.

Direktzahlungsanforderungen: Insbesondere BTS- und RAUS-Programmvorgaben werden in der Regel von kantonalen landwirtschaftlichen Kontrollstellen überprüft.

Anforderungen von privatrechtlichen Labels: Hier gibt es unterschiedliche Kontrollmechanismen. Zum Teil sind kantonale Kontrollstellen zuständig. Zum Teil gibt es labelspezifische Inspektionsfirmen wie z. B. Bio Inspecta und Bio Test Agro für Bio Suisse. Weiter gibt es den Kontrolldienst des Schweizer Tierschutzes. Der Kontrolldienst STS nimmt als Geschäftsbereich der grössten Tierschutzorganisation der Schweiz eine Sonderstellung ein. «Er ist keine Amtsstelle, aber auch nicht einfach ein Auftragnehmer, sondern Partner ausschliesslich für vom Schweizer Tierschutz für Labels mit als genügend gut befundenen Haltungs-, Transport- und Schlacht-Anforderungen», so Cesare Sciarra.

Dafür unterstütze der STS solche Labels und Marken bei der Aufrechterhaltung der Glaubwürdigkeit gegenüber Konsumentinnen mit Know-how und Öffentlichkeitsarbeit. «Der Kontrolldienst STS überprüft nicht zwingend alle Tierarten eines Labels, sondern je nachdem nur diejenigen Bereiche, welche den hohen Qualitätsanforderungen des STS genügen», erklärt Sciarra und ergänzt, dass für einige Labels wie Bio Suisse und Mutterkuh Schweiz auch Tiertransporte überprüft werden.

«Genügend Einstreu bedeutet nicht gleich genügend Einstreu.»

Cesare Sciarra, Schweizer Tierschutz STS.

Was steht wo?

Die meisten Vorgaben sind den Tierschutz-Kontrollhandbüchern des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen zu entnehmen. Die verschiedenen Labelrichtlinien für Tierhaltung seien bezüglich Übersichtlichkeit und Vollständigkeit recht unterschiedlich, gibt Cesare Sciarra zu bedenken.[REl 1]

Der Kontrolldienst STS sei versucht, die von ihm begleiteten Labels dazu zu motivieren, alle geltenden Vorgaben und Masse in den jeweiligen Richtlinien explizit zu nennen und nicht nur auf Gesetze oder Verordnungen zu verweisen. «Damit kann das grosse Herumsuchen für Landwirte vermieden werden», erklärt er, verweist aber darauf, dass es sich um einen laufenden Prozess handelt, «der bei weitem noch nicht überall abgeschlossen ist.»

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Unterschiedliche Ansprüche

Es bestünden aber auch Unterschiede und gar mögliche Widersprüche zwischen den verschiedenen Kontrollen. «Genügend Einstreu ist nicht gleich genügend Einstreu», erklärt der Leiter der Kontrollstelle STS und nennt ein Beispiel: «Prüft ein Kontrolleur die Einstreumenge in der Liegefläche für das BTS-Programm und befindet diese als genügend, heisst das nicht, dass die Einstreumenge auch für vom Kontrolldienst STS geprüfte Labels ausreichend ist.» Andererseits sei zum Beispiel eine Beanstandung der Beschäftigungsmöglichkeiten bei einer Labelkontrolle nicht zwingend auch ein Verstoss gegen die Tierschutzgesetzgebung.

Der Unterschied könne bezüglich Sanktionierung drastisch sein, da im schlimmsten Fall neben Labelsanktionen auch noch Direktzahlungskürzungen und Anzeigen hinzukommen könnten. «Um herauszufinden, wo bei privatrechtlichen Labels in der Praxis der Massstab angesetzt wird, fragt man am besten entweder bei anderen am Label teilnehmenden Betrieben nach ihren Erfahrungen oder wendet sich direkt an den Labelinhaber oder die zuständige Kontrollstelle», rät Cesare Sciarra.

Ein weiterer Problembereich sind Ausnahmebewilligungen und kantonale oder labelspezifische Auslegungen der Vorgaben. Ein Beispiel sei die Berechnung des ungedeckten Auslaufs bei RAUS, der kantonal unterschiedlich gehandhabt werde.

Viele Labels sind ein Grund

Es scheint also kompliziert und nicht zuletzt aufgrund der vielen Label-Anforderungen. «Die Anzahl privatrechtlicher Kontrollen stieg in den letzten Jahren an», bestätigt Marcel von Ballmoos von der Kontrollorganisation KUL-Carea. Seit 2021 sei neu der «Grüne Teppich» zu kontrollieren. Zudem seien diverse neue Projekte bei den Auftraggebern in der Pipeline wie Klima Star Milch, IP-Suisse Klima und Nachhaltigkeit Früchte. Da 2020 im öffentlich-rechtlichen Bereich das risikobasierte Kontrollsystem mit weniger Grundkontrollen, aber mehr risikobasierten Kontrollen eingeführt wurde, sei der Anteil an privatrechtlichen Kontrollen gestiegen.

«Die Anzahl privatrechtlicher Kontrollen stieg in den letzten Jahren an.»

Marcel von Ballmoos, Geschäftsleiter KUL-Carea.

Kontrollen im Tierarzneimittelbereich

Neben dem Tierschutz werden auch Medikamentenschrank und -einsatz regelmässig kontrolliert. «Anders als bei den Tierschutzkontrollen sind die Kontrollen und der Vollzug der Heilmittelgesetzgebung und damit verbunden auch die Verordnung über Tierarzneimittel auf Bundesebene geregelt», erklärt Rechtsanwalt Michael Ritter. Gemäss der Tierarzneimittelverordnung sind die Kantonstierärztinnen und Kantonstierärzte für die Kontrollen zuständig. Bei diesen Kontrollen muss klar ersichtlich sein, welchen Weg das einzelne Arzneimittel zurückgelegt hat.

Rückverfolgbarkeit gewährleisten
In diesem Bereich dürften die Kontrollen laut Rechtsanwalt Michael Ritter noch deutlich zunehmen. Wie das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen schreibt, müssen Tierärzte und Nutztierhaltende den Bezug, die Lagerung, die Abgabe und die Anwendung von Tierarzneimitteln (TAM) dokumentieren. Diese Buchführung sei ein wichtiges Element der Warenflusskontrolle, denn eine einwandfreie Dokumentation ermögliche eine lückenlose Rückverfolgbarkeit, die ihrerseits einen wichtigen Beitrag zur Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit leistet.

Pflicht der Nutztierhaltenden
Die Aufzeichnungs- und Buchführungspflicht unterstützt laut BLV Tierhaltende im Gesundheitsmanagement ihrer Tiere. Sie schaffe zudem Transparenz und fördere den korrekten Umgang mit TAM. Buchführungspflichtig sind für Nutztierhaltende folgende Medikamente:
- Verschreibungspflichtige TAM
- TAM mit Absetzfristen
- TAM, die umgewidmet wurden
- Nicht zulassungspflichtige TAM
- Importierte TAM (brauchen eine Sonderbewilligung der Zulassungsbehörde Swissmedic)

Drei Jahre aufbewahren
Der Einsatz dieser oben genannten TAM müssen im Behandlungsjournal aufgezeichnet werden. Zusätzlich ist eine Inventarliste zu führen. Letztere liefere laut BLV einen Überblick über die auf dem Betrieb gelagerten TAM. Beide Dokumente müssen mindestens drei Jahre aufbewahrt werden.

Die Einhaltung dieser Vorgaben wird im Rahmen von amtlichen Kontrollen in der Primärproduktion kontrolliert, die den Bäuerinnen und Bauern lange als blaue Kontrolle bekannt war. Heute wird dieser Name aber vonseiten Behörden nicht mehr verwendet. «Blau» wurde die Kontrolle genannt, weil die Dokumente für die Kontrolle in einem blauen Ordner waren. Blau war die üblicherweise verwendete Farbe für Kontrollen im Veterinärbereich. Diese Kontrollen werden seit mehr als 20 Jahren durchgeführt. Die Einführung war kantonal unterschiedlich. Heute ist sie schweizweit identisch.